Söder und Laschet: Popcorn-Momente vor dem Showdown
Die Entscheidung, wer Kanzlerkandidat der Union wird, soll in den nächsten Tagen fallen. Am Dienstag lieferten sich die Bewerber vor der Bundestagsfraktion einen Schlagabtausch. Der aktuellen Kanzlerin scheint das alles zu kindisch zu sein
Wer manchmal quälende Ohnmachtsgefühle gegenüber der politischen Klasse hat, kann sich nur wünschen, mit einer Tüte Popcorn dabei gewesen zu sein, als die beiden Möchtegern-Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU) und Markus Söder (CSU) am Dienstagnachmittag um die Gunst der Unionsfraktion im Bundestag wetteiferten. Nach allem, was anschließend nach außen drang, muss dies eine erfrischend unwürdige Veranstaltung gewesen sein.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet ließ sich offenbar durch die Arroganz des laut Umfragen beliebteren bayerischen Amtskollegen provozieren und machte Söder ganz offen madig. Söder gab sich dagegen gelassen und sprach hinterher über die Angelegenheit, als sei er gar nicht beteiligt, sondern ein erwachsener Dritter, der einem bockigen, frühvergreisten Kind schonend beibringen muss, dass ein anderes Kind einfach begabter, hübscher und klüger ist - und deshalb ganz sicher die Hauptrolle im Schultheaterstück bekommt.
Tragisch nur, dass dieses Theaterstück "Demokratie" heißt und einer dieser selbstgerechten Karrieristen tatsächlich Kanzler oder Vizekanzler werden könnte. "Wir brauchen keine One-Man-Show", sagte Laschet in der Fraktionssitzung nach Informationen der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters, die am Abend mehrere Medien zitierten. (Subtext: "Ihr wollt doch nicht wirklich mit diesem eitlen Selbstdarsteller hausieren gehen.") Zudem warnte Laschet davor, dass die Medien alle widersprüchlichen Aussagen von Söder aus den vergangenen Jahren heraussuchen würden.
Dann wurde Laschet offenbar doch noch inhaltlich und attackierte Söder wegen dessen Vorschlag einer "Klima-Allianz" mit Baden-Württembergs grünem Landesvater Winfried Kretschmann. "Am Ende wählen die Leute dann die Grünen", wurde Laschet im Anschluss zitiert. "Wir müssen unsere Themen setzen."
Eine Runde Mitleid aus den eigenen Reihen
Hinter sich versammeln konnte der "Kohle-König von NRW" die CDU-Abgeordneten offenbar nicht. Der Berliner CDU-Politiker Frank Steffel soll offen Mitleid mit ihm gezeigt haben: "Die Umfragen für Armin Laschet sind außerordentlich ungerecht", sagte er laut Online-Redaktion des Münchner Merkur. "Die Stimmung ist trotzdem auch in der CDU einseitig für Markus Söder. Ich bin sicher, dass wir mit Söder ein besseres Ergebnis erzielen." Der selbstbewusste Bayer soll durch den Zuspruch aus den Reihen der großen Unionsschwesterpartei "gerührt" gewesen sein, während Laschet um Fassung gerungen habe.
Dass ausgerechnet der fachfremde Gesundheitsminister Jens Spahn zu Laschets Unterstützern innerhalb der CDU gehört, wird wohl nicht zwangsläufig dessen Beliebtheit bei den Wahlberechtigten steigern. Söder wiederum hat das Pech, dass sich Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) besonders für ihn engagiert. Spahn, der wie Laschet aus NRW stammt, erklärte zum Thema Beliebtheit, er habe selbst erlebt, wie sich Umfragewerte veränderten. "Es geht um die Geschlossenheit der Union. Wir brauchen einen Kanzlerkandidaten, der zusammenführen kann. Armin Laschet hat gezeigt, dass er es kann", sagte der gelernte Bankkaufmann laut Agenturberichten.
"Wir sind Kampagnenpartei", hielt der "Scheuer-Andi" dagegen. Nach Teilnehmerangaben soll es insgesamt mehr Wortmeldungen für Söder als für Laschet gegeben haben. Der bayerische Ministerpräsident habe auch etwa doppelt so lange geredet wie sein Amtskollege, hieß es. In allen Wortbeiträgen der Abgeordneten habe es die klare Botschaft gegeben: "Einigt Euch schnell." Die Rivalen betonten anschließend, dass die Entscheidung noch in dieser Woche fallen solle.
"Man muss das Ergebnis jetzt auch sacken lassen, für jeden einzelnen. Armin und ich haben vereinbart, dass wir uns in dieser Woche auch abschließend dann besprechen werden, wie es weitergehen wird", sagte Söder. (Subtext: "Nimm es nicht persönlich, kleiner Armin, ich bin halt so beliebt, dagegen kommst Du einfach nicht an, aber das heißt ja noch lange nicht, dass Du dumm und hässlich bist. Du bist eben Durchschnitt. Komm schon, sei ein guter Verlierer!")
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in ihrer gut 15jährigen Regierungszeit unzählige Male als "Mutti" bezeichnet wurde, tat in diesem Fall, was eine Erziehungsberechtigte tun muss, wenn sich zwei pubertierende Knaben einen Hahnenkampf liefern: Ruhig bleiben und auf keinen Fall Partei ergreifen. Bei einem anderen Termin machte die CDU-Politikerin am Dienstag deutlich, dass sie mit der Corona-"Notbremse" genug zu tun hat und sich nicht in den Machtkampf um ihre Nachfolge einmischen will.
Wer am Ende Kanzler einer "schwarz-grünen" oder "grün-schwarzen" Koalition wird, in der sich die Partner nach Erfahrungswerten auf Landesebene bald so ähnlich werden wie ein altes Ehepaar, kann ihr ja auch wirklich egal sein.
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