Gefährdet Adbusting die Grundordnung?

Umstrittenes Adbusting. Bild: Dies Irae

Im bundesweit ersten Verfahren wegen der Veränderung von Werbeplakaten aus politischen Gründen wurde auch der dafür aufgewendete große Ermittlungsaufwand deutlich

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Großen Andrang gab es am Dienstagmittag vor dem Raum 500 des Berliner Amtsgerichts. Schließlich handelte es sich um eine juristische Premiere. Erstmals wurde vor Gericht über Adbusting-Aktionen verhandelt. Dabei handelt es sich um die Veränderung von Plakaten aus politischen Gründen.

Gleich zu Beginn der Verhandlung wurde der satirische Charakter der Aktion deutlich. Die Staatsanwältin erntete Gelächter aus dem Publikum, als sie die Anklageschrift vorlas. Denn die ausgetauschten Poster enthielten Texte wie "Nazis essen heimlich Falafel" oder "Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm, beim Nazi ist es anders rum" oder "Mimimimi Free Boehmi Satire darf alles humorlose Kackbratze" . Es bezog sich auf die Diskussion um das Anti-Erdogan-Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann.

Bei der Befragung der Polizeizeugen wurde schnell klar, welch großer Ermittlungsaufwand unternommen wurde, um die Urheber der Adbusting-Aktionen ausfindig zu machen. Wie ein Mitglied des Redaktionsteam des Internet Blog maqui.blogsport.eu, auf dem Kommunikationsguerilla-Aktionen aller Art dokumentiert werden, gegenüber Telepolis berichtet, wurde während der G20-Proteste in Hamburg im Juni 2017 ein Mann kontrolliert, der beschuldigt wurde, ein satirisches Plakat im Hamburger Hauptbahnhof angebracht zu haben. Die Daten gingen an das Berliner Landeskriminalamt Berlin. Daraufhin wurde dort eine Menge von YouTube-Videos angeschaut, auf denen Adbusting-Aktionen dokumentiert sind. Zudem verglich man damit Aufnahmen, die ein Anwohner von einer solchen Aktion gemacht und der Polizei übergeben hat. Die Ermittlungsbehörden wollten eine Person erkannt haben, gegen die sie Durchsuchungsbeschlüsse erwirkten. Dabei wurden Plakate, Schablonen und Kleidung beschlagnahmt, die angeblich bei den Aktionen getragen wurden.

Der Anwalt des Angeklagten Fadi El-Ghazi stellte den Antrag, die bei der Durchsuchung gefundenen Beweismittel nicht für die Verhandlung zu verwerten. Er argumentierte, dass eine Durchsuchung der Wohnung angesichts des geringen Werts, den die ausgetauschten Plakate hatten, ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte seines Mandanten gewesen seien. Die Richterin wollte daraufhin einen weiteren Gerichtstermin ansetzen, um Mitarbeiter der Firma Wall über den entstandenen Schaden zu befragen. Doch El-Ghazi insistierte, dass auch die jeweiligen Auftraggeber der Plakatwerbung wegen der Höhe des Schadens gehört werden müssten. Dazu wird es jedoch nicht kommen. Am Ende einigten sich alle Verfahrensbeteiligten auf die Einstellung des Verfahrens. Der Angeklagte muss 1200 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen oder ersatzweise 120 Sozialstunden ableisten und verzichtet auf die Herausgabe der bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Utensilien.

Adbusting-Aktionen im Verfassungsschutzbericht

Die politische Dimension wird auch dadurch deutlich, dass im Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik Linksextremismus Adbustingaktionen im Vorfeld des Berliner Polizeikongresses aufgeführt sind.

Neben physischen Angriffen auf Polizeikräfte versuchen Linksextremisten gezielt, die Polizeibehörden allgemein in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Dazu bedienen sie sich neben den klassischen Verbreitungsformen wie Printmedien auch der Aktionsform des "Adbustings".

Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2018, S. 27

In Erfurt nahm die Polizei Fingerabdrücke von satirischen Plakaten, die den Thüringer AfD-Politiker Höcke zum Ziel haben. In einer Pressemitteilung der Künstlergruppe Dies Irae heißt es:

Bereits im März 2016 stellte die Staatsanwaltschaft Erfurt fest, dass keine Straftat vorliegt! Trotzdem wurde die Strafverfolgung seitens der Polizei Erfurt nicht eingestellt. Im Gegenteil: Das Thüringer LKA wertete Fingerabdrücke & DNA von den 10 Plakaten aus. Auch von dem Plakatierer der Firma STROER wurde ein Mundhöhlenabstrich zum DNA-Abgleich genommen.

Aus der Pressemittelung der Künstlergruppe Dies Irae

Welche Daten speichert ein Barcode auf den Plakaten?

Interessant war, dass die Ermittlungsbeamten bei ihrer Vernehmung im Prozess erklärten, dass sie extra Gespräche mit der Firma Wall geführt haben, um sich in die Feinheiten der Plakatwerbung einführen zu lassen.

Zudem konnten die Ermittler an den Barcodes der Plakate, die bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten gefunden wurden, erkennen, ob sie schon mal in einer Werbetafel gehängt hatten und in welcher Stadt sich diese befunden hat. So wurden die Barcodes als Datenträger kenntlich. Ein Argument mehr vielleicht für die Initiative Berlin werbefrei, deren Sprecher der Jurist Fadi El-Ghazi ist.