Inflation auch im Euroraum auf Rekordkurs
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Inzwischen ist die offizielle Teuerungsrate auf den Rekordwert von 5,0 Prozent gestiegen, dem höchsten Wert seit der Euro-Einführung, in Deutschland bereits auf 5,7 Prozent
Die Inflation steigt und steigt. Sie ist im Euroraum mit fünf Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat nun auf den höchsten Wert seit der Einführung der Gemeinschaftswährung gestiegen, schätzt das europäische Statistikamt Eurostat in Luxemburg.
Aus deren ersten Schnellschätzung dieses Jahres, vom 7. Januar, geht hervor, dass die "Hauptkomponenten" als Inflationstreiber die Energiepreise sind, die um 26 Prozent angestiegen seien. Deutlich darunter liegen die Steigerungen der durchschnittlichen Preise für "Lebensmittel, Alkohol und Tabak" (3,2 Prozent) im Euroraum. Angewendet wird von Eurostat der "Harmonisierte Verbraucherpreisindex" (HVPI). Er wurde entwickelt, um Preisveränderungen international vergleichen und zu einer Gesamtinflationsrate für Europa und der europäischen Währungsunion zusammenfassen zu können.
Die höchsten Inflationsraten werden in den baltischen Ländern verzeichnet. In Estland war die Jahresrate mit 12,0 Prozent besonders hoch, gefolgt von Litauen (10,7 Prozent) und Lettland (7,7 Prozent). Doch auch das viertgrößte Euroland Spanien steht dem mit 6,7 Prozent kaum noch nach, das gilt genauso für Belgien (6,5 Prozent) oder die Niederlande (6,4 Prozent). Am unteren Ende der Skala finden sich Malta mit 2,6 Prozent oder Portugal mit 2,8 Prozent.
Es fällt auf, dass die Inflationsrate am äußeren westlichen Rand Europas weiterhin niedrig ist – nicht einmal halb so hoch wie beim großen spanischen Nachbar. Das hat auch mit den explodierenden Strompreisen angesichts eines absurden Tarifsystems in Spanien zu tun. Die belasten nicht nur die Verbraucher stark, sondern würgen auch die Wirtschaft ab.
Deutschland über dem Durchschnitt
Deutschland liegt bei der Inflationsentwicklung ebenfalls über dem Durchschnitt. Die Europäische Statistikbehörde schätzt die Teuerungsrate nach dem HVPI auf 5,7 Prozent, wohingegen das Statistische Bundesamt (Destatis) gerade eine offiziell geschätzte Inflationsrate von 5,3 Prozent gemeldet hat – allerdings nach dem weniger vergleichbaren "Verbraucherpreisindex" (VPI).
Daraus ergibt sich eine interessante Betrachtung. Denn im November lag der VPI in Deutschland bei 5,2 Prozent. Demnach ist er also um 0,1 Punkte weiter gestiegen. Der international vergleichbarere HVPI lag vor einem Monat schon bei sechs Prozent und ist damit um 0,3 Punkte gefallen.
Destatis schätzte in einer Pressemitteilung vom 6. Januar, dass die Teuerungsrate im Jahresdurchschnitt 2021 voraussichtlich bei 3,1 Prozent liegen werde. Gegenüber den 0,5 Prozent aus dem vorhergehenden Jahr bedeuten auch diese offiziellen 3,1 Prozent einen markanten Anstieg. Es handelt sich um den höchsten Wert seit 1993, als die Teuerung im Jahresdurchschnitt 4,5 Prozent erreicht hatte.
Als Begründung für "die hohen Inflationsraten seit Juli 2021" werden "eine Reihe von Gründen, darunter Basiseffekte durch niedrige Preise im Jahr 2020" angeführt. Erneut wird hierfür die "temporäre Senkung der Mehrwertsteuersätze" bemüht. Das wird ein Jahr nach der Wiederanhebung angesichts einer steigenden Inflation immer abstruser.
"Neben den temporären Basiseffekten aus der Vergangenheit wirken zunehmend krisenbedingte Effekte, wie Lieferengpässe und die deutlichen Preisanstiege auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen, die sich ebenfalls im Verbraucherpreisindex niederschlagen", erklärt Destatis weiter.
Die Inflation schlägt in Deutschland aber an anderen Stellen als im Euroraum zu. Energie habe sich hier "nur" um 18,3 Prozent verteuert, Waren (7,8 Prozent), Nahrungsmittel (6 Prozent) und Dienstleistungen (3,1 Prozent). Klar ist, dass die Inflation sich auf die unteren Einkommensschichten besonders dramatisch auswirkt, die einen besonders großen Anteil für Energie und Nahrungsmittel ausgeben müssen.
"Katastrophe"
Für Hartz-IV-Bezieher oder Menschen in Altersgrundsicherung seien solche Inflationsraten längst eine Katastrophe, erklärt zum Beispiel der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Ulrich Schneider. Die ausgezahlten Hilfsgelder reichten ohnehin nur für ein Leben "unter dem Existenzminimum".
Deshalb müssten schon zwei Millionen Menschen regelmäßig zur Tafel gehen, um sich dort mit Lebensmitteln zu versorgen. Die Coronavirus-Pandemie habe gerade für diese Menschen die Situation verschärft, da Tafeln, Sozialkaufhäuser, aber auch Schulessen zeitweise weggefallen seien. Dazu komme nun noch die hohe Inflation, weshalb Menschen "an den Rand der Verzweiflung getrieben worden", führte Schneider weiter aus.
Enorm steigende Strompreise, die in Spanien zum Beispiel schon an die Verbraucher durchgereicht wurden, sind in Deutschland erst angesichts eines anderen Tarifsystems zu erwarten. "Die Energieversorger haben enorme Preissteigerungen angekündigt für das kommende Jahr", sagte Schneider.
Aber schon 230.000 Menschen sei im vergangenen Jahr der Strom abgedreht worden, was er "fast schon barbarisch" nennt. Auch für Geringverdiener seien steigende Heizkosten, die bei Beziehern von Hartz-IV oder Grundsicherung separat übernommen werden, längst ein massives Problem.
Es ist klar, dass die Umverteilung von unten nach oben weiter Fahrt aufnimmt, auch wenn bisweilen sogar ohne Bezug zur Realität das Gegenteil behauptet wird. Mit dieser Einschätzung hatte das Münchner Ifo-Institut aufgewartet, was hier schon debattiert wurde (Inflation auf Rekordkurs). Inzwischen ist diese Debatte, die das Münchner Institut in die Welt gesetzt hatte, allerdings weitgehend wieder verstummt.
Klar ist längst auch, dass die hohe Inflation nicht nur Hartz-IV-Bezieher oder Menschen in Altersgrundsicherung besonders stark trifft. Denn jetzt werden auch Menschen, die sogar noch über Sparvermögen verfügen, schleichend über die Inflation enteignet. Denn sie bekommen praktisch keine Zinsen auf Spareinlagen mehr, müssen zum Teil schon Negativzinsen bezahlen, werden aber von den Banken und Sparkassen auch mit immer neuen Gebühren verstärkt zur Kasse gebeten.
Lebensmittel
Weltweit haben sich Lebensmittel schon viel deutlicher verteuert als im Euroraum oder in Deutschland. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hat gerade einen Bericht über die weltweiten Preisentwicklungen der Lebensmittel veröffentlicht. Demnach sind sie im vergangenen Jahr um 28 Prozent gestiegen.
Der Preisindex, der die global am meisten gehandelten Nahrungsmittel abbildet, erreichte mit im Schnitt 125,7 Punkten den höchsten Stand seit 2011. Gründe dafür seien Ernteeinbußen, teure Düngemittel und eine insgesamt hohe Nachfrage.
Die große Frage ist, ob die Inflation nun langsam den Spitzenwert erreicht hat und langsam wieder sinkt oder ob es weiter nach oben geht. Bekannt ist, dass sich gestiegene Energiepreise erst allmählich in Preissteigerungen niederschlagen. Dass in den USA die Inflationsrate im November schon auf 6,8 Prozent gestiegen ist, das war schon der höchste Wert seit Juni 1982, weist darauf hin, dass es weiter nach oben geht. Im Vormonat waren es noch 6,2 Prozent.
Hauspreise
Allerdings sei auch erwähnt, dass die US-Rate etwas ehrlicher ist, da in den USA auch die Hauspreise teilweise in die Inflationsrate einfließen, was im Euroraum nicht geschieht. Zum Beispiel sind die Immobilienpreise in Deutschland signifikant gestiegen, was in die offizielle Inflationsrate nicht einfließt. In den USA bildet die offizielle Inflationsrate deshalb auch teilweise die "Vermögenspreisinflation" ab, die seit langer Zeit zu beobachten ist, aber im Euroraum weiter unter den Tisch fällt.
Seit etwa einem Jahr wird auch in der Europäischen Zentralbank (EZB) darüber nachgedacht, Preise für selbstgenutzte Wohnimmobilien mit in die Inflationsrate aufnehmen, um gestiegene Hauspreise wenigstens etwas abzubilden. Geändert hat sich bisher aber nicht, da damit die Inflationsrate noch deutlicher über dem Inflationsziel der EZB von zwei Prozent liegen würde.
Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland steigen derweil ebenfalls in Rekordgeschwindigkeit, da angesichts der hohen und steigenden Inflation immer mehr Investoren in Sachwerte flüchten. Im dritten Quartal verteuerten sich Wohnungen und Häuser im Schnitt sogar um 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, wie Destatis erst kürzlich mitteilte.
Einen solchen Anstieg der Preise für Wohnimmobilien (Häuserpreisindex) habe es seit "Beginn der Zeitreihe im Jahr 2000" nicht gegeben, so Destatis. Die Preise waren "bereits im 2. Quartal 2021 um 10,8 Prozent gegenüber dem 2. Quartal 2020 gestiegen". Gegenüber dem zweiten Quartal haben sich die Preise für Wohnungen sowie Ein- und Zweifamilienhäuser sogar gegenüber dem Vorquartal im Schnitt um 4,2 Prozent verteuert.
Ein besonders starker Preisanstieg ließ sich sowohl in den TOP 7 Metropolen (Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf) als auch in dünn besiedelten ländlichen Kreisen beobachten. So stiegen die Preise für Ein- und Zweifamilienhäuser und Eigentumswohnungen in den Metropolen jeweils um 14,5 % gegenüber dem Vorjahresquartal.
Destatis
Ein noch markanterer Preisanstieg habe sich mit plus 15,5 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal bei Ein- und Zweifamilienhäusern in dünn besiedelten ländlichen Kreisen gezeigt. Eigentumswohnungen hätten sich dort "nur" um 11,2 Prozent verteuert.
Auch in dichter besiedelten ländlichen Kreisen stiegen die Preise für Häuser und Wohnungen deutlich an: Ein- und Zweifamilienhäuser kosteten im Schnitt 12,0 Prozent mehr als im Vorjahresquartal, Eigentumswohnungen 12,3 Prozent.
Destatis
Eigentlich ist klar, dass der Druck auf die EZB unter "Madame Inflation", wie die EZB-Chefin Christine Lagarde genannt wird, endlich aus der ultralockeren Geldpolitik auszusteigen, angesichts der Rekord-Inflationswerte zunehmen müsste. Wie von Telepolis kürzlich aufgezeigt, nehmen die Inflationsentwicklung immer mehr Notenbanken ernst, nur die Lagarde-EZB nicht.