Steigende Corona-Zahlen: Diese Alternativen zur Impfpflicht schlagen Experten vor

Verpflichtende Immunisierung für bestimmte Berufsgruppen im Gespräch. Pflegevertreter und Mediziner sind skeptisch und machen Gegenvorschläge

Angesichts steigender Corona-Infektionszahlen im Herbst und Winter spitzt sich die Debatte über Zwangsmaßnahmen wie eine Impfpflicht wieder zu. Im Fokus stehen dabei vorrangig Berufsgruppen, die mit vulnerablen Gruppen in Kontakt sind, etwa in Pflegeheimen und medizinischen Einrichtungen. Experten und Berufsverbände wehren sich gegen den politischen Druck und verweisen auf Alternativen.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat indes den bislang höchsten Wert an Neuinfektionen seit Beginn der Pandemie gemeldet. Im aktuellen Wochenbericht weist das Regierungsinstitut binnen eines Tages 37.120 erwiesene Fälle aus.

Auch die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz hat mit einem Wert von 169,9 den Höchststand der dritten Corona-Welle im Frühjahr dieses Jahres durchbrochen.

Die zu erwartende Entwicklung heizt nun erneut die Debatte über Nichtgeimpfte und eine mögliche partielle oder generelle Impfpflicht an. In der Bevölkerung wirken derweil "Sorgen" und "Ängste" vor einer erneuten Zuspitzung, heißt es in der Umfrage Deutschlandtrend der ARD:

57 Prozent (der Befragten) befürchten, dass wegen des Infektionsgeschehens das öffentliche Leben in den kommenden Wochen erneut eingeschränkt werden könnte. 58 Prozent treibt die Sorge um, dass das Gesundheitswesen in Deutschland an seine Grenzen stoßen könnte.

ARD-Deutschlandtrend

In Folge ändert sich auch das Stimmungsbild zur möglichen Ausgestaltung der Corona-Politik: Eine Mehrheit von 57 Prozent spricht sich inzwischen für eine allgemeine Corona-Impfpflicht aus, heißt es in der ARD unter Bezug auf die jüngste Umfrage: 39 Prozent seien dagegen: "Im August dieses Jahres war das Bild noch gespalten: Damals waren 46 Prozent für eine allgemeine Impfpflicht, 50 Prozent dagegen."

Das RKI hat die Risikobewertung für Menschen mit einer unvollständigen oder keine Impfung am Donnerstagabend von "hoch" auf "sehr hoch" geändert. Man schätze "die Gefährdung für die Gesundheit der nicht oder nur einmal geimpften Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein.

Für vollständig Geimpfte wird die Gefährdung als moderat, aber aufgrund der steigenden Infektionszahlen ansteigend eingeschätzt", heißt es in dem Wochenbericht weiter.

Impfpflicht bleibt umstritten

"Wir erachten mittlerweile eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, gerade in der Pflege, für unausweichlich", sagte der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Es ist wichtig, die besonders vulnerablen Personen auch besonders wirksam zu schützen", so der Kommunalvertreter.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, äußerte im ZDF zwar Unverständnis über Pflegekräfte, die ohne Impfung zur Arbeit gehen. Der Ärztevertreter sprach sich angesichts des Personalmangels aber auch gegen eine Impfpflicht für diese Berufsgruppe aus.

Schon jetzt bestehe in der Pflege Personalknappheit. Eine Impfpflicht würde die Lage wahrscheinlich verschärfen, weil einige Beschäftigte dann nicht mehr zur Arbeit kommen.

Nach Ansicht von Bernd Meurer, dem Präsidenten des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, lenkte die Diskussion über eine Impfpflicht für Pflegekräfte vom Versäumnis ab, Auffrischungsimpfungen schnell und effizient zur Verfügung zu stellen.

Christel Bienstein, die dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe vorsteht, verwies auf fehlende Fakten. Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte sie, es sei noch unbekannt, wie viele Beschäftigte sich aus welchen Gründen nicht haben impfen lassen.

Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sprach sich der Funke-Gruppe zufolge gegen eine Impfpflicht für Pflegekräfte aus, weil "sich auch Geimpfte und Genesene mit Corona infizieren und das Virus unbemerkt an die Pflegebedürftigen weitergeben" könnten.

Brysch plädierte stattdessen für kostenlose Prüfungen der Immunität gegen Sars-CoV-2 aus. Zuvor hatte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck die Abschaffung der kostenlosen Schnelltests als Fehler bezeichnet.