Studie: Lieferengpässe kosteten Industrie Milliarden an Wertschöpfung
Die deutsche Industrie steht unter Druck und ein Grund dafür sind gestörte Lieferketten. Die Coronapandemie und Folgen von geopolitischen Konflikten machen das deutlich. Was Experten raten.
Eine weltweit vernetzte Produktion ist von intakten Lieferketten abhängig. Sind sie gestört, kann es für eine Volkswirtschaft teuer werden. Eine aktuelle Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung unterstreicht den Befund.
Die deutsche Industrie ist auf viele Vorprodukte angewiesen, die im Ausland produziert werden. Wegen Lieferengpässen musste sich deshalb in den vergangenen Jahren erhebliche Einbußen hinnehmen. Von Anfang 2021 bis Mitte 2022 konnten Güter im Wert von knapp 64 Milliarden Euro nicht hergestellt werden, weil Vorprodukte fehlten.
Besonders stark traf es demnach in Autoindustrie. Deren Wertschöpfung sei um knapp 31 Milliarden Euro geringer ausgefallen, schreiben die Forscher. In dieser Branche zeigt sich eindrücklich, dass ein Großteil der Wertschöpfung verloren gehen kann, weil einige Komponenten fehlen.
In diesem Fall waren es vor allem Halbleiter, die nicht verfügbar waren. Ihr Fehlen hat einen Verlust in der Wertschöpfung verursacht, der etwa das Zehnfache des Werts der fehlenden Bauteile bedeutete.
Dennoch konnten die deutschen Automobilkonzerne üppige Gewinne einfahren. Der Studie zufolge lag das primär daran, dass man sich bei der Produktion auf teurere Fahrzeuge mit höherer Gewinnmarge konzentrierte und höhere Preise durchsetzen konnte.
Gleichwohl hätte das deutsche Bruttoinlandsprodukt Ende 2021 um 1,2 Prozent und Mitte 2022 um 1,5 Prozent höher gelegen, wenn sämtliche Neuaufträge, die die Industrie in Deutschland ab Jahresbeginn 2021 erhalten hat, hätten abgearbeitet werden können.
IMK-Studie
Der Umfang der Ausfälle verdeutlicht den Studienautoren zufolge: Die deutsche Industrie ist bislang in einer Form in internationale Lieferketten eingebunden sei, die in weltwirtschaftlichen Stresssituationen alles andere als optimal ist.
Nach dem Ende der Beschränkungen aus der Coronapandemie hätte die wirtschaftliche Erholung stärker ausfallen können – wenn es nicht zu Lieferengpässen gekommen wäre. Das untermauere, schreiben die Forscher, dass "der Resilienz der Lieferkette künftig zulasten der Kosteneffizienz ein höheres Gewicht beizumessen" sei.
Gemeint ist damit: Eine umfangreichere Lagerhaltung sowie Diversifikation und Nachhaltigkeit der Bezugsquellen. Und vor allem China haben die Forscher mit ihren Ratschlägen im Blick. Denn die anhaltende Null-Covid-Strategie und der Konflikt um Taiwan könnten neue Lieferengpässe nach sich ziehen, zumal Taiwan ein international bedeutender Halbleiterstandort ist.
Die deutsche Industrie hat das Notwendige erkannt und verstärkt die Lagerhaltung, ergab kürzlich eine Umfrage des Münchner ifo-Instituts. Demnach haben 68 Prozent der befragten Unternehmen bereits ihre Lager vergrößert. 65 Prozent haben sich zusätzliche Lieferanten gesucht und 54 Prozent überwachen ihre Lieferkette besser als bisher.
Je nach Größe der Firma fällt auch der Schwerpunkt des Engagements aus. Vor allem kleine und mittlere Unternehmen setzen auf eine größere Lagerhaltung. Große Unternehmen setzen stattdessen auf neue Lieferanten und eine stärkere Überwachung der Lieferketten. Die Produktion zurück ins eigene Unternehmen holen, kommt nur für eine Minderheit infrage; lediglich knapp jedes achte Unternehmen setzt darauf.
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