Sieben Prozent Inflation: Trotzdem spielt auch die US-Notenbank auf Zeit

Gegen allgemeine Erwartungen hat auch die FED die Leitzinsen nun nicht erhöht, womit die einfachen Bürger trotz deutlich steigender Löhne weiter an Kaufkraft verlieren

Eigentlich hatte der Chef der US-Notenbank am 11. Januar schon alles gesagt und damit im Prinzip die dringliche Aufgabe für die FED beschrieben, endlich aus der Nullzinspolitik auszusteigen. Der Präsident der FED Jerome Powell hatte angesichts der Tatsache, dass die offizielle Inflationsrate in den USA im Dezember im Vergleich zum Vorjahresmonat sogar schon um sieben Prozent in die Höhe geschossen ist, richtig erklärt:

Wir wissen, dass eine hohe Inflation ihren Tribut fordert, insbesondere für diejenigen, die die steigenden Preise und Kosten für lebensnotwendige Güter wie Lebensmittel, Wohnung und Transport am wenigsten tragen können.

Jerome Powell

Das wäre eigentlich eine Ansage dafür, wenn er es ernst meinen würde, die Leitzinsen endlich wieder zu normalisieren, um der enormen Inflation zu begegnen. 2017 wurde unter Janet Yellen, die nun Finanzministerin unter Präsident Joe Biden ist, eine Zinsnormalisierung ohne hohe Inflationsraten eingeleitet.

Obwohl Powell persönlich "erhebliche Inflationsrisiken" sieht, baute er bei seinen Statements gleich auch Hintertüren ein, die für die normalen Menschen weitere Kaufkraftverluste bedeuten können.

Wir werden unsere Instrumente einsetzen, um die Wirtschaft und einen starken Arbeitsmarkt zu unterstützen und zu verhindern, dass sich eine höhere Inflation verfestigt.

Jerome Powell

Diese Aussage ist, angesichts der Tatsache, dass auch die FED für eine Inflation von zwei Prozent sorgen soll, starker Tobak. Denn Powell gab nur noch vor, eine Verfestigung der "höheren Inflation" verhindern zu wollen. Und dieser Logik zufolge hat der Offenmarktausschuss der Notenbank schließlich nach den zweitägigen Beratungen am späten Mittwoch auch gehandelt.

"Unglaublicher Inflationswert"

Die zuvor auch von Powell allseits genährte Erwartung, dass die FED die Zinswende angesichts einer hohen und steigenden Inflationsrate jetzt einleiten würde, wurde enttäuscht. Die Inflationsrate ist jetzt offiziell so hoch wie seit fast 40 Jahren nicht mehr. Trotz eines "unglaublichen Werts" von zuletzt sieben Prozent, wie ihn auch die "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ) aus der Schweiz bezeichnet, belässt die FED den Leitzins praktisch "bei null".

Die NZZ kommt zum richtigen Ergebnis, dass auch die FED "die Inflation nicht richtig ernst nimmt und weiter auf Zeit spielt". Es ist angesichts der FED-Entscheidung nun klar, dass die Einschätzung des Autors dieser Zeilen in Bezug auf die US-Notenbank zuletzt falsch war.

Denn der Autor hatte zwar richtig erwartet, dass die Inflation in den USA weiter steigen würde, er ging aber davon aus, dass die US-Notenbank nach den vorbereitenden Worten von Powell in den letzten Monaten dann auch Taten folgen lassen würde, wie man sie bei der Bank of England (BoE) und anderen Notenbanken in Europa schon gesehen hat.

Doch weit gefehlt. An der Nullzinspolitik ändert sich auch in den USA nichts. Die FED hat den Leitzins in der Spanne von 0,0 bis 0,25 Prozent belassen. Nur zaghaft steigt sie aus der ultra-lockeren Geldpolitik aus. So sollen jetzt die Ankäufe von Anleihen im Februar auf 30 Milliarden US-Dollar reduziert werden, aus denen im März dann vollständig ausgestiegen werden soll. Neu ist das allerdings nicht, das hatte man praktisch schon nach der letzten Sitzung verkündet.

Wann kommt das Ende von Easy Money?

Angesichts der Worte von Powell am späten Mittwoch gehen nun Beobachter davon aus, dass bei der nächsten Sitzung des Offenmarktausschusses im März eine Erhöhung der Leitzinsen kommen werde. So titelte Die Welt: "Mit dieser Botschaft läutet der US-Notenbankchef das Ende des Easy Money ein."

Die ebenfalls konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) meint, dass die US-Notenbank nun die "Wirtschaft und Finanzmärkte auf Leitzinserhöhungen im März" vorbereite und später auf "ein "Abschmelzen ihres Anleiheportfolios". Für etwa neun Billionen US-Dollar hat die FED inzwischen Anleihen aufgekauft.

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Allein seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie waren das fünf Billionen US-Dollar, mit denen die Geldmärkte geflutet worden sind. Auch das Handelsblatt stimmt in den Chor ein und titelt: "Fed-Chef Powell stellt Märkte auf deutliche Wende ein."

Zu dieser Einschätzung kann man eigentlich aber nur kommen, wenn man wie das Handelsblatt nur einen Teil einer Aussage von Powell zitiert. Demnach sei Powell der Ansicht, "dass wir im März die Zinsen anheben könnten". Dabei fällt der Konjunktiv schon in diesem Zitat auf. Schaut man aber darauf, was der Notenbank-Chef noch gesagt hat, dann fällt die Konjunktiv-Häufung genauso auf, wie die Tatsache, dass er seine Aussagen bewusst vage hält und sich etliche Hintertürchen einbaut.

"Ich würde sagen, der Ausschuss ist der Meinung, den Leitzins im März anzuheben, vorausgesetzt, die ökonomischen Bedingungen geben das her."

Er definiert nicht, was konkret unter den "ökonomischen Bedingungen" zu verstehen ist, unter denen dies umgesetzt werden soll. Einige Aussagen von Powell widersprechen der weiter ausgeführten FED-Politik sogar diametral: "Wir haben ausreichend Spielraum, um die Zinsen anzuheben, ohne dem Arbeitsmarkt zu schaden", sagte er unter anderem. Trotz allem wurden die Leitzinsen nun aber nicht einmal symbolisch angehoben.

Der Arbeitsmarkt und das Wachstum

Es stimmt: Die FED hat auch als Aufgabe, den Arbeitsmarkt im Blick zu halten. Doch den kann sie wahrlich nicht für die Kontinuität ihrer Nullzinspolitik anführen. Denn eine schlechte oder sich verschlechternde Lage gibt es dort nicht. Schon im November lag die Arbeitslosenquote offiziell bei 4,2 Prozent. Sie ist im Dezember weiter auf 3,9 Prozent gefallen.

So tief war sie in den vergangenen 50 Jahren nicht mehr. Zudem gibt es einen Überhang an offenen Stellen. Was also könnte die Begründung angesichts einer Rekordinflation sein, um nicht endlich dagegen vorzugehen?

Zwar ist Konjunkturpolitik offiziell kein FED-Ziel, doch man schielt in der Notenbank stets auch auf die Wachstumsraten. Doch auch die können wahrlich nicht dagegen angeführt werden, endlich eine Zinsnormalisierung einzuleiten und der schädlichen Inflation zu begegnen, die die Sparer enteignet, aber die Staatsschulden anteilig verringert. Im vierten Quartal wuchs die Wirtschaft hochgerechnet auf das Jahr sogar schon um 6,9 Prozent.

So hoch lag das Wachstum zuletzt im vierten Quartal 1972, also ebenfalls vor 50 Jahren. Über das gesamte Jahr legte das Bruttoinlandsprodukt immerhin noch um 5,7 Prozent zu, also so stark wie seit 38 Jahren nicht mehr, wie am Donnerstag gemeldet wurde.

Auch diese Zahlen kannte die FED, die sich trotz allem zu keiner Zinswende durchringen konnte. Wie Powell richtig festgestellt hat, leiden die einfachen Menschen besonders stark unter der hohen Inflation. Denen hilft es nur wenig, wenn auch die Löhne in den USA im Jahresvergleich mit einem Plus von 4,7 Prozent sogar deutlich zugelegt haben.

Damit brüstet sich sogar Präsident Biden: "Dies ist die wirtschaftliche Erholung, die ich versprochen und erhofft habe", sagte er kürzlich im Weißen Haus. Doch stellen dazu Kritiker richtig fest, dass trotz relativ hoher Lohnzuwächse für die durchschnittlichen Haushalte "unter dem Strich ein Verlust bleibt".

Wir sehen angesichts derartiger Lohnsteigerungen tatsächlich nun auch schon die sogenannten "Zweitrundeneffekte". Das bedeutet, dass auf die hohe Inflation wiederum als Reaktion hohe Lohnsteigerungen folgen, die wiederum die Inflation weiter antreiben.

So kann man zum Ergebnis kommen, wie die NZZ, dass bei Inflation längst "der Geist längst aus der Flasche entwichen ist". In Zürich wird von der "Todsünde" gesprochen, wonach sich die FED "nicht an das 'heilige Versprechen' gehalten hat, die Inflationsrate auf keinen Fall außer Kontrolle geraten zu lassen".

Die Zeitung zitiert auch den Kritiker Bill Dudley. Der ehemalige Präsident der Federal Reserve Bank of New York und frühere stellvertretende Vorsitzende des Offenmarktausschusses meint nämlich, dass die Notenbanker in seiner Heimat in einer "ökonomischen Märchenwelt" leben, die nicht mehr mit der Wirklichkeit kompatibel ist.

In der US-Notenbank, darin unterscheidet sie sich nun real nicht von der Europäischen Zentralbank (EZB), die ebenfalls trotz einer Rekordinflation von zuletzt fünf Prozent nicht an eine reale Veränderung der Geldpolitik denkt, hält man ganz offensichtlich an der fehlerhaften Analyse fest, dass die Inflationsraten alsbald wieder langsam sinken werden, auch weil die Probleme mit den Lieferketten langsam nachlassen.