Sozialprogramme zur Armutsbekämpfung?

Völlig überraschend kündigte der venezolanische Präsident Ende vergangener Woche die Kürzung des Militäretats um 40% an

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Das eingesparte Geld soll laut Planungsminister Felipe Pérez in Sozialprogramme zur Armutsbekämpfung fließen. Eine Maßnahme über die sich einige Militärs nicht sehr erfreut zeigten, wobei jedoch größerer Dissens nicht festzustellen ist.

Die Maßnahme kam überraschend, vor allem für die oppositionellen Kräfte die Chavez seit seinem Amtsantritt vorwerfen, er würde das Land militarisieren und die Streitkräfte politisieren. Genau das tut jedoch die Opposition, die zuletzt auch Militärs aufforderte, in ihren Uniformen an den von ihr einberufenen Protesten teilzunehmen, was gesetzlich ausdrücklich verboten ist.

Im spanischsprachigen CNN, das beide amerikanische Kontinente beschallt, läuft seit Monaten eine Hetzkampagne gegen Chávez. Kaum eine Stunde vergeht, ohne dass nicht auf die vermeintliche Misswirtschaft und Krise in Venezuela hingewiesen wird und verschiedenste Mitglieder der Opposition Gelegenheit erhalten, ihre Propaganda zu verbreiten. Es wird der Eindruck vermittelt die Lage Venezuelas sei sogar dramatischer und hoffnungsloser als die Argentiniens.

Dabei ist das Prestige Chavez' in Venezuela seit dem vereitelten Putsch deutlich gewachsen, während die Opposition stark an Glaubwürdigkeit verloren hat. Gemäß der letzten Umfragen des privaten Meinungsforschungsinstituts "Consultores 21" beurteilen 53% der Venezolaner die Veränderungen unter der Regierung Chavez als positiv und würden bei einem Referendum für seinen weiteren Machtverbleib stimmen. 59% erklärten sich sogar mit der Fortsetzung des begonnenen politischen Prozesses einverstanden. Eine andere Umfrage sieht die Unterstützung für Chavez sogar bei über 60%.

In seinem wöchentlichen Radioprogramm "Aló Presidente" forderte Chávez die Opposition heraus für Mitte nächsten Jahres - entsprechend der venezolanischen Verfassung zur Hälfte seiner Amtszeit - ein Referendum über seinen Verbleib im Amt in die Wege zu leiten. Währenddessen befindet sich Putschist Pedro Carmona, der sich im April selbst zum Präsidenten ernannt hatte, auf einer Reise durch die USA. Angeblich aus rein privaten Gründen. Erst kürzlich hatte er Asyl in Kolumbien erhalten, nachdem er sich aus dem Hausarrest in die Residenz des kolumbianischen Botschafters geschlichen hatte. Am privaten Charakter seiner US-Reise bestehen allerdings erhebliche Zweifel, schließlich arbeiten er, rechte Kreise in Venezuela und die US-Regierung weiterhin an Chavez' Sturz. So hatte Carmona auch keinerlei Schwierigkeiten ein US-Visum zu erhalten, was Präsident Chavez wiederum wegen seiner Verwicklung in einen Putschversuch gegen das korrupte Regime von Präsident Carlos Andres Perez im Februar 1992 nach wie vor verweigert wird. Andere Putschisten, wie etwa der Luftwaffenoberst Pedro Soto, haben sich nach El Salvador abgesetzt.

In den vergangenen Wochen wurden jedoch auch Vermutungen laut, Chavez' Rückkehr an die Macht sei mit den USA und Spanien - die sich als große Unterstützer der Putschisten hervorgetan hatten - ausgehandelt worden. Chavez habe eine US- und Kapitalfreundlichere Politik zusagen müssen. Bestärkt wurde die Vermutung durch die Tatsache, dass die Erdöllieferungen an Kuba zu Sonderkonditionen seit dem Putsch eingestellt und nicht wieder aufgenommen wurden und dass ein baskischer Flüchtling aus Venezuela an Spanien ausgeliefert wurde. Bisher galt Venezuela, das eine große baskische Gemeinde zählt, als sicheres Asylland für Basken. Bezüglich der Einstellung der Erdöllieferungen werfen sich die kubanische und die venezolanische Erdölgesellschaft gegenseitig vor, die Verträge nicht eingehalten zu haben. Dabei boykottiert die in Opposition zu Chavez stehende Leitung der venezolanischen Erdölgesellschaft aktiv die Lieferungen an Kuba. Dennoch wird hier eine baldige Wiederaufnahme der Lieferungen erwartet.