Erdbeerberge und Spargelflut: Ernten für die Tonne?

Seltener Luxus, wenn Nudeln und Speiseöl immer teurer werden: Erdbeeren und Spargel. Foto: RitaE auf Pixabay (Public Domain)

Wegen Überproduktion, Preisdumping und geringer Nachfrage vernichten Bauern ihre Erdbeeren. Auch Spargelerzeuger bleiben auf ihrer Ware sitzen. Grundnahrungsmittel werden unterdessen immer teurer

Landauf, landab vernichteten Erdbeerbauern die Früchte auf ihren Feldern. Trotz guter Ernte und schmackhafter Qualität können sie ihre Ware nicht mehr verkaufen. Die Preise seien im Keller, so dass sich der Anbau der Früchte sie nicht mehr lohne, klagen sie. 400 Kilo Erdbeeren musste etwa Christof Steegmüller aus Offenbach/Landau aussortieren. Jede Erdbeere war von Hand gepflückt. Einige Felder hat der Erdbeerbauer bereits stillgelegt.

Einen Teil der Ernte vermarktet er selbst, das immerhin läuft halbwegs gut. Hier sei der Lebensmittelhandel in der Pflicht, erklärt Steegmüller. Dieser habe zu lange damit gewartet, deutsche Ware in die Verkaufsläden zu holen. Es gehe den Händlern nur darum, möglichst billiges Obst anzubieten, kritsiert er. Bei den Dumpingpreisen bleiben regionale Erzeuger auf der Strecke.

Simon Schumacher vom Verband süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer sieht das ganz ähnlich. In anderen gängigen Erzeugerländern seien die Lohnkosten zweieinhalb mal niedriger als in Deutschland, erklärt er. Auch im Münsterland vernichteten Landwirte aus Protest gegen das Preisdumping ihre Erdbeerfelder. Andreas Rahmann aus Coesfeld etwa zerstörte die Erdbeeren, um noch schnell Mais einzusäen.

Während der Einzelhandel von hohen Preisspannen profitiert, sind die Gewinne für die Erzeuger gering, klagt der Erdbeerbauer im Interview mit dem WDR. Für 500 Gramm Erdbeeren bekäme er derzeit etwa einen Euro vom Einzelhandel. Über Direktvermarktung bekomme er für dieselbe Menge 4,50 Euro. Der Landwirt, der die Supermärkte künftig gar nicht mehr beliefern will, hat seine Flächen deutlich verkleinert.

Überangebot bei geringer Nachfrage

Das Wetter war in diesem Jahr geradezu optimal für Erdbeeren, die in der Sonne schnell heran reiften. Auf der anderen Seite ist die Nachfrage geringer als in den Jahren zuvor. Diese ungünstige Kombination ließ die Preise sinken. Für gewöhnlich tragen Landwirte das Risiko von Hagel, Starkregen, schlechtem Wetter. Hinzu kommen nun die Folgen der Preissteigerungen für Öl und Energie. Derzeit müssen sie auch mehr für Sprit für ihre Traktoren zahlen.

Der größte Faktor bei den Erdbeeren und beim Spargel seien die Lohnkosten, erklärt Heiner Lövenich, Inhaber des gleichnamigen Erdbeer- und Spargelhofes in Düren. Wegen des Mindestlohnes lägen diese in Deutschland höher als in vielen andern Ländern. Aus diesem Grund können etwa spanische Erdbeerbauern den Supermärkten ihre Früchte zu einem viel niedrigeren Preis anbieten.

Auch die sozialen Standards seien dort nicht so hoch, ebenso wie die Anforderungen an Umwelt- und Pflanzenschutz. Über die ungleichen Produktionsbedingungen innerhalb der EU ärgert sich auch Stephan Bäcker aus Münster. Der Erdbeerbauer bewirtschaftete 20 Hektar mit Erdbeeren. Ein Drittel der Ernte - um die 50 Tonnen - wird er wohl nicht beernten können. Der Erdbeer- und Spargelbauer ärgert sich darüber, dass ausländische Erdbeerbauern weniger strenge Auflagen erfüllen und deshalb preiswerter produzieren können. Er fordert gleiche Bedingungen für alle.

Gibt es Alternativen zur Lebensmittelvernichtung?

Der Verband Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer spricht von bis zu 30 Prozent weniger Umsatz. Nicht verkaufte Erdbeeren bleiben nur ein bis zwei Tage frisch, dann wandern sie auf den Kompost – bestenfalls.

Bauern protestieren gegen Ramschpreise, indem sie ihr Erntegut vernichten – und das ausgerechnet in Zeiten der Lebensmittelknappheit? Könnte man die Früchte nicht einfach an die Tafel spenden? Weil Erdbeeren schnell verderben, sei es schwierig, sie rechtzeitig an Hilfsorganisationen oder gemeinnützige Einrichtungen zu liefern – und eine Weiterverarbeitung sei zu teuer, weiß der Erdbeeranbauverband.

Eine andere Möglichkeit wäre die Ab-Hof-Vermarktung. Doch für dieses Angebot fehlen häufig die Kunden, erklärt Bernhard Rüb. Zum Einen setzen sich die Leute bei den aktuellen Spritpreisen ungern ins Auto, um hinaus aufs Land zu fahren.

Zum Anderen sei auch, nachdem die Corona-Beschränkungen aufgehoben wurden, der Anreiz, einen Ausflug zu machen und selbst Erdbeeren zu pflücken, nicht mehr so groß, erklärt der Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW. Die meisten Leute entschieden sich für Freizeitaktivitäten, denen sie in den vergangenen zwei Jahren nicht haben nachgehen konnten.

Ein anderer Grund sind die Preissteigerungen. In Zeiten der Teuerung überlegen die Menschen drei Mal, bevor sie Geld für Erdbeeren oder Spargel ausgeben. Wegen der Inflation und hoher Energiekosten ist einfach nicht mehr so viel Geld zur Verfügung.

Generell sei durch die Inflation der Alltag für viele so teuer geworden, dass sie auf "Luxusobst" wie Erdbeeren lieber verzichteten. Die sei besonders schade, bedauert der Agrarexperte, denn Erdbeeren und Spargel in so einer guten Qualität und zu so einem moderaten Preis gab es schon lange nicht mehr.

Spargel – ein verzichtbares Gemüse

Auch Spargel landet in diesem Frühjahr weniger häufig auf dem Teller als in den vergangenen Jahren. Die Verbraucher halten sich zurück und viele deutsche Spargelbauern bleiben auf ihrer Ware sitzen. So wie Eckhard Kuhl im brandenburgischen Elbe-Elster-Kreis. Fassungslos steht der Bauer vor seinem Acker, aus dem buschartige Ranken aus dem Boden ranken: nutzlos und unverkäuflich.

Nur dreieinhalb von insgesamt acht Tonnen Spargel pro Hektar – weniger als die Hälfte – erntete der Bauer. 25 von 60 Hektar seines Betriebs hat er bereits stillgelegt. Von 100 Saisonarbeitern musste er 40 nach Hause schicken. Kuhl ist nicht der Einzige. So wie er haben viele Bauern Teile ihrer Äcker stillgelegt. Anstatt die Spargelstangen zu stechen, lassen sie die Pflanzen auf dem Acker austreiben.

Die Saison, die Mitte April begann, laufe gar nicht gut, klagen auch Pfälzer Spargelbauern. Im Vergleich zum Vorjahr sei der Umsatz stark zurückgegangen. Die Qualität sei hervorragend, die Preise niedriger als im vergangenen Jahr, genügend Ware sei vorhanden, erklärt Spargel-Experte Joachim Ziegler vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) in Neustadt. Der Umsatz sei verglichen mit dem Vorjahr um zehn bis 15 Prozent zurückgegangen.

Die Bedingungen in diesem Frühjahr seien optimal, leider sei die Nachfrage nach Spargel total eingebrochen, klagt Alexandra Walter vom Spargelhof in Gönnheim/ Kreis Bad Dürkheim. Bereits das Oster-Geschäft sei ein Desaster gewesen.

Weil der Mindestlohn für die Spargelstecher angehoben und die Kosten für Energie, Transport und Spritzmittel gestiegen seien, werde der Spargelhof in diesem Jahr wohl ein Minus machen. Überall klettern die Preise. Trotz steigender Kosten müssten Spargelbauern Preise senken, um überhaupt noch Umsatz zu machen, klagt die Spargelanbauerin. Zwar gehe die Ernte noch bis Ende Juni, doch Hoffnung, dass es in dieser Saison besser werde, gab die Bäuerin inzwischen auf.

Billige Importware drängt einheimischen Spargel vom Markt

Der Spargel sei so günstig wie seit fünf Jahren nicht mehr, erklärt Jürgen Jakobs, Betreiber des Spargelhofs Jakobs in Beelitz südöstlich von Potsdam. Zu Beginn der Saison habe der beste Spargel 16,90 Euro pro Kilogramm gekostet, mittlerweile sei der Preis auf 11,90 Euro gesunken. Die günstigste Ware koste 3,50 Euro. Im Supermarkt sei frischer Spargel sogar noch günstiger. Wenigstens die Ab-Hof-Vermarktung läuft erfolgreich: Nach zwei schwierigen Corona-Jahren mit hohen Ausfällen sei das hofeigene Restaurant in diesem Jahr so voll wie lange nicht mehr.

Es ist ein Preiskampf, den die deutschen Spargelbauern nicht gewinnen können: Billiger Spargel aus Spanien, Griechenland und Polen verdrängt den teuren deutschen Spargel vom Markt, klagt Simon Schumacher, Vorstandssprecher des Verbandes Süddeutscher Spargel- und Erdbeeranbauer e.V.

So werde Grünspargel aus Griechenland zu Dumpingpreisen auf den Markt geworfen. Die heimische Ware werde dadurch verdrängt. Dabei habe der Einzelhandel beteuert, den regionalen Anbau stärken zu wollen. Doch die Label "Saisonal", "Regional" und "Fair produziert" waren wohl nur Lippenbekenntnisse.

Dass der Mindestlohn auf zwölf Euro angestiegen ist, ist für die Ernte- und Saisonkräfte erfreulich. Für die Landwirte bedeutet dies jedoch eine Steigerung der Lohnkosten, während alle anderen Kosten sich ebenfalls steigen. Sind die Erntekosten höher als der Verkaufserlös, stoppen viele Bauern die Ernte auf den Spargel- und Erdbeerfeldern. Dazu kommt: Erdbeeren und Spargel gehören nicht zu den Grundnahrungsmitteln. Steigen Preise, sind dies die Lebensmittel, auf die Verbraucher zuallererst verzichten.

Vor diesem Hintergrund befürchtet Bauernpräsident Joachim Ruckwied einen Rückgang der Anbauflächen bei Obst und Gemüse im kommenden Jahr. Die Erzeugung könnte sich dann in europäische Billiglohnländer verlagern.

Drohen weitere Preissteigerungen bei Lebensmitteln?

Laut Statistischem Bundesamt ging der Umsatz im Lebensmitteleinzelhandel im April 2022 gegenüber dem Vormonat um 7,7 Prozent zurück. Dies sei der größte Umsatzeinbruch im Vergleich zu einem Vormonat seit 1994, hieß es. Auch im Vergleich zum Vorjahr ging der Umsatz mit Lebensmitteln im Einzelhandel inflationsbereinigt um 6,5 Prozent zurück.

Aufgrund der rasch steigenden Lebensmittelpreise greifen die Verbraucher vermehrt zu Handelsmarken und preisreduzierten Angeboten. Durch Kaufzurückhaltung versuchen sie, die extreme Teuerung teilweise aufzufangen.

Die Preise im Lebensmitteleinzelhandel spiegeln bei Weitem nicht den Anstieg der Preise für Agrarrohstoffe in den letzten 18 Monaten wider, erklären Marktforscher. Die Hersteller von Lebensmitteln und Getränken in der Euro-Zone hätten ihre Preise seit Anfang 2021 um durchschnittlich 14 Prozent erhöht. Die größten Preissteigerungen sind bei Produkten des täglichen Bedarfs wie Öle und Fette (plus 53 Prozent), Mehle (plus 28 Prozent) und Nudeln (plus 19 Prozent) zu verzeichnen.

Der Lebensmitteleinzelhandel habe die Preise jedoch nur um sechs Prozent angezogen - und damit noch nicht einmal die Hälfte der höheren Erzeugerpreise für Lebensmittel auf die Ladenpreise umgelegt. Mit einer gewissen Verzögerung gebe der Handel etwa drei Viertel der Preissteigerung an die Verbraucher weiter.

Unter dieser Voraussetzung werde die Lebensmittelinflation weiter steigen, schätzen die Marktexperten. Für dieselbe Menge an Lebensmitteln im Warenkorb werden die Kunden künftig noch einmal deutlich mehr Geld ausgeben müssen, so ihre Befürchtung.

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