Dunkelflaute treibt Strompreise in Europa in die Höhe

Ansicht einer Windkraftanlage von unten

"Dunkelflaute" lässt Strompreise klettern: Wenn wenig Wind weht und die Sonne nicht scheint, wird Strom knapp und teuer. Experten warnen vor Versorgungslücken.

Noch merken die europäischen Verbraucher nicht viel von den steigenden Strompreisen, aber das könnte sich bald ändern. Mit der Zunahme von Wind- und Solarstrom im Energiemix werden Preissprünge wahrscheinlicher.

Laut einer Analyse von AleaSoft Energy Forecasting sind die durchschnittlichen Strompreise in den meisten großen europäischen Märkten in der vergangenen Woche gestiegen, berichtet das pv magazin. Auch Bloomberg weist auf die steigenden Preise hin.

Rekordpreise trotz milder Temperaturen

Besonders stark war der Anstieg in Deutschland und den Niederlanden, wo die Preise am 4. November Spitzenwerte von 290,21 Euro/MWh und 269,76 Euro/MWh erreichten. Auch in Großbritannien stieg der Strompreis auf den höchsten Stand seit Dezember 2022. In Frankreich wurde mit 160,54 Euro/MWh der zweithöchste Preis des Jahres verzeichnet.

Und das, obwohl das Wetter in weiten Teilen Europas derzeit relativ mild ist. Normalerweise steigen die Strompreise hauptsächlich dann, wenn eine hohe Nachfrage auf ein knappes Angebot trifft – etwa bei einer Kältewelle im Winter. Doch dieses Mal sind es nicht die Temperaturen, die den Strommarkt durcheinanderwirbeln.

"Dunkelflaute" legt Schwächen des Stromsystems offen

Verantwortlich für die Preissprünge ist vielmehr das Phänomen der "Dunkelflaute" – eine Zeit, in der kaum Solar- oder Windenergie produziert werden kann, weil es dunkel und windstill ist. Genau das war in der vergangenen Woche der Fall.

"Der Mangel an Wind bedeutet, dass die Region in dieser Heizperiode den bisher größten Rückgang ihrer Gasreserven erlebt hat", heißt es bei Bloomberg. Um die Versorgung zu sichern, müssen dann teure fossile Brennstoffe wie Gas oder Kohle einspringen.

Das Beispiel Deutschland macht die Dimension deutlich: An den stürmischsten Tagen speisen hierzulande Windräder mehr als 49 Gigawatt ins Netz ein. Am vergangenen Mittwoch wurde nur ein Prozent dieses Rekordwertes erreicht. Gaskraftwerke mussten einspringen – zu hohen Kosten.

Flexibilität und Speicher als Lösung

Experten sehen darin eine große Herausforderung für die Energiewende. Denn mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien wird das Stromsystem anfälliger für Schwankungen. "Der Weg zur Netto-Null erfordert mehr als die schnelle Einführung erneuerbarer Energien", sagt Pranav Menon von Aurora Energy Research gegenüber Bloomberg.

Um Versorgungslücken zu vermeiden, seien hauptsächlich Flexibilität und Speicherkapazitäten nötig. Doch der Ausbau hinkt hinterher: Während in Deutschland 2023 rund 3.600 Megawatt an Windkapazität hinzukamen, waren es laut BloombergNEF nur 80 Megawatt an Batteriespeichern.

Ist die Versorgungssicherheit in Gefahr?

Angesichts dieser Gemengelage bezeichnete Menon die Gewährleistung der Versorgungssicherheit als "Herausforderung". Denn eine konstante und planbare Stromerzeugung werde nicht immer genutzt oder vergütet.

Einige Länder gehen bereits neue Wege, um dem entgegenzuwirken. So gibt es in Großbritannien einen Kapazitätsmechanismus, der Kraftwerke dafür bezahlt, dass sie verfügbar bleiben. Auch Deutschland plant die Einführung eines ähnlichen Systems. Experten sind sich jedoch einig, dass die Energiewende ohne den massiven Ausbau von Speichern nicht gelingen wird.

Bis dahin werden die europäischen Verbraucher wohl noch häufiger mit Preissprüngen rechnen müssen – immer dann, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.