Speed-Dating mit Nato-Staatschefs: Die Münchner Sicherheitskonferenz und ihre Werte

Im Rampenlicht der Weltpolitik: Konferenzleister Christoph Heusgen. Foto: MSC / Kuhlmann

Rund 50 Staatschefs reisen an. Ein Bayer beschwört höhere Aufrüstungsziele. Bei der Gegendemo will Griechenlands Ex-Finanzminister etwas klarstellen.

Als hätte es jemals Anlass zu Zweifeln gegeben, bekannte sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an diesem Freitag noch einmal ausdrücklich zur Nato, während die 60. Münchner Sicherheitskonferenz in der Landeshauptstadt begann. Das "Speed-Dating der internationalen Diplomatie" nennt er die Konferenz im Luxushotel bayerischer Hof.

Söder macht Weltpolitik: Lebkuchenherz für die Nato-Partnerin

Bereits am Donnerstag war Söder wieder einmal vom Mantel der Weltpolitik gestreift worden, als er die angereiste US-Vizepräsidentin Kamala Harris mit einem großen bayerischen Lebkuchenherz am Flughafen begrüßen durfte. Sie habe sich sehr darüber gefreut, verkündete er im Anschluss auf der Plattform X.

Ein Nato-Bekenntnis mit Seitenhieb auf Trump

Sein Nato-Bekenntnis enthielt auch einen Seitenhieb auf den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, der die Beistandspflicht im Ernstfall nur erfüllen will, wenn die betroffenen Partnerstaaten – wie 2014 beim Nato-Gipfel in Wales vereinbart – mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Rüstung und Militär ausgeben.

Wir bekennen uns zur Nato und ihren Werten. Klar ist: Die Nato ist eine Wertegemeinschaft, es geht nicht um Schutzgelder. Das Bündnis mit den USA ist von zentraler Bedeutung, es muss unabhängig vom Ausgang der US-Wahlen bestehen bleiben.

Auch die USA profitieren massiv von der Logistik, die wir in Europa und insbesondere in Bayern bieten. Ohne die Nato wären die Vereinigten Staaten militärisch massiv eingeschränkt.

Markus Söder, CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident

Aufrüstung für Deutschland: Drei-Prozent-Ziel im Gespräch

Söder ließ aber keinen Zweifel daran, dass er das Zwei-Prozent-Ziel sogar übererfüllt sehen will: Deutschland sollte seiner Meinung nach sogar drei Prozent seiner Wirtschaftsleistung in Rüstung und Militär investieren. "Es gibt keine Alternative zur Wehrhaftigkeit", sagte der Bayer bei der Eröffnung der Konferenz, die teilweise im Internet per Livestream verfolgt werden kann.

Der eigentliche Gastgeber ist allerdings nicht Söder, sondern der Ex-Diplomat Christoph Heusgen. Als Veranstalter fungiert die Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz gGmbH, die Bundesregierung und mehrere Unternehmen, darunter Rüstungskonzerne wie Lockheed Martin und Rheinmetall fördern das "Speed-Dating" finanziell.

Mehr 1.500 Personen stehen insgesamt auf der Gästeliste, darunter rund 50 Staats- und Regierungschefs sowie rund 60 Außenminister und mehr als 25 Verteidigungsminister.

Ukraine im Fokus: Der Krieg, auf den Europa schaut

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der gerade in Berlin mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein bilaterales Sicherheitsabkommen unterzeichnet hat, wird bei der "Siko" im Bayerischen Hof erwartet.

Von deutscher Seite nimmt neben Kanzler Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) auch Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) teil. Russische Regierungsvertreter wurden nicht eingeladen – sie könnten auch aufgrund von Sanktionen beziehungsweise Haftbefehlen nicht einreisen.

Neben dem Ukraine-Krieg dürfte der Israel-Gaza-Krieg Israels einen weiteren Schwerpunkte Gespräche bilden – Israels Staatspräsident Jitzchak Herzog steht ebenfalls auf der Gästeliste.

Kritische Stimmen zur Nato: Einer, der aus Erfahrung spricht

Söders Aussage über die "Wertegemeinschaft" wird auf der Demonstration des Aktionsbündnisses gegen die Nato-Sicherheitskonferenz am Samstag wohl scharf widersprochen werden – unter anderem von Yanis Varoufakis, dem ehemaligen Finanzminister Griechenlands, der inzwischen der gesamteuropäischen Bewegung DiEM25 angehört.

Neben der irischen EU-Abgeordneten Claire Daly und dem ehemaligen Oberstleutnant Jürgen Rose ist Varoufakis als Redner auf der Abschlusskundgebung am Samstag um 15 Uhr auf dem Münchner Marienplatz angekündigt.

Die Nato kann er schon deshalb nicht als Wertegemeinschaft und Sicherheitsgaranten sehen, weil sein Land, das selbst Nato-Mitglied ist, am ehesten von einem anderen Nato-Land militärisch bedroht wird: von der Türkei.

Erinnerung an Diktaturen unter dem Nato-Stern

Außerdem erinnerte Varoufakis kürzlich in einem Meinungsbeitrag für das Portal DiEM25 an die griechische Militärdiktatur im Rahmen der Nato, unter der als Kind auch Repression und Misshandlung von Angehörigen miterleben musste. Aufgrund dieser Erfahrungen und weiterer Beispiele sieht er die Nato anders als viele Osteuropäer, die sich von ihr Sicherheit und Freiheit erhoffen.

Und obwohl die Nato-Mitgliedschaft in vielen fortgeschrittenen Ländern wie den Niederlanden und Dänemark voll und ganz mit der liberalen Demokratie vereinbar war, war Griechenland kein Einzelfall.

Auch die Portugiesen lebten sowohl im Faschismus als auch innerhalb der Nato. Generationen türkischer Demokraten werden Ihnen sagen, dass es durchaus machbar ist, in einem Nato-Land zu leben, das von einem verblüffenden Maß an Autoritarismus geprägt ist.

Yanis Varoufakis

Proteste gegen die Siko: "Kriegstreiber unerwünscht"

Auch der türkische Außenminister Hakan Fidan wird an der Münchner Sicherheitskonferenz teilnehmen – bei den Protesten dürften wie üblich kurdische und türkische Linke gut vertreten sein.

Das Aktionsbündnis mobilisiert unter dem Motto "Kriegstreiber unerwünscht" und wird von zahlreichen linken und antimilitaristischen Gruppen sowie lokalen Gewerkschaftsgliederungen, der Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut (Die Linke) und weiteren Einzelpersonen unterstützt.

Eine Gegendemonstration zum Treffen der "Wertegemeinschaft" in Hör- und Sichtweite ist allerdings wegen der Sicherheitszone rund um das Tagungshotel nicht möglich.