Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Aktion "Augenklappe Korpsgeist"
Ein satirisches Adbusting-Plakat ruft die Staatsanwaltschaft auf den Plan
"Kreative Polizeikritik. Horst Seehofer ‚wirbt‘ für Augenklappe Korpsgeist", titelte die Frankfurter Rundschau im Mai letzten Jahres. Damals waren in Frankfurt Werbeplakate aufgetaucht, die den damals amtierenden Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mit einer Augenklappe über dem rechten Auge zeigen.
Die "Vorteile" der Augenklappe, für die Seehofer vermeintlich wirbt: Sie sei eine einfache Lösung gegen Rechtsextremismus, der rechte Rand verschwinde sofort, außerdem sei sie zu einhundert Prozent blickdicht, undurchlässig für Aufklärung und mache eine Studie über rassistische Tendenzen in der Polizei überflüssig. Bald tauchten bundesweit auch in vielen anderen Städten ähnliche Plakate auf.
Schnell war klar, dass hier ein "Adbusting"-Kollektiv mittels Satire in eine politische Auseinandersetzung interveniert hatte. Es ging um die Frage, ob es bei der Polizei Rassismus gibt und wie das festgestellt werden soll. Eine Studie dazu hatte Seehofers Ministerium damals abgelehnt. Stattdessen wollte der Minister, der sich immer als Law and Order-Politiker gerierte, in einer Studie Gewalt gegen die Polizei untersuchen lassen.
Nun gaben Unterstützer des Adbusting-Kollektivs, das sich Dies Irae nennt, bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Wiesbaden in den Plakaten mit dem Motiv "Augenklappe Korpsgeist" eine verfassungsfeindliche Verunglimpfung von Staatsorganen sieht und Ermittlungen eingeleitet hat. Im Fokus stünden die unbekannten Adbuster von Dies Irae.
Wenn Hunde bellen…
"Wenn getroffene Hunde bellen, haben wir alles richtig gemacht", kommentierte ein Mitglied des Kollektivs die Ermittlungen. "Der Staat demaskiert sich selbst, wenn er mit einer Strafverfolgung darauf reagiert, dass man ihm Rassismus in der Polizei vorwirft. Weil es sich bei der verfassungsfeindlichen Verunglimpfung von Staatsorganen um ein Antragsdelikt handelt, stellt die Frage, ob Seehofer und seine Juristen selber die Anzeige gestellt haben."
Es ist nun nicht das erste Mal, dass sich die Justiz mit dieser Form der Kommunikationsguerilla befasst. So gab es in den letzten Jahren mehrere Hausdurchsuchungen gegen Personen, denen vorgeworfen wird, an Adbusting-Aktionen mit satirischen Plakaten – zum Beispiel zur Bundeswehr – beteiligt gewesen zu sein.
Zudem hat der Politische Staatsschutz nach einer Adbusting-Aktion zum Tag der Bundeswehr 2019 in Berlin eine DNA-Spurenanalyse an den aufgefundenen Postern beantragt.
Mit den neuen Ermittlungen wegen der Aktion "Augenklappe Korpsgeist" wird die Repression fortgesetzt. Dabei ist deren Rechtsgrundlage zweifelhaft: Im Verfassungsblog gehen Rechtswissenschaftler davon aus, dass Adbusting "grundsätzlich in den Schutzbereich der Meinungs- und Versammlungsfreiheit" fällt und "je nach Ausgestaltung ist auch die Kunstfreiheit berührt".
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