Strategische Kommunikation: Nuklearbellizisten gegen Friedensbewegung

Eine Nato-Konferenz zum Thema Meinungsmache wurde 2015 von Rüstungskonzernen gesponsert. Vermittelt wurde, wie "einfache Botschaften" mit menschlicher Dimension verfangen. Nicht ohne Erfolg.

In unseren Tagen kann ein Militärpolitiker wie der Christdemokrat Roderich Kiesewetter die russische Kriegsführung in der Ukraine im Deutschlandfunk-Interview mit dem Feldzug Nazi-Deutschlands gegen die Sowjetunion vergleichen, ohne damit entsprechenden Widerspruch zu ernten.

Auch der Krieg gegen Nazi-Deutschland sei nicht mit Verhandlungen beendet worden – und heute müsse Russland lernen, zu verlieren. Kiesewetter hofft auf einen Sieg der Ukraine und erwartet, dass Russland danach erst einmal lange Zeit brauchen wird, bis es – wie dereinst Deutschland nach der Nazizeit – wieder Teil der internationalen Gemeinschaft werden kann.

Und Russland müsse seine Atomwaffen aus Kaliningrad abziehen. Der Bezug zum Nazireich schwingt auch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit, wenn sie von einem "Umbau zur Wehrwirtschaft" spricht. Wikipedia schreibt zum Begriff "Wehrwirtschaft", darunter sei "die Gestaltung der Volkswirtschaft im Frieden für den Krieg unter militärischen Gesichtspunkten" zu verstehen.

Die Militarisierung der Gesellschaft und Dammbrüche bis zu Bezügen zur Nazizeit greifen um sich, ohne weithin vernehmbaren Widerspruch auszulösen. Transatlantisch dominierte Medien steuern ab der Invasion russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar letzten Jahres besonders massiv die öffentliche Meinungsbildung gegen den Pazifismus.

Russland als die Gefahr für die internationale Ordnung

Durch Ausblendung der militärischen Konflikte, die im Gebiet zwischen der Sahel-Zone und der Golf-Region und teils weit darüber hinaus mit westlich produzierten Kriegswaffen eröffnet wurden, erscheint Russland in dieser Berichterstattung nicht nur als eine, sondern als die Gefahr für die internationale Ordnung.

Ergänzt wird dieses Nachrichten-Management durch die weitgehende Ausblendung der Spannungen im Vorfeld des Ukraine-Krieges, die unter anderem dadurch befeuert wurden, dass auf ukrainischem Gebiet Nato-Manöver stattfanden, während das Land formell nicht Mitglied des Militärpakts war.

Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) brachte im Aufmacher Ende Dezember unter der Überschrift "Es ist Zeit, den Kompass neu zu kalibrieren" auf den Punkt, worum es dem bellizistischen Lager geht:

"Nie wieder Krieg" ist als naive Hoffnung entlarvt. (…) Es ist das freiheitliche Modell, das wir zu lange als ganz selbstverständlich erachtet haben und für dessen Schutz wir deswegen zu wenig Sorge tragen. Es muss geschützt werden (…). Dazu brauchen wir eine glaubwürdige Abschreckung. (…) Das westlich-individualistische Modell von Freiheit und Marktwirtschaft muss aber auch geschützt werden vor innerer Aushöhlung.


Neue Zürcher Zeitung, 30. Dezember 2022

Die Politik der Staaten müsse "den Wettbewerb verteidigen" und "sich auf Aufgaben wie Grenzsicherung, Handels- und Klimapolitik, Migrations- und eventuell dereinst Verteidigungspolitik konzentrieren".

Infolge dieser Meinungsmache verzeichnet die Propaganda für die Hochrüstung, die Militarisierung und auch für die Nuklearstrategie der Nato in der Bevölkerung immer größere Erfolge. In Deutschland gab es im vergangenen Jahr laut einer Umfrage erstmals eine knappe Mehrheit für den Verbleib von Atomwaffen in der Bundesrepublik, auch wenn sich direkte Anwohner des Fliegerhorsts, auf dem sie stationiert sind, umso stärker gefährdet fühlten.

Wenigstens erwähnt der NZZ-Artikel die Ökologiethematik, wenn auch nur als dritten Punkt von fünf. Damit ist die Gefahr verbunden, die Neu-Kalibrierung der Schwerpunkte der globalen Politik ohne die Priorität der Bewahrung der Lebensgrundlagen vorzunehmen. Das kann dazu beitragen, das Pariser Klimaziel zu verfehlen, zumal die Rüstungsindustrie energieintensiv ist und bei Militärmanövern große Mengen Treibstoff verbraucht werden.

Die Regierungen der Staaten der Welt geben mit mehr als 2.100 Milliarden US-Dollar pro Jahr stündlich rund 250 Millionen für den Militärsektor aus. Die damit verbundene CO2-Belastung der Atmosphäre rechnen die Staaten auf Intervention der USA hin aus ihren Klimaberichten heraus.

Die Militärs und ihre Lobby haben ganze Arbeit geleistet. In den zurückliegenden Jahrzehnten sahen sie das "Problem", dass "große Teile der Bevölkerung wie der Medien" eine "ausgesprochen kritische Haltung gegenüber allem, was mit Streitkräften und Kriegswaffen zu tun hat", einnähmen, wie es im Mai 2015 im "Behörden Spiegel", der auflagenstärksten Zeitung für den Öffentlichen Dienst in Deutschland, hieß.

Was es mit feindlich eingestellten "Einheiten" auf sich hat

Aus diesem Grund organisierte die Nato-Strategieschmiede Joint Air Power Competence Centre 2015 in Essen – weitgehend ohne überregionales Presse-Echo eine hochrangige Nato-Konferenz zur "Strategischen Kommunikation", in deren Einladungsschreiben die Organistoren befanden, es gebe "Einheiten" ("entities"), die der Nato gegenüber feindlich ("hostile") eingestellt seien, da sie geschickt die Unterstützung der Bevölkerung für "Operationen" der Militärs untergraben.

Mit "Entities" meinen die Militärs keine rivalisierenden oder feindlichen Staaten, sondern Kräfte im eigenen Land, die die Bevölkerung beeinflussen. Damit nimmt die Nato die Friedensbewegung ins Visier.

Letztere hatte mit Protesten gegen die Wiederbewaffnung wenige Jahre nach dem Ende des Faschismus, gegen die Pläne der CDU und CSU, die Bundeswehr nuklear aufzurüsten, gegen die Kriegsführung der USA in Indochina (Vietnam, Laos, Kambodscha), gegen die Aufstellung nuklearer Enthauptungswaffen (Pershing II und Cruise Missile) in Europa und vor allem in Deutschland, den Balkan-, den Irak- und den Afghanistan-Krieg die öffentliche Meinung über lange Zeit stark beeinflusst.

Seit ihrer Essener Konferenz im Jahr 2015 haben die Propagandisten der Militärs jedoch ganze Arbeit geleistet – dazu zählt auch, dass sie ein Zentrum zur Strategischen Kommunikation in Riga aufgebaut haben.

Während der Konferenz hatten sie die Grundlagen für die Beeinflussung der Öffentlichkeit erarbeitet, die auch als Vorbereitung der Arbeit des Rigaer Zentrums dienten. Strategische Kommunikation unterscheidet sich von einfacher menschlicher Kommunikation dadurch, dass diejenigen, die sie anwenden, ihr Gegenüber in eine bestimmte Richtung so widerstandsarm wie möglich beeinflussen wollen – also am besten so, dass die Beeinflussten es nicht bewusst wahrnehmen.