Straße von Hormuz: Deeskalation durch Einsatz europäischer Kriegsschiffe?
Angeblich strebt Frankreich eine Führungsrolle bei einer eigenständigen europäischen maritimen Mission an. Hierzulande legen Experten ein Papier mit deutschen Optionen vor. Wird die US-Strategie des maximalen Drucks unterlaufen?
Die Absage der deutschen Regierung zur Anfrage der USA, bei einer "Schutzmission im Persischen Golf mitzuwirken", war offenbar nicht das letzte Wort in der Sache. Hinter den Kulissen geht die Diskussion über die Ablehnung des deutschen Außenministers Ende Juli weiter.
"An der von den USA vorgestellten und geplanten Seemission wird sich die Bundesregierung nicht beteiligen", so Maas vor nicht ganz zwei Wochen. "Wir befinden uns da in enger Abstimmung mit unseren französischen Partnern." Der Bericht der Zeit fügt allerdings auch hinzu, dass Berlin eine maritime Schutzmission europäischer Staaten grundsätzlich "weiterhin für erwägenswert" halte.
"Ein Schiff wird kommen?"
Am Wochenende wurde ein Papier mit dem Titel "Ein Schiff wird kommen? Deutsche maritime Optionen in der Straße von Hormus" veröffentlicht. Verfasst ist das 13-seitige Papier von Carlo Masala (Universität der Bundeswehr in München), Christian Mölling und Torben Schütz (beide sind Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik - DGAP).
Was es mit der Anspielung auf den Schlager "Ein Schiff wird kommen" aus den 1960ern (interpretiert u.a. von Lale Andersen und ein Album von Freddy Quinn ist so benannt) auf sich hat, stellt, nicht zuletzt angesichts des Lied-Textes, einige Rätsel auf ("Ein Schiff wird kommen, und das bringt mir den einen. Den ich so lieb' wie keinen"). Wahrscheinlich hat man den Titel, der früheren Generationen, vor allem den Babyboomern, noch im Ohr ist, nur der Bekanntheit und des Aufhorchens wegen gewählt.
Die Absicht der Analyse ist eigentlich eine sachliche oder scheint doch eine schlagerähnliche Sehnsucht, etwa nach Größe, durch? Dem Papier liegt die Ansicht zugrunde, dass es zur US-Politik des "maximalen Drucks" gegen Iran mit ihren Eskalationsrisiken eine europäische Alternative geben müsse, die am Iran-Nuklearabkommen festhalten und "die Freiheit der Seefahrt in der Straße von Hormus" mit Mitteln garantieren könne, die einen militärischen Konflikt vermeiden.
Die Verfasser nennen als Grundlage ihrer Überlegungen, dass das Kanzleramt "eine maritime Schutzmission" ins Spiel gebracht habe und der Außenminister eine "Beobachtungsmission". Einigkeit herrsche außerdem darüber, "dass die Mission mit europäischen Partnern durchgeführt werden soll". Nach einigen Vorabüberlegungen zu den Zielen und Anforderungen der jeweiligen Mission unterbreitet das Papier konkrete Vorschläge zum deutschen Beitrag einer solchen europäischen Alternativmission.
"Fünf Fregatten oder Zerstörer mit Bordhubschraubern"
Für eine Beobachtermission schätzen die Experten als mindestens erforderlich ein: "fünf Fregatten oder Zerstörer mit Bordhubschraubern, davon ein Führungsschiff, drei Seefernaufklärer, ein bis zwei Versorger/Tanker". Für die aufwendigere Schutzmission ergänzend: "zwei Korvetten sowie Vessel Protection Teams (VPT) und ein Force Headquarters im Einsatzgebiet".
Die beiden letzteren Anforderungen sind besonders interessant. Zum einen, weil es, wie dies der Verteidigungsspezialist Thomas Wiegold auf seinem Blog "Augen geradeaus" direkt anspricht, darum geht, welche praktischen Optionen die Schiffsschützer-Teams - die Vessel Protection Teams - realistisch haben, wenn einem Schiff wie im Fall des britischen Tankers Stena Impero droht, dass es von iranischen Regierungskräften gekapert wird.
Solche bewaffneten Teams wurden/werden auf Handelsschiffen zum Schutz vor Piraten vor der Küste Somalias eingesetzt - aber bewaffnete Soldaten auf einem Tanker zu postieren, um einen Zugriff von iranischen Regierungskräften abzuschrecken oder gar mit Waffengewalt zu verhindern, ist eine ganz andere Nummer. Soll dann ein europäisches (konkret: vielleicht ein Bundeswehr-)Team einen anfliegenden iranischen Hubschrauber - wie beim britischen Tanker Stena Impero - mit einer Stinger abschießen? Das klingt mir ein bisschen, hm, problematisch.
Thomas Wiegold
Rechtliche Probleme, insbesondere völkerrechtliche, seien von den Autoren "bewusst ausgeklammert", erklärt Wiegold. Darüber hinaus gibt es noch ein anderes Problem, das mit der Einrichtung eines "Force Headquarters im Einsatzgebiet" zusammenhängt. Wer übernimmt die Führung einer solchen europäischen Alternative zur US-Mission?
Wer hat die Führung?
Geht es nach den Verfassern des Papiers müsste Deutschland eine Hauptrolle zukommen: "Berlin sollte zum Erhalt seines Gestaltungsanspruchs und zur Wahrung seiner Interessen eine Mission mitentwickeln und sie ggf. führen", heißt es ganz zu Anfang des Abschnittes "Empfehlung". Doch verweist ihr Text auch auf Frankreich.
In Deutschland käme Ulm als Hauptquartier infrage, das habe jedoch "nur geringe Erfahrung mit Marineoperationen". Spanien und Italien werden wegen deren Leitung der EU-Missionen Atlanta (Spanien) respektive die Operation Sophia (Italien) hintangestellt, aber: "Frankreich führt derzeit keine maritime Mission. Es könnte also die die Rolle des OHQ übernehmen. Dies scheint Paris auch derzeit anzubieten."
Der letzte Satz wird andernorts gestützt. In einem Beitrag, der auf Informationen ungenannter Insider referiert, sehr vage als "multiple sources" (verschiedene Quellen) bezeichnet, behauptet die Redakteurin für "auswärtige Angelegenheiten" von Sky News, D. Haynes, dass Frankreich schon länger die Führungsrolle einer europäischen Mission anstrebt, welche die Überwachung und den Schutz des Handelsschiffsverkehrs in der Straße von Hormuz zum Ziel habe.
Laut Aussagen zweier Quellen habe Paris an europäische Verbündete appelliert, dass sie den US-Anfragen nichts anbieten und "stattdessen warten, bis eine europäische Initiative startbereit ist". Innerhalb der britischen Regierung stehe man dem aber skeptisch gegenüber, so Haynes, weil man sich nicht klar sei, ob Frankreich die Fähigkeiten und die Kapazitäten dazu habe, eine solche Mission ohne eine bedeutende US-Unterstützung durchzuführen.
Dagegen spreche auch, dass Frankreich, anders als Großbritannien, nicht zur five eyes-Gemeinschaft gehöre, wo man wichtige Geheimdienstinformationen austausche.
Dafür spreche aber, dass Frankreich eine Koalition aufbauen könne, wozu die USA momentan nicht imstande ist, und dass Frankreich darauf achte, sich öffentlich von der "Maximaldruck"-Strategie der USA zu distanzieren, weil Paris weiterhin wie London und Berlin (wie auch Russland und China) an der Nuklearvereinbarung festhalte.
Die Folgerung aus dieser Aufzählung läuft darauf hinaus, dass Paris dazu imstande wäre, eine Beobachter- oder Schutzmission im persischen Golf durchzuführen, die ein geringeres Eskalationsrisiko mit sich bringt als die US-Mission. Zumal sich dieser bislang nur Großbritannien anschließen wollte. Zuletzt hieß es, dass auch aus den Vereinigten Arabischen Emiraten Signale kamen, die nicht unbedingt auf Mitmachen, sondern auf Deeskalation setzen.
"Keine Erlaubnis nötig" - Das Verhältnis zu den USA
Die politisch interessante Frage ist, wie sich eine europäische Mission im persischen Golf, sollte sie tatsächlich ernst gemeint sein, zu den USA stellen würde. Die Verfasser des deutschen Papiers sind klar in der Einschätzung: Es geht nicht ohne enge Absprache und Zusammenarbeit mit den USA. Die Eigenständigkeit wäre ein Spreizschritt. Zwar sei eine "integrierte Mission mit den USA derzeit weder in Berlin noch in anderen Hauptstädten politisch denkbar", aber:
Gleichzeitig kann kein europäischer Staat sein Engagement in der Region bedenken, ohne die USA, deren Mission und deren Konflikt mit dem Iran in die eigenen Überlegungen einzubeziehen. Deshalb wird sich jede europäische Mission mit der US-geführten Initiative aufs engste koordinieren müssen. Dies bedeutet nicht, dass man Teil der US-Initiative wird. Zudem ist auch eine engere Kooperation mit der US-Initiative denkbar.
Carlo Masala, Christian Mölling, Torben Schütz
Die rote Linie des Spreizschrittes Richtung USA wäre die Eskalation: "Sollte die USA gegen den Iran militärisch eskalieren, würde die Deutsche Marine ihre Zusammenarbeit mit der amerikanischen Initiative sofort abbrechen."
Und Frankreich? Außenminister Le Drian legt in offiziellen Äußerungen Wert auf Eigenständigkeit. Als US-Präsident Trump auf Bemühungen Macrons, eigene Gespräche über Verhandlungen mit Iran zu führen mit einem Tweet reagierte, wonach Macron "trotz seiner guten Absichten" sich besser nicht "im Namen der USA" einmischen sollte, weil "niemand für die USA spricht, außer die USA selbst", reagierte der französische Außenminister mit der Erklärung, dass Frankreich "keine Erlaubnis" brauche, um sich für "den Frieden und die Sicherheit in der Region zu engagieren":
Wenn es um Iran geht, dann drückt sich Frankreich in seiner ganzen Souveränität aus.
Jean-Yves Le Drian, französischer Außenminister
Nach Informationen von al-Monitor gibt es nicht nur regelmäßige Telefongespräche zwischen Macron und dem iranischen Präsidenten Rouhani, sondern gab es auch eine Einladung an Rouhani, zum anstehenden G7-Gipfel in die französische Atlantikküstenstadt Biarritz zu kommen.
Darüber hinaus soll die europäische Gesellschaft zur Umgehung der US-Sanktionen, Instex, mittlerweile doch Fortschritte machen. Angeblich sollen sich deutsche und französische Unternehmen beteiligen. Über deren Zahl und Größe wird aber nichts gesagt.
Offen bleibt, wie groß der Manövrierraum der beiden führenden europäischen Länder, Frankreich und Deutschland, den sie in ihren Behauptungen bzw. in Hintergrundüberlegungen in Anspruch nehmen, tatsächlich ist. Wenn die Absichten der beiden Länder ernst gemeint sind, so konterkariert dies den Kurs der Falken des "Teams Bolton", die auf maximalen Druck aus sind. Allerdings könnten sich durch die Europäer auch die Handlungsmöglichkeiten erweitern.
Nicht abwegig ist, dass die Europäer eine Art "guten Cop" spielen als Ergänzung zur "Bad cop"-Rolle der USA. Merkel wie Macron schlossen sich jedenfalls nach der Aufkündigung der Atomvereinbarung durch Trump 2018 sehr bald dessen Forderung nach Nachverhandlungen an.
Vertrauen spielte schon bei den Verhandlungen zum JCPOA die Hauptrolle. Interessant wird sein, was Iran anbietet und wie die Reaktionen aus Teheran zu den europäischen Überlegungen zu einer Beobachter-/Schutz-Mission aussehen.
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