Stellvertreterkrieg verhindert politische Lösung in Syrien
Zunehmende militärische Aktionen ausländischer Kräfte. Verfassungsreform vor dem Aus. Ex-US-Diplomat Feltman fordert Ende von Sanktionen
Inmitten der globalen Corona-Pandemie ist es still geworden um Syrien. Doch der Krieg um einen Regimewechsel in der arabischen Republik setzt sich mit unverminderter Härte fort. Ein Hauptproblem sind die massiven und zunehmenden Interventionen ausländischer Parteien in dem bewaffneten Konflikt. Vor allem die Türkei unterstützt mit ihrem völkerrechtswidrigen Vordringen auf syrisches Staatsgebiet radikale islamistische Kräfte. Aber auch israelische Luftangriffe und das politisch-militärische Engagement von Nato-Staaten – allen voran den USA –, Russlands und Irans versperren den Weg zu einer nachhaltigen politischen Lösung.
Offensichtlich wurde das vor wenigen Tagen erneut, als eine weitere Runde von UN-Gesprächen über eine Verfassungsnovelle in Syrien erfolglos abgebrochen wurde. Nach Angaben des UN-Sondergesandten Geir Pedersen ist die Zukunft des syrischen Verfassungskomitees grundsätzlich fraglich.
Zuvor waren die in Genf laufenden Verhandlungen zwischen der Regierung von Baschar al-Assad und Vertretern der Opposition nach fünf Tagen ohne Ergebnis ausgesetzt worden. Pedersen sprach von einer "Enttäuschung" und kündigte an, in Damaskus persönlich mit Vertretern der Assad-Regierung sprechen zu wollen. Zudem werde er mit Diplomaten aus Russland, der Türkei, Iran, der Europäischen Union, den USA und arabischen Staaten in Kontakt treten.
Diese Ankündigung alleine zeigte, dass der politische Prozess für ein Ende des nun schon über zehn Jahre andauernden Syrien-Krieges zum Scheitern verurteilt ist, solange die direkten und indirekten Interventionen ausländischer Parteien andauern. Denn angesichts der fortlaufenden Unterstützung verfeindeter politischer und militärischer Akteure kann der notwendige Druck für einen belastbaren politischen Kompromiss zwischen der Assad-Regierung und den wichtigsten Oppositionskräften nicht aufgebaut werden.
Zunehmendes Engagement Israels
Das Gegenteil aber ist der Fall. Die israelische Armee hielt zuletzt Manöver mit Panzerverbänden auf den besetzten syrischen Golan-Höhen ab, über die israelische Spezialkräfte Ende Juli 2018 offenbar in Abstimmung mit Nato-Staaten Mitglieder der umstrittenen Weißhelme evakuiert hatten (Syrien: Niederlande beendet Unterstützung der Weißhelme und der bewaffneten Opposition), darunter einen mutmaßlichen Sympathisanten radikalislamistischer Kräfte, der inzwischen gegen Bedenken hiesiger Sicherheitsbehörden in Deutschland aufgenommen wurde (Deutsche Milde für Dschihadisten).
Mitte Januar griff die israelische Luftwaffe in der Provinz Deir ez-Zor im Osten Syriens Stellungen an, die mutmaßlich von den iranischen Revolutionsgarden und alliierten Kräften gehalten wurden. Nach Angaben der Online-Plattform Al Monitor wurden über 35 Stellungen attackiert, etwa 80 Personen starben.
Schon im vergangenen Jahr gab es zahlreiche Berichte über israelische Angriffe in Syrien im Jahr 2020, einschließlich eines Luftschlags auf eine syrische Luftverteidigungseinheit am 30. Dezember. Bei den Luftangriffen Mitte Januar handelte es sich um die erste offene Militäraktion Israels in Syrien, seit US-Präsident Joe Biden sein Amt angetreten hat.
Der ehemalige US- und UN-Beamte Jeffrey Feltman hat sich indes für eine neue Strategie der Biden-Regierung gegenüber Syrien ausgesprochen. Feltman äußerte zugleich Kritik an den Regierungen von Donald Trump und Barack Obama.
US-Experte Feltman für Lösung mit Assad
Der ehemalige UN-Untergeneralsekretär für politische Angelegenheiten und stellvertretende US-Außenminister für Angelegenheiten des Nahen Ostens forderte einen politischen Ansatz: Syriens Präsident Al-Assad müsse sich bei einer Lockerung der bestehenden US-Sanktionen zu "konkreten, irreversiblen und transparenten Reformschritten" bereit erklären, so Feltman.
Der Nahost-Experte räumte auch ein, dass die bestehenden Strafmaßnahmen der USA gegen Libanon verhängt wurden, um Druck auf Syrien, Iran und Russland auszuüben und sie zu Verhandlungen zu bewegen.
Die Sanktionen der USA und der EU gegen Syrien hätten zwar zu massiven Notlagen in dem Land geführt und zum Zusammenbruch der syrischen Währung beigetragen.
"Aber sie haben weder die wichtige Unterstützung unter Assads Kernwählerschaft geschwächt noch das Verhalten der herrschenden Elite verändert", schreibt Feltman auf der Seite der US-Denkfabrik Brookings. Dieser Analyse schloss sich auch das US-Magazin Foreign Affairs an. "Die US-Strategie in Syrien ist gescheitert."
Die Sanktionspolitik habe die Vereinigten Staaten isoliert und Russland, Türkei und Iran zu Hauptakteuren im Ringen um die Zukunft Syriens gemacht, so Feltman bei Brookings. Dies habe sich auch im Stocken der UN-Verhandlungen um eine neue syrische Verfassung in Genf gezeigt.
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