Spanien wird verspätet zum Hochinzidenzgebiet
Deutschland wird für die mindestens zwei Wochen zu spät kommenden Reisewarnungen vermutlich mit Folgen zu rechnen haben
In Berlin hatten in diesem Sommer bisher verantwortliche Politiker den Kopf in den Brandenburger Sand gesteckt. Obwohl die Covid-Inzidenzwerte in Spanien schon vor zwei Wochen den Wert erreicht hatten, in dem das Land nach der eigenen Definition der Bundesregierung längst als Hochinzidenzgebiet hätte eingestuft werden müssen, geschah das nicht.
Das Robert Koch-Institut (RKI) und das Auswärtige Amt (AA) hatten das bisher gegen jede Vernunft nicht getan. Die krasse Fehleinschätzung musste in Berlin am Freitag korrigiert werden, Spanien vor zwei Wochen weitgehend ohne Konsequenzen nur zum Risikogebiet erklärt zu haben, obwohl das Land die Sieben-Tage-Inzidenzschwelle von 200 schon erreicht hatte. Das Robert Koch-Institut führt Spanien und die Niederlanden jetzt als Hochinzidenzgebiet.
Dahinter stand offenbar eine politische Entscheidung, auf die Telepolis nach einem Besuch von Bundesaußenminister Heiko Maas in Madrid hingewiesen hatte (Spanien ist Extrem-Risikogebiet und hat Portugal überflügelt).
Maas hatte die Lage in Spanien als "nicht besorgniserregend" bezeichnet, obwohl die Entwicklung schon fatal war und das Land sich selbst längst als "Extrem-Risikogebiet" eingestuft hatte. Eine Wiedereinführung der Quarantänepflicht für rückkehrende Spanien-Urlauber stehe nicht bevor, hatte Maas dem Land versprochen, um dem Land den Tourismussommer nicht weiter zu vermiesen.
Angesichts von Inzidenzwerten, die vor allem auf Mallorca und den Balearen-Inseln nun auch nach offiziellen Angaben durch die Decke gehen, musste Maas sein Versprechen brechen.
Es werden ab Dienstag für Spanien die Quarantäneregeln gelten. So wird vielen noch die Möglichkeit zur Rückreise gegeben, um Quarantäne zu vermeiden.
Für Portugal waren die Quarantäneregeln schon seit Wochen in Kraft. Allerdings ist beim Nachbar die Lage mit einer Inzidenz von 226 deutlich besser ist als in Spanien, vor allem sieht auch die Entwicklung besser aus, da die Kurve flacher wird.
Das machte die bisherige Einstufung von Spanien so auffällig. Nur für Spanien-Rückkehrer, die über eine Vollimpfung verfügen oder genesen sind, entfällt nun weiterhin die Quarantänepflicht. Alle anderen müssen für zehn Tage in Quarantäne. Sie können sich frühestens nach fünf Tagen über einen negativen Test "frei"-testen.
Inzwischen ist die Lage in Spanien so, dass das Land bei den entdeckten Neuinfektionen auf den sechsten Platz weltweit aufgestiegen ist. Davor liegen vor allem Länder mit einer wesentlich größeren Bevölkerung wie die USA, Brasilien, Indonesien, Indien und Großbritannien. Die Inzidenzwerte steigen und steigen.
Die bei Deutschen beliebten Balearen stechen dabei besonders negativ hervor. Die Urlaubsinseln haben mit 335 am Dienstag eine höhere Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner ausgewiesen als der spanische Durchschnitt mit 328. Die Schere öffnet sich immer weiter. Am Donnerstag registrierten die Balearen schon 365, der Landesdurchschnitt liegt nun bei 333.
Neue Zahlen der lokalen Gesundheitsbehörde der Balearen zeigen am Freitag, dass die Inzidenzwerte dort weiter steil ansteigen. Sie haben mit 407 nun sogar schon die Schwelle von 400 überschritten. Mallorca weist bereits eine Inzidenz von 681 aus, Menorca 895 und die Party-Insel Ibiza sogar 1.126. Es blieb dem AA also schlicht keine andere Möglichkeit, als Spanien zum Hochinzidenzgebiet zu erklären.
Real liegt die Inzidenz auf den Balearen ohnehin seit Langem über dem spanischen Durchschnitt. Das wurde aber offiziell nicht festgestellt, da die Urlaubsregion einen erheblichen Teil seiner realen Inzidenz in andere Regionen und Länder exportiert. Diverse Regionen in Spanien können davon nach Schüler-Abschlussfahrten ein Liedchen singen. Massive Ansteckungen wurden erst nach der Rückkehr in der Heimatregion registriert. Das trieb und treibt dort zunächst die Inzidenzen und danach die Sekundärinfektionen hoch.
Das ist offensichtlich auch in Deutschland schon der Fall. Zunehmend werden laut RKI Fälle bekannt, in denen die Betroffenen dem Virus vermutlich im Ausland ausgesetzt waren. Am häufigsten wird dabei wie erwartet auf Spanien verwiesen. Immer mehr Rückkehrer dürften mit der Delta-Variante im Gepäck die Heimreise antreten oder längst angetreten haben.
Vom spanischen Festland aus geht das sogar mit dem Auto oder dem Zug ohne Tests. Dieser Weg bleibt weiterhin praktisch unkontrollierbar. Ob sich diese Rückkehrer nun freiwillig in eine Quarantäne begeben oder die Infektionen auch in Deutschland wieder explodieren, wird sich zeigen.
Und da gerne falsch verbreitet wird, dass kaum jemand an Covid erkrankt oder schwer erkrankt, nur weil die Einlieferungen in Krankenhäusern und Intensivstationen den Infektionen zwei bis vier Wochen hinterherhinken, hier ein paar neue Zahlen für Spanien.
Hatte sich Zahl der Einlieferungen in Krankenhäuser in der Vorwoche auf die Zahl von gut 5.000 fast verdoppelt, ist sie um gut weitere 50 Prozent auf rund 7.800 angestiegen. Auf Intensivstationen kämpfen im ganzen Land nun wieder 1.240 Menschen um ihr Leben. Vor einer Woche waren es noch 838. In der vergangenen Woche sind wieder 78 Menschen an Covid verstorben.