"Swiss Made"
Schweizer Design zwischen nationaler Identität und internationalem Gütesiegel
Noch bis zum 16. April zeigt das Museum für Angewandte Kunst in Köln einen Überblick über aktuelles Schweizer Design. Neben Exponaten, die kraft ihrer einzigartigen Funktionalität zeitlos sind, werden in Köln vor allem Gebrauchs- und Alltagsgegenstände helvetischer Machart aus den vergangenen fünf Jahren gezeigt.
Nicht etwa "Made in Switzerland" ist auf der Prägung oder der Lasche eines in der Schweiz gefertigten Produktes zu lesen, sondern "Swiss Made". Dieses übliche Label weist darauf hin, dass nicht wie bei anderen Ländern auf die geografische Herkunft, sondern auf die Art und Weise der Herstellung hingewiesen werden soll. Angesichts der zunehmenden Bedeutungslosigkeit nationalstaatlicher Grenzziehung, zumindest was die wirtschaftliche Produktion betrifft, löst heutzutage ein "Made in Portugal" Skepsis aus und lässt umgehend den Verdacht aufkommen, dass - wenn überhaupt - nur die Endfertigung in Europa vorgenommen wurde. Solcherlei Zweifel kommen bei "Swiss Made" kaum auf. Denn auf eine helvetische Art und Weise kann auch produzieren, wer nicht im Besitz eines Schweizer Passes ist. Exemplarisch dafür stehen in der Ausstellung in Köln die helvetischen Designklassiker wie etwa der Sparschäler "Rex", der in jedem Schweizer Haushalt anzutreffen ist.
Erfunden wurde das formvollendete Küchengerät vor etwas mehr als 50 Jahren von einem polnischen Emigranten Namens Alfred Neweczeral. Ein anderes Beispiel aktuelleren Datums ist Nicolas Hayek, Erfinder der Plastikuhr Swatch, die in den 80er Jahren der darniederliegenden Uhrenindustrie zu neuem Schnauf verholfen hat und weltweit als Schweizer Erzeugnis schlechthin gilt. Hayek selbst stammt aus dem Libanon. In diesem Zusammenhang spricht der Soziologe Köbi Gantenbein, Chefredakteur der Architekturzeitschrift "Hochparterre" von einer "kreolischen Vielfalt" und meint damit die Schweiz als multikulturellen Melting Pot: Im letzten Jahrhundert wurde im Rahmen der großen Auswanderungswellen Know How in die USA, Russland und Australien exportiert, mit der klassischen Arbeitsmigration seit Anfang des 20. Jahrhundert "brachten und bringen die Einwanderer technische und gestalterische Heldentaten mit ins Land oder entfalten sie hier", so Gantenbein weiter.
Trotz - oder gerade wegen - dieser vielfältigen Einflüsse hat sich ein wieder erkennbares Schweizer Design entwickelt. "Design" nicht verstanden als verkaufsförderndes Attribut, sondern als Art und Weise etwas zu gestalten; und dies gilt nicht nur für die landläufig mit Design assoziierten Produkte wie Einrichtungsgegenstände, sondern auch für weniger augenfällige Erscheinungsformen eines klaren Gestaltungswillens, wie er sich etwa in baulichen Vorschriften manifestiert. Gantenbein geht gar so weit von der Schweiz als "durchkomponiertes ästhetisches und politisches Programm" zu sprechen.
Was in Köln im Rahmen der Ausstellung "Swiss Made" gezeigt wird, sind bis auf einige wenige Designklassiker, wie der oben erwähnte Sparschäler, ausschließlich Objekte, die in den letzten fünf Jahren entworfen oder hergestellt wurden. Das "ästhetische Programm" manifestiert sich also anhand der aktuellen gestalterischen Befindlichkeit der Alpenrepublik. Obwohl damit ganze Epochen außen vor gelassen werden, reichen die Exponate, um die Charakteristika des Schweizer Designs zu repräsentieren. Bei einem Blick über die südliche Landesgrenze entdeckt Gabriele Lueg, Kuratorin für Design am Kölner Museum für angewandte Kunst eine "hohe Qualität und Ästhetik", die "gute Verarbeitung der Produkte" und eine "wohltuende Schlichtheit, gepaart mit vielfach exklusiver Ausstrahlung". Exemplarisch für diese Beschreibung steht das aktuelle Schweizer Möbeldesign. Voraussetzung für den Aufschwung des helvetischen Möbelgestaltens waren günstigere Rahmenbedingungen, wie sie im Ausbildungsbereich und als Fördermaßnahmen von staatlicher und privatwirtschaftlicher Seite ab Mitte der 80er Jahre geschaffen wurden. Als endogener Faktor wirkte der Zusammenschluss von 21 kleinen und mittleren Möbel- und Leuchten-Betrieben zum "Forum kreativer Fabrikanten", die bei Messen und Ausstellungen fortan gemeinsam auftraten.
Zusammenschlüsse in dieser Form lösten einander in den vergangenen 15 Jahren mehrfach ab; übrig geblieben ist die "design arena schweiz" -d.a.ch. Stilistisch geprägt ist das aktuelle Schaffen von einer "Minimal Tradition", die sich von den gestalterisch expressiven 80er Jahren abwendet und sich wieder jener Einfachheit zuwendet, die bereits im vorletzten Jahrhundert das Aussehen von Schweizer Produkten geprägt hatte. Die Objekte bestechen durch ihre Funktionalität, die sich im Grenzbereich zwischen Arbeits- und klassischem Wohnumfeld bewegen. Stichwort: Loft. Beispielgebend dafür ist das Bürosystem USM-Haller, das zwar an der "Swiss Made" in Köln kein Exponat präsentiert, jedoch für zahlreiche Möbelgestalter Vorbild war. Ein weiterer Bereich mit einer überaus langen Schweizer Tradition ist die Grafik. "Helvetica" ist allen, die einen Computer auch nur als Schreibmaschine benutzen, ein Begriff. Die "Swiss Typography" der 60er Jahre mit Namen wie Adrian Frutiger oder Max Miedinger, als Schöpfer der Fonts Univers und Helvetica, wirkten epochal und stilbildend.
Inzwischen findet eine Rückbesinnung auf die sogenannte Neue Grafik statt und äußert sich bei den Arbeiten der jüngeren Schweizer Grafiker, sie nähern sich den Vorvätern aus einer Distanz, die sich primär in den neuen Möglichkeiten der elektronischen Bearbeitung von grafischen Arbeitens ausdrückt. Beispiel dafür sind etwa die weltweit angesehenen Schriften des Berner Grafikkollektivs Büro Destruct , die ihre helvetischen Wurzeln mit Einflüssen aus aller Welt dekonstruieren und neu zusammensetzen. Anderes Beispiel ist der 30 jährige François Chalet, der den Umgang mit seiner Herkunft auf eine ganz spezielle Art und Weise pflegt. Als langjähriger Hausgrafiker der politisch äußerst einflussreichen "Gruppe für eine Schweiz ohne Armee" hat Chalet das Negativimage der Schweizer Armee wesentlich mitgeprägt. Den assoziativen Reflex "Armee = (heilige) Kuh = schlachten", ist den vielfältigen grafischen Variationen Chalets mit dem Wiederkäuer zu verdanken. Unter allgemeineren Vorzeichen kann man in der "heiligen Kuh" sogar metaphorischen Vorbildcharakter für das gesamte Schweizer Designschaffen sehen.
So wie die umfangreichen militärischen Befestigungsanlagen die Schweizer Topografie mancherorts maßgeblich "designt" haben und durch die geopolitischen Umwälzungen Panzersperren und Wassergräben nun ihrer ursprünglichen Funktion beraubt und zu ökologischen Nischen geworden sind, so kann auch das helvetische Design charakterisiert werden: Eine eigenständige Kontinuität mit nationalen Spezifika, die sich im Wandel der Zeit und insbesondere im letzten Jahrzehnt verstärkt internationalen Einflüssen geöffnet hat, dem geschulten Auge aber immer noch unverkennbar als "Swiss Made" entgegentritt.