Skandal-Flüchtlingsgipfel: Sind Araber weniger wert als Ukrainer?
Seite 2: Wenn der Mainstream die Politik der Rechtsextremen macht
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Es gibt auch keinen Grund, "Überlastung" zu schreien, wenn das Angebot dem Bedarf angepasst wird (was den Kommunen aber verwehrt wird – ein Schuft, der Böses dabei denkt), selbst wenn nach Jahren sinkender Zuzüge die Zahlen wieder ein wenig nach oben gehen.
Die Zahl der neu nach Deutschland eingereisten Asylsuchenden im Jahr 2022 lag bei rund 193.000, also noch unter der seitens der konservativen Parteien immer wieder geforderten Begrenzung auf 200.000. Für 2023 ist allerdings eine höhere Zahl zu erwarten, aber auch dann immer noch ein Rinnsal, angesichts von 100 Millionen Schutzsuchenden weltweit.
Obwohl die Asylsuchenden nur einen kleinen Teil der Aufgenommenen darstellen, stehen sie im Mittelpunkt der Mediendebatte, die wieder auf Abschottung, Abschiebungen und Abwehr fokussiert, wie schon bei der letzten "Flüchtlingskrise" – die de facto eine Abschottungskrise gewesen ist, die mit noch mehr Abschottung beantwortet wurde.
Der CDU-Vorsitzende und Unions-Fraktionschef Friedrich Merz spricht erneut von einer "Grenze der Belastbarkeit", die erreicht sei – als ob das eine feststehende, in Stein gemeißelte, von Politik unbeeinflussbare Größe sei.
Die AfD und der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen Joachim Stamp (FDP) fordern Asylzentren nicht nur an den Grenzen, sondern in afrikanischen Ländern selbst.
Eine reine Schnapsidee, ein populistisches Ablenkungsmanöver ohne Bodenhaftung, das den Menschen Sand über die Realität, auch die des internationalen Rechts, in die Augen streut. Afrikanischen Staaten haben sie längst als "neokolonial" zurückgewiesen.
Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europäischen Parlament, der deutsche Politiker Manfred Weber (CSU), spricht davon, dass die EU "schlafwandelnd in eine neue Migrationskrise" mit Hunderttausenden von "illegalen Migranten" hineinschlittert, und betont: "Mauern sollten nur als letzter Ausweg gebaut werden, aber wenn es keine andere Möglichkeit gibt, die illegale Einwanderung zu stoppen, müssen wir bereit sein, Zäune zu bauen" – als ob die relativ kleine Zahl von "illegalen Migranten" ohne jegliche Rechte, die dazu verdammt sind, im Untergrund zu leben, ein Problem für die EU wäre.
Weber und alle anderen wissen sehr genau: Abschottung ist nicht gegen "illegale Migranten" gerichtet, sondern gegen Flüchtlinge, die des Schutzes bedürfen. Sie sind das "Problem", weil sie Bleibe- und Schutzrechte genießen und die auch einklagen können. Und die meisten der "illegal" Eingereisten sind genuine Flüchtlinge. Die bereinigte Schutzquote von Asylbewerber:innen in Deutschland (also bereinigt um Rücküberweisungen an andere EU-Länder) liegt bei 72 Prozent.
Bei den Grünen regt sich nun Widerstand an der Parteibasis ob der europäischen Flüchtlingsbekämpfungs-Offensive, die die deutsche Regierung mitträgt. In einem offenen Brief, den hunderte Mitglieder unterzeichnet haben, wird ein Kurswechsel hin zu einer menschenwürdigen Flüchtlingspolitik gefordert.
Timon Dzienus, Sprecher der Grünen Jugend, gehört zu den Unterzeichnern des offenen Briefes. Da die Bundesregierung die Verschärfungen unterstütze, sieht er sie "in den Chor der europäischen Rechtspopulisten" einstimmen.
In einem weiteren offenen Brief haben bereits eine Reihe von Prominenten die Asyl-Politik der Ampelregierung scharf kritisiert. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem der Musiker Herbert Grönemeyer, der Moderator Klaas Heufer-Umlauf, die Schriftstellerin Sibylle Berg sowie die Schauspielerin Katja Riemann und die Band Kraftklub.
Sie opponieren gegen Einsperrungen von Menschen und Schnellverfahren an den Grenzen. "Statt pragmatisch und unbeirrt an wirksamen Lösungen festzuhalten, droht der migrationspolitische Aufbruch in einer populistischen Debatte zu ersticken", heißt es in dem Brief.
Die Organisation ProAsyl fordert zum Protest gegen die "Asylverfahren an den Außengrenzen" auf. Mit einem rechtsstaatlichen Vorgang habe das nichts mehr zu tun.
Ein Horrorszenario droht – und das mit Unterstützung der Bundesregierung: Flüchtlinge erreichen einen Staat an der EU-Außengrenze. Sie bitten um Asyl. Sofort werden sie inhaftiert. Alles, was sie ab diesem Moment von Europa noch zu sehen bekommen, sind Mauern, Stacheldraht und Sicherheitspersonal.
Eine Frage, die wir den politisch Verantwortlichen stellen sollten, ist: Warum wird das mit dunkelhäutigen, oft muslimischen Menschen aus dem Süden gemacht, nicht jedoch mit weißen, meist christlichen aus dem Osten? Was ist der Grund für die extreme Diskrepanz?
Wir sollten ihnen dabei nicht gestatten, sich mit dünnlippigen Erklärungen aus der Frage herauszuwinden. Solange die Frage nicht ehrlich beantwortet werden kann, ist die Chance, dass Humanität in die europäische Flüchtlingspolitik einzieht, die für alle Menschen gilt, egal, woher sie zu uns fliehen, eher gering.
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