Sondierungsverhandlungen: Grüne für "Steuerung der Migration"
Ein Kompromissvorschlag mit einem "atmenden Richtwert" soll den Weg zu einer Einigung beim Thema Flüchtlinge öffnen
Vier Wochen dauern die Sondierungsgespräche schon, am heutigen Sonntagabend sollen sie beendet werden (siehe Merkels letzte Chance?). Wenn das Thema "Migration" gelöst werde, so wird aus Teilnehmerkreisen berichtet, dann kommen man auch bei den anderen "Knackepunkten" (Merkel) Klimaschutz und Energie zusammen.
Gewisse Verhandlungsangebote dringen nach außen. Der ARD-Korrespondent Michael Stempfle hält das für keine gute Idee, dass damit auch "draußen verhandelt" werde, das würde die Verhandlungen drinnen nicht einfacher machen. Da es so zu einem nach außen getragenen Streit darüber käme, wer mehr entgegenkomme. Das sei den Verhandlungen abträglich, ließ er verstehen.
Ein Angebot, das heute nach außen drang, kommt von den Grünen und wird als Entgegenkommen an die Union, besonders an die CSU gewertet. Stempfle berichtete am Vormittag selbst davon, dass die Grünen der früher so genannten "Obergrenze" der CSU mit 200.000 Flüchtlingen im Jahr entgegenkommen würden.
Ihre Unterhändler würden einen "atmenden Richtwert" akzeptieren - allerdings müsse noch immer das Grundgesetz gelten und das Recht auf Asyl. Gekoppelt sei das mit der Forderung, dass ab März 2018 der ausgesetzte Familiennachzug für Flüchtlinge mit subsidiären Schutz wieder ermöglicht wird, so der ARD-Korrespondent.
Nach seinen Informationen habe die FDP ihrerseits eine Kompromissposition dazu signalisiert: Der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatuts solle noch einmal für zwei Jahre ausgesetzt werden, bis das Einwanderungsgesetz da sei. Dann könne man regeln, wer unter welchen Umständen seine Familie nachziehen lassen kann. Kriterien dafür wären ein Arbeitsplatz, die finanzielle Absicherung, wie die Flüchtlinge integriert sind, die ihre Familie nachkommen lassen.
Die Taz weiß Genaueres über das Angebot der Grünen, dessen Formulierungen der Zeitung nach eigenen Angaben vorliegen. Zitiert wird aus dem Text:
Seit der Wiedervereinigung hat die Zahl der Flüchtlinge insgesamt nur in 5 Jahren 200.000 überschritten. Deswegen wollen wir in diesem Rahmen auch in Zukunft handeln, gerade mit Blick auf die Integrationsmöglichkeit in den Kommunen.
"Sondierungs"-Angebot der Grünen, Taz
Die grünennahe Zeitung folgert daraus, dass man dies "als Bekenntnis zu einer Steuerung" lesen könne, "die es dem Staat ermöglicht, besser mit Geflüchteten umzugehen". Dass man den Begriff "Rahmen" gewählt habe, zeige Flexibilität an. Die ist eingebunden in zwei Markierungen.
Eine "Obergrenze" im wörtlichen Sinn gibt es nicht, weil das Asylrecht diese nicht kennt, wird von Parteichefin Peters betont. Und als zweites: Der Familiennachzug muss kommen. Zusammengefasst wird das Angebot der Grünen von der Taz so:
Die Grünen retten den Familiennachzug, gehen aber einen Schritt auf die CSU zu. Wichtig ist: Aus den Formulierungen der Grünen geht nicht hervor, ob der Familiennachzug in einen Rahmen von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr eingerechnet würde. Diese Frage ist aber entscheidend, weil er die größte Gruppe ausmachte.
Taz
Über die genaue Größe des Familiennachzugs gibt es allerdings unterschiedliche Auffassungen und Berechnungsgrundlagen - kein klares Bild, wie auch die Zeitung einräumt.
Dass das Angebot der Grünen nach außen getragen wurde, hängt damit zusammen, dass die Verhandler der Grünen der Basis vermitteln wollen, wie sie dieses Entgegenkommen begründen. Wie ein Statement der Grünen Jugend anzeigt, sind grundsätzliche Auseinandersetzungen mit der Basis beim kommenden Parteitag zu erwarten. Hier deutet sich ein Richtungsstreit an:
Ein Richtwert von 200.000 bei der Flüchtlingsaufnahme wäre ein extremer asylpolitischer Rechtsruck. Das dürfen Grüne nicht akzeptieren. Eine Obergrenze light mit grüner Beteiligung geht gar nicht!
Grüne Jugend