Streamingdienste: Die Rückkehr der Stoppschild-Ritter

Seite 2: CUII: Private Ermächtigung zur Zensur

Wie bei den Stoppschildern setzt man dazu auch 2021 wieder auf Sperren im Domain-Name-System, also der Namensauflösung im Internet – ein völlig unzulängliches Mittel. Die CUII erklärt:

Der Internetzugangsanbieter leitet die Anfrage der Nutzerinnen und Nutzer auf eine Informationsseite der CUII um, auf der sie Hinweise zur Sperre erhalten. Ein Antrag auf Umsetzung einer DNS-Sperre bei der CUII ist möglich, wenn die Unterbindung der Urheberrechtsverletzung durch die Inanspruchnahme des Betreibers der verletzenden Webseite oder dessen Hosting-Dienstes erfolglos geblieben ist oder erkennbar keine Aussicht auf Erfolg hat.

Aus der Presseerklärung der CUII anlässlich ihrer Gründung

Hinter der so ermächtigten CUII steht laut FAZ eine Allianz aus Providern, Unternehmen und Verbänden aus der Musik-, Film-, Sport- und Verlagsbranche. Der Gesetzgeber überträgt dabei gerichtliche Arbeit und Befugnisse auf Interessensvertreter einer mit finanziellen Interessen in die Thematik verstrickten Partei. Befangenheit? Egal. Die Politikerin Julia Reda nennt das "private Netzsperren ohne Gerichtsbeschluss.

Ebenfalls moralisch fragwürdig ist die Finanzierung: Teuere, technisch unwirksame Institutionen werden bezahlt aus den Geldern die eigentlich den Kreativen zustünden. Denen hat die Branche bereits Milliarden vorenthalten weil sie seit Mitte der Neunziger erfolglos Strategien des 20. Jahrhunderts auf das Internet anzuwenden versucht. Dazu gelernt hat man nicht, aber das Angebot an illegalen Downloads wurde nur immer einfacher, schneller, professioneller und bekannter, die unwirksamen Sperren sind der jüngste Schachzug.

Der Zensur entgehen

Jeder sicherheitsbewusste Anwender und jeder Admin der es mit dem Datenschutz ernst meint, sollte schon lange nicht mehr den Domain Name Server (DNS) seines Providers nutzen, wer das (noch) tut weiß es in der Regel schlicht nicht besser. Allzu bekannt sind deren Eingriffe in den Internettraffic, allzu häufig verursachen gerade die Content Filter Ausfälle und Verzögerungen am Internetanschluss. Wer nur auf Geschwindigkeit setzt, hat schon lange Googles DNS-Server eingetragen (beispielsweise 4.4.4.4 oder 8.8.8.8).

Wem das nicht geheuer ist, der nutzt OpenDNS, beteiligt sich vielleicht sogar mit einem eigenen DNS-Server daran oder stellt in seinem Browser das stets empfehlenswerte, weil verschlüsselte DNS over HTTPS (DoH) ein. Der auf Sicherheit und Datenschutz getrimmte Brave-Browser hat das beispielsweise bereits standardmäßig aktiviert. Alle die das bereits machen, sind von den Fake-Sperren außen vor und merken von den Aktionen der CUII nichts.

Lobbys, Aktionismus, Börsenvereine

Diese Vorgehensweisen haben eins gemeinsam: Sie nutzen nicht die Server, die das CUII sperren kann, und die Server, die so benutzt werden, kann das CUII nicht sperren. Die Sperren, die die Konzerne aus der Urheberrechtsbranche jetzt wieder einmal promoten, mit Rückenwind der Politik, funktionieren gewissermaßen wie ein Verbot, auf die Hausnummern in einer Straße zu schauen, wo ein Laden illegale Waren verkauft. Das Verbot existiert nur, weil die Exekutive dabei versagt, den Laden zu schließen. Wie Kinderpornos sind die illegalen Inhalte doch nicht weg, nur weil sie die CUII nicht mehr sieht – im Gegenteil.

Die Rechteinhaber interessiert das nicht, man kippt weiter Geld in das Fass ohne Boden. Vor einem Jahr begann etwa das Insolvenzverfahren gegen die GVU. Jetzt aber hilft die Politik der CUII die Gerichtskosten zu vermeiden, daher droht der CUII dieses Schicksal wohl eher nicht. Ein Grund zum Jubeln für Nadja Kneissler, Vorsitzende des Verleger-Ausschusses des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Ja, Bücher.

Das soll aber nach Informationen der FAZ erst der Auftakt sein für "eine ganze Reihe von Sperren, die sich in den kommenden Monaten durch das Internet ziehen werden und Internetseiten treffen wird, die ganz offenkundig und ungeniert ihr Geschäft mit Urheberrechtsverletzungen machen – was weit über das reine Streaming hinausgehen kann."

Hier wird fremdes Geld verbrannt, Geld von denen, die unsere Hilfe derzeit dringend bräuchten: Die Kulturschaffenden. Die werden ausgebeutet, damit Konzerne die Grundrechte aller einschränken können, in Kampagnen ohne Aussicht auf Erfolg. Auch von Bürgern, die brav ihre fünf oder sechs Streamingdienste pro Monat bezahlen, von denen ja nur ein paar Cent bei den Künstlern landen.

Hydra oder Streisandeffekt?

Die Aussichtslosigkeit des Vorhabens zeigte sich in der Vergangenheit immer wieder, so auch am Beispiel von Webseiten wie Kino.to und seinen Nachfolgern mit anderen Endungen. Kino.to in seinen diversen Manifestationen ist im Internet so etwas wie "die rechte Hand Bin Ladens", allerdings im Krieg der Contentmafia mit den Kunden der Lizenzvermarkter.

Zigmal totgesagt, lebt das Portal immer weiter, und geht bereits in ihr dreizehntes Jahr. Die vielen "Abschaltungen" erwiesen sich nicht nur als Schuss in den Ofen, sie verursachten durch den Streisandeffekt "mehr neue Probleme als sie alte löste"1. Ganze 14 neue Portale entstanden durch die harte Vorgehensweise der Verwerter, die daraus scheinbar nichts gelernt haben. Selbst dass Programmierer und Admins im Gefängnis landeten, hatte nicht die erhoffte abschreckende Wirkung.

Absurd und beratungsresistent

Vollends absurd wird die Vorgehensweise, wenn man sich die Zahlen der legalen Streamingdienste ansieht. Die legen immer weiter zu, übertreffen die illegalen Downloads und Streams schon lange. Nur die Verwerterindustrie selbst kann sich hier ein Bein stellen. Und genau das macht sie gerade bereitwillig, nicht nur weil Serienfans eben auf den illegalen Portalen ihre Lieblingsserien schneller und oft auch in besserer Qualität finden als auf der verwirrenden Vielfalt von legalen Diensten.

Wer heute beispielsweise "The Expanse" auf Linux nicht nur in 720p mit Mpeg-Artefakten anschauen will, der zahlt zwar bei Amazon, die 4K-Versionen findet er aber dort nicht.

Eigentlich ist doch alles klar: Die Argumente aus Technik, Politik, Moral und Usability lassen sich nicht widerlegen. Warum also braucht es Institutionen wie die CUII? Weil die Konzerne lange schon auf einem Kreuzzug sind und es nicht besser wissen.

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