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Spargel aus Deutschland zu teuer?

Bild: Pixabay

Luxusprodukt wie Erdbeeren? Konsumenten verzichten, Probleme für Landwirte wachsen: steigende Löhne, Trockenheit und billige Importe.

In letzter Zeit standen die Schweinezüchter im Fokus, die das geforderte billige Schnitzel liefern und auf das Tierwohl aus ökonomischen Gründen weitgehend verzichten zu müssen glauben. Aber auch Landwirte, die sich schon seit Jahren auf die Produktion pflanzlicher Lebensmittel konzentriert haben, geraten in immer größere Schwierigkeiten, um von ihrer Arbeit zu leben.

In diesem Jahr kommt zu den Problemen, die sich schon in den vergangenen Jahren abzeichneten, noch hinzu, dass viele Kunden angesichts der allgemeinen Preissteigerungen und den derzeit noch nicht wirklich abschätzbaren Energiepreisen, die schon in Kürze ein Vielfaches der bisherigen Zahlen erreichen könnten, offenbar sparen, jedenfalls deutlich mehr auf den Kauf von Spargel und Erdbeeren verzichten - oder auf billigere Importware ausweichen.

Spargel sind für die Verbraucher ebenso ein Luxusprodukt [1] wie Erdbeeren? Vollernter, wie sie im Weinbau inzwischen vielfach üblich sind und die Kosten für die Weinlese drastisch senken, sind derzeit im Spargelanbau noch eher selten und im Erdbeeranbau bislang nicht denkbar. Bei den Erdbeeren geht die Tendenz zum Selbstpflücken. Da wird dann nur vor dem Verlassen des Feldes die selbst geerntete Menge gewogen und vom Pflücker bezahlt.

Bei Spargeln ist das Selbststechen durch die Kunden kein realer Ausweg. Das Spargelstechen ist kein Kinderspiel und benötigt einiges an Erfahrung, um ganze Spargel aus dem Boden zu bekommen und das Feld nicht zu verwüsten.

Wenn nun der Handel kaum noch Spargel abnimmt, weil er deutlich billiger aus dem Ausland versorgt wird, wo die Lohnkosten zwei bis dreimal niedriger sind als in Deutschland, wo osteuropäische Spargelstecher sich die körperliche Schwerarbeit auch immer seltener zumuten wollen, dann wird es schwierig für die Spargelanbauer hierzulande.

Wer Spargel anbaut, kann nicht kurzfristig auf eine andere Kultur wechseln

Wer seine Erdbeeren selbst mithilfe der Selbstpflücker nicht kostendeckend vermarktet bekommt, hat zumindest die Möglichkeit, im kommenden Jahr eine andere Frucht anzubauen. Für einen Spargelbauern ist das keine Option. Der einzige Ausweg schien bisher die Selbstvermarktung am Straßenrand, der sich aufgrund der eingeschränkten Erreichbarkeit grundsätzlich nur an Automobilisten richtet, weil man die Verkaufsstände zu Fuß eher schlecht erreichen kann.

Der Spargelanbau benötigt etwas Weitsicht, weil der Spargel keine einjährige Pflanze ist. Wer Spargel ernten möchte, braucht Geduld [2]. Spargel wird nicht jedes Jahr neu gepflanzt [3], sondern ist eine mehrjährige Staude. Frühestens im zweiten Standjahr können die ersten Triebe geerntet werden. Richtig ergiebig wird die Ernte erst im dritten Standjahr. Spargelpflanzen können im Erwerbsanbau, je nach Boden und Sorte, dann etwa zehn Jahre beerntet werden. Die geernteten Spargelstangen sind die Sprossen der Pflanze, die auch nach der Ernte im Boden verbleibt.

Erntemaschinen für die Spargelbauern

Wer über große zusammenhängende Spargelfelder verfügt, was in Deutschland nicht in allen Spargelanbaugebieten üblich ist, kann zur Kostensenkung bei der Ernte statt auf Spargelstecher aus Osteuropa auf automatisierte Erntemaschinen setzen, wie sie in den Niederlanden entwickelt [4] werden.

Dort hat beispielsweise die Firma Cerescon [5] mit dem Sparter eine Maschine für die selektive Ernte, wie sie beim Spargel üblich ist, entwickelt. Anders als im Weinbau, wo Vollernter die Lese kostengünstiger machen und die Lesezeit drastisch verkürzen oder bei Mais, Getreide, Kartoffeln, Reis oder Zuckerrüben, bei welchen man das ganze Feld abernten kann und dafür schon seit vielen Jahren über entsprechende Harvester im Einsatz hat, muss eine Erntemaschine für Spargel darauf trainiert sein, nur die vermarktungsreifen Stangen zu ernten und die anderen unbeschädigt im Boden zu lassen.

Obwohl die Zahl der Maschinenentwickler deutlich zunimmt, kommen sie auf den meist kleinteiligen Anbauflächen in Deutschland bislang eher selten zum Einsatz.

Woher kommen Obst und Gemüse in deutschen Supermärkten?

Die Konzentration im Handel auf nur noch wenige Handelsorganisationen mit hohen Warenumsätzen, hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass auch auf der Angebotsseite kleinere Landwirte das Nachsehen haben, weil sie die geforderten Mengen nicht liefern können und schon gar nicht zu den gebotenen Preisen. Ihnen bleibt nur die Selbstvermarktung auf dem Wochenmarkt oder im Bauernladen.

Auf der Handelsschiene Supermarkt und Discounter sind Anbieter mit einer durchrationalisierten, industrialisierten Landwirtschaft klar im Vorteil. So verdrängen chinesische Tomatenmarkproduzenten inzwischen die Italiener, die auch mit illegalen Zuwanderern aus Afrika ihre Kosten nicht mehr auf das erwünschte Preisniveau drücken können. Der Kunde bekommt davon kaum etwas mit, weil der Ursprung der Ware nicht ausgewiesen wird und der einzige italienische Bestandteil der Name des Produktes ist.

Dass der Ursprung der Ware im globalen Markt immer seltener zu erkennen ist, zeigt sich beispielsweise bei Schweizer Erdbeermarmelade, bei welcher die Erdbeeren außerhalb der schweizerischen Erdbeersaison aus China importiert werden dürfen und nicht entsprechend gekennzeichnet werden müssen.

Saisonale Erdbeerkonfitüre, wie sie auf Wünsche der Briten genannt wird, die Marmelade nur für Produkte aus Zitrusfrüchten kennen, wird inzwischen aktiv vermarktet, weil deren Früchte aus der Heimat kommen. Bei verarbeiteten Früchten und Gemüse ist der Ursprung meist ebenso ein Geheimnis wie bei Eiern aus Haltungsformen, die der Kunde inzwischen bei Frischeiern nicht mehr akzeptiert.

Kaum jemand schaut beim Einkauf, wo die Tomaten herkommen

Während Deutschland beim Schweinefleisch deutlich mehr produziert, als hierzulande verkauft wird, sieht es bei Obst und Gemüse gänzlich anders aus. Nur ein Drittel der entsprechenden Frischprodukte werden in Deutschland produziert, zwei Drittel werden importiert. Da es sich vielfach um verderbliche Produkte handelt, die nur eine kurze Lagerzeit vertragen, steht eine ziemlich ausgefuchste Logistik dahinter, diese Waren rechtzeitig in den Supermarkt zu bekommen. Just in time ist bei der Lebensmittellogistik kaum zu vermeiden, wenn man weiterhin auf Frische anstatt auf Konserven setzen will.

Kaum jemand schaut beim Einkauf heute noch darauf, wo seine Tomaten herkommen. Industrietomaten kamen lange Zeit aus den Niederlanden, später aus Spanien. Inzwischen steht immer häufiger Kenia oder Ghana auf der Verpackung, speziell bei kleineren Tomaten. Bei Gurken, die kostengünstig mithilfe der sogenannten Gurkenflieger geerntet werden, bei denen die Ernte-Arbeiterinnen und - Arbeiter auf dem Bauch liegend über das Feld gefahren werden, scheinen sich Anbau und Ernte in Deutschland noch zu lohnen.

Da es sich bei Gurken in der Hauptsache um "grün verpacktes Wasser" handelt, dürfte die auch in Deutschland zunehmenden Dürreperioden den Anbau verteuern. Anders als in Sibirien, wo die Selbstversorgung eher die Regel [6] als die Ausnahme ist, scheint solches im dicht besiedelten Deutschland, wo schon ein Hasenstall oder ein krähender Hahn im Wohngebiet auf massive Schwierigkeiten stößt, heute undenkbar. Selbst auf dem Dorf sind Dunglegen, wie Misthaufen und Jauchegruben heute genannt werden, nur noch in Rand- oder Außenlagen genehmigungsfähig.


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https://www.heise.de/-7156526

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/Erdbeerberge-und-Spargelflut-Ernten-fuer-die-Tonne-7132525.html
[2] https://www.ndr.de/ratgeber/garten/Spargel-pflanzen-ernten-und-pflegen,spargel830.html
[3] http://www.spargelseiten.de/spargel-faq.html
[4] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Roboter-uebernehmen-erstmals-die-Spargelernte-4027822.html
[5] https://www.cerescon.com/DE/home
[6] https://rdl.de/beitrag/kartoffeln-haben-wir-immer