Supercooler Satellit eröffnet neue Einblicke ins Universum
ISO, das Infrared Space Observatory, beendet seine erfolgreiche Mission
Europäische Wissenschaftler präsentierten gestern, am 7.April 1998, in London eine neue Sicht des Universums, die durch die Arbeit des Infrared Space Observatory (ISO) der Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA) ermöglicht wurde. Seit seinem Start im Jahr 1995 hat ISO Sterne, Galaxien, Schwarze Löcher, sowie Wasser in den Wüsten des Weltalls entdeckt, Dinge die von anderen Beobachtungsstationen, wie dem Hubble Teleskop, nicht gesehen werden konnten.
Zuletzt hatte ISO Wasserdampf in der Atmosphäre des Saturn-Mondes Titan entdeckt. Das ist für die Cassini-Huygens Mission zum Saturn von Bedeutung, die im letzten Jahr begonnen hat und die auch die primitive Atmosphäre des Titan untersuchen wird, von der es heißt, sie würde der Atmosphäre der jungen Erde ähneln.
Eine andere erstaunliche Entdeckung, die durch ISO ermöglicht wurde, betrifft Centurus A, ein flaches Staubband, das zu den stärksten Quellen kosmischer Radiowellen im Universum zählt. ISO zeigt uns, daß es sich dabei um einen galaktischen Verkehrsunfall handelt, wobei zwei Galaxien zusammenstossen. Im Zentrum einer der beiden Galaxien befindet sich ein gigantisches Schwarzes Loch, von dem Zwillingsstrahlen von Elektronen ausgehen.
Roger Bonnet, Leiter der Wissenschaftsabteilung der ESA, nutzte die Gelegenheit, um das innovative Profil seiner Behörde zu unterstreichen. Er sagte, ESA würde nur Projekte machen, die ihrer Art nach einzigartig sei. Nachdem die NASA bereits alle Arten von Projekten durchführen würde, die möglich erschienen, bliebe ESA nunmehr, das Unmögliche zu versuchen.
Doch abseits solcher scherzhafter Bemerkungen war der Augenblick des Triumphs auch ein Augenblick der Trauer. Die Beobachtung des kalten Universums erfordert sehr kalte Instrumente, die bei Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt, minus 273° Celsius, funktionieren. Diese niedrigen Temperaturen zu erhalten, ist die Aufgabe eines mit flüssigem Helium arbeitenden Kühlsystems an Bord von ISO, das vor dem Start mit 2286 Liter superflüssigem Heliums gefüllt worden war. Dieses Kühlsystem macht ISO zu einem der kältesten Objekte im Universum. ISOŽs Lebenszeit ist vom Vorhandensein von Helium abhängig, und dieses wird im Laufe des Monats April 1998 zu Ende gehen.
ISO ist jedoch nicht nur ein wissenschaftlicher, sondern auch ein technischer Erfolg. Die geplante Laufzeit von 18 Monaten konnte auf 28 Monate erweitert werden, so dass ISO in dieser zusätzlichen Zeitspanne die Zahl der beobachteten Objekte von 16.000 auf 26.000 steigern konnte.
Einer der Vorteile, der aus ISOŽs Langlebigkeit erwachsen ist, war die Möglichkeit, einen wichtigen Bereich des Universums in und um das Sternbild Orion zu beobachten. Hinter dem kosmischen Staub, der den sogenannten "Pferdekopf-Nebel" bildet, konnten bisher unerkannte junge Sterne entdeckt werden.
Die primäre Quelle von Infrarotstrahlung ist Hitze, oder besser thermische Abstrahlung. Auch solche Objekte, von denen wir denken, sie seien "kalt", wie z.B. Eis, geben Infrarotstrahlung ab. Aus diesem Grund kann ISO, das mit Wellenlängen zwischen 2.5 und 240 Mikron arbeitet, astronomische Objekte erkennen, die optischen Teleskopen (Hubble) verborgen bleiben: Kalte Objekte, die kein sichtbares Licht abgeben, undurchsichtige Staubnebel (wie der Pferdekopf), die ihren Inhalt normalerweise verbergen.
Instrumente und ihre Funktion
Die wissenschaftlichen Instrumente wurden von multinationalen Teams, geführt von Gruppen in Frankreich, Deutschland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich, entwickelt.
Ein einzelnes Teleskop mit einem Durchmesser von 0.6 Metern führt mittels eines pyramidenartig aufgebauten Spiegels die Infrarotstrahlung den vier Instrumenten zu.
Die Infrarotkamera (ISOCAM) deckt den Bandbreitenbereich von 2.5 bis 17 Mikron ab. Sie kann mit einem normalen Photoapparat verglichen werden, die Bilder von der "Infrarotform" astronomischer Objekte in hoher Auflösung macht. (CEN-SACLAY, Frankreich)
Das Photopolarimeter (ISOPHOT) spürt die Menge der Strahlung auf, die von einem Objekt ausgesandt wird. Der große Bereich der Wellenlängen, den es erfassen kann (2.5 bis 240 Mikron), ermöglicht es, Objekte zu "sehen", die so kalt sind wie jene Staubwolken, die sich zwischen Galaxien befinden. (MPI für Astronomie, Heidelberg)
Das Langwellen-Spektrometer (LWS) arbeitet im Bereich zwischen 45 und 196.8 Mikron. Es ist besonders nützlich, um die physikalischen Bedingungen zu erforschen, die in sehr kalten Staubwolken zwischen den Sternen herrschen. (Queen Mary und Westfield College, London, UK)
Das Kurzwellen-Spektrometer (SWS) arbeitet im Bereich von 2.5 bis 45 Mikron. Eine seiner Aufgaben ist es, die chemische Zusammensetzung von Zielobjekten herauszufinden, ebenso wie in welchem Phasenzustand sich diese befinden und welche Dichte sie aufweisen. (Lab. for Space Research, Groningen, Niederlande)
ISO wird vom "Science Operations Centre" in Villafranca, Spanien, aus kontrolliert. Dort wurden auch die Zeitpläne für einzelne Beobachtungsvorhaben ausgearbeitet. Um für die Wissenschaft den größten Nutzen zu erzielen, muß ISO jedoch immer mit einer Bodenstation verbunden sein. Die NASA-Station in Goldstone, USA, kontrolliert ISO, wenn es durch die Erdumdrehung von Villafranca aus unerreichbar ist.
Die Entdeckungen, die bislang präsentiert wurden, repräsentieren nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was noch entdeckt werden kann. Terrabytes von Daten warten nun in Villafranca darauf, archiviert und der wissenschaftlichen Welt zur Verfügung gestellt zu werden. Mehr als 1000 Astronomen in über 1200 Forschungsprojekten werden den von ISO bereitgestellten Datenpool in den nächsten Jahren analysieren.
Wenn die operative Phase von ISO demnächst zu Ende sein wird, wird es nicht seinen gesamten Treibstoff verbraucht haben. Der verbliebene Treibstoff wird benutzt werden, um ISO in eine niederere Erdumlaufbahn zu bringen. Damit ISO nicht zu einem Stück nutzlosen und gefährlichen Weltraumschrotts wird, wird es so knapp an die Erde herangebracht werden, daß es irgendwann am Beginn des nächsten Jahrtausends bei Eintritt in die oberen Schichten der Erdatmosphäre verglühen wird.
Die Zukunft der Infrarot-Teleskope
Der Wert einer wissenschaftlichen Mission liegt nicht nur in den Ergebnissen, die sie bringt, sondern öfter noch in den Fragen, die sie aufwirft. ISO hat gezeigt, daß eine Methode allein, den Weltraum zu beobachten, nicht ausreicht, ja vor allem auch, dass sich die Methoden gegenseitig ergänzen. Dies konnte sehr schön bei Beispielen beobachtet werden, wo von Hubble beobachtete Weltraumausschnitte mit Aufnahmen von ISO zur Überlagerung gebracht wurden. Neue Infrarotobservatorien sind daher bereits in Vorbereitung.
Die NASA will im Dezember 2001 ein neues Infrarot-Teleskop, Space Infrared Telescope Facility (SIRTF) in den Orbit schicken. ESA bereitet den Start des Far Infrared and Submillimeter Telescope (FIRST) für das Jahr 2005 vor.
Mit diesen neuen Instrumenten wird man noch tiefer in die Weiten des Universums blicken können, zugleich aber auch tiefer in die Geschichte des Universums. Man erhofft sich damit der Lösung vieler Fragen näher zu kommen, etwa bezüglich der Entstehung von Sternen und der fortwährenden Ausweitung des Universums seit dem Big Bang oder der Beschaffenheit der (dunklen) Materie.
Auch wenn wir, das Erdenpublikum, bezüglich der Präsentation neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, die in immer kürzeren Abständen auf uns einprasseln, immer "cooler" werden, so bergen gerade diese Forschungsgebiete, die von der physikalischen Beschaffenheit des Universums handeln, eine besondere Faszination in sich. Das Vorhandensein von Wasser in sehr feiner Verteilung in den Staubmänteln von Sternen und Galaxien gibt Spekulationen um extraterrestrisches Leben erneuten Auftrieb (auch wenn sich die anwesenden Physiker diesbezüglich - naturgemäß möchte man sagen - sehr vorsichtig äußerten). Die Prozesse, die von ISO beobachtet werden, auch wenn sie sich über sehr lange Zeiträume hinziehen, lassen das Universum als alles andere denn eine Ansammlung toter Materie erscheinen, sondern vielmehr beinahe wie einen lebendigen Organismus - Wissenschaftler mögen diesen Vergleich verzeihen - der sich dauernd in Bewegung und Veränderung befindet und in dem noch viele Entdeckungen zu machen und Rätsel zu lösen sein werden.
Für weitere Informationen auf dem neuesten Stand, eine Vielzahl von ISO-Bildern und sogar Videoclips möchten wir Sie auf die ISO-Homepage verweisen.