Syrien: Kampf ums letzte Ölfeld

IS versucht, Dschasal zu erobern

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Gestern meldete die in London ansässigen Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) habe das östlich von Homs und nordwestlich von Palmyra gelegene Ölfeld Dschasal erobert - die letzte größere Förderstätte, die nicht von kurdischen Separatisten oder salafistischen Terroristen, sondern von der syrischen Regierung kontrolliert wurde.

Talal al-Barazi, der Gouverneur der Provinz Homs, dementierte diesen Bericht heute: Ihm zufolge besetzte der IS am Samstag fünf Stellungen in der Nähe der Förderstätte, musste diese aber inzwischen wieder aufgeben. Sollte dieses Dementi zutreffen, muss das nicht heißen, dass der IS die Eroberung der Ölquelle aufgibt: Sie würde den Dschihadisten nämlich keinen bloßen Gebietsgewinn, sondern auch erhebliche finanzielle Erträge bringen: Immerhin deckten Öl- und Gaseinnahmen in den Nuller Jahren ein Fünftel bis Viertel des syrischen Staatshaushalts.

Rohöl aus dem Nahen Osten. Foto: Glasbruch2007. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Das US-Schatzamt schätzte vor einem knappen Jahr, dass mit den damals vom Terrorkalifat kontrollierten elf größeren Ölquellen in Syrien und im Irak Erlöse in Höhe von etwa einer Million US-Dollar täglich erwirtschaftet werden. Dass sich das Schatzamt (wie es selbst zugibt) dabei kaum auf belastbare Zahlen stützen konnte, darauf weist bereits die recht runde Summe hin. Analysten aus Dubai und Luay al-Khatteeb vom Think Tank Brookings Institution gingen im Herbst 2014 von bis zu drei Millionen Dollar täglich aus.

Wie viel mit den Ölquellen tatsächlich verdient wird, weiß wahrscheinlich nur die Führung der Terrorgruppe - wenn überhaupt. Das Öl wird nämlich nicht offiziell exportiert, sondern mit Tanklastzügen und unter Beteiligung von Berufsverbrechern illegal in die Türkei geschmuggelt und dort für 25 bis 60 Prozent des regulären Preises verkauft. Dieser reguläre Preis lag im Juni 2014 bei 106 Dollar pro Barrel - heute liegt er unterhalb von 50 Dollar, was sich auch auf die Einnahmen des IS auswirken dürfte.

Hinzu kommt, dass sich nicht genau sagen lässt, welche Förderstätten durch Luftschläge so beschädigt sind, dass sich derzeit nicht ausbeuten lassen, und in welcher Größenordnung es dem IS gelang, geflohene oder getötete Techniker durch eigene Leute zu ersetzen. Fest steht lediglich, dass die Terrorgruppe im April 2015 drei große Ölfelder in der Umgebung der irakischen Stadt Tikrit aufgeben musste, als schiitische Milizen und Regierungstruppen die Stadt eroberten. Die Felder Himrin und Ajil zündeten die Salafisten an, bevor sie sich zurückzogen.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) schätzte die Ölförderkapazitäten des IS in einem Sonderbericht an den Bundestag nach dem Verlust der Tikrit-Felder auf nur mehr fünf Prozent der zu Spitzenzeiten kontrollierten Menge. Diese Schätzung galt jedoch nur für die Felder im Irak. Nicht für die in Syrien - und auch nicht für Libyen, wo die Terrorgruppe seit März Förderanlagen überfällt.

Sollten die Öleinnahmen des IS zurückgegangen sein, bedeutet das für die Dschihadisten nicht unbedingt das baldige finanzielle Aus. Dafür stehen zu viele andere Einnahmequellen zur Verfügung: Zum Beispiel die Steuern, die der Terrorkalif in seinem von schätzungsweise fünf bis acht Millionen Menschen bevölkerten Kernterritorium in Syrien und im Irak sowie in den Exklaven in Libyen, Nigeria und im Jemen einzieht. Die Vermögen der getöteten oder vertriebenen Nichtsunniten, die sich der IS bei seinen Eroberungen meist vollständig aneignet. Die Lösegelder, die für Verschleppte verlangt werden. Das Geld, das Händler und Sammler unter der Hand für antike Kunstgegenstände zahlen. Und die Spenden, die der Terrorgruppe von ihren Fans aus den Golfstaaten, Europa und anderen Teilen der Welt zufließen.

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