Taiwan-Wahl: Entscheidet sich die Insel für eine weitere Konfrontation mit China?

Seite 2: Militarisierung und Energiekrise

Das bedeutet nicht, dass alle Taiwaner den Kurs der DPP unterstützen. Im Gegenteil, die Popularität der regierenden DPP ist deutlich gesunken.

Normalerweise würde die Opposition die anstehenden Wahlen haushoch gewinnen. Die Bevölkerung ist in der Frage der richtigen Haltung gegenüber China gespalten. Die Verlängerung des Militärdienstes von vier auf zwölf Monate macht die drohende militärische Eskalation plötzlich sehr konkret.

Die Energiekrise hingegen ist ein Symbol für die schlechte wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Die Bevölkerung ist mit der Politik der Regierung alles andere als zufrieden.

Parteipolitische Zerfledderung

Ein sicherer Sieg für die Kuomintang also? Nicht ganz, denn dieses Mal gibt es eine dritte Partei, die einen bedeutenden Teil der Wähler überzeugen kann. Die kürzlich gegründete Volkspartei Taiwans präsentiert sich als Alternative zu den blauen und grünen Bündnissen und stellt mit dem ehemaligen Bürgermeister von Taipeh einen glaubwürdigen Kandidaten für das Präsidentenamt.

Kurzzeitig sah es so aus, als würde diese Partei mit der Kuomintang auf einem gemeinsamen Präsidententicket laufen wollen, doch im November entschieden sie sich schließlich für eine getrennte Kandidatur.

Mit einer gespaltenen Opposition könnte die DPP die Wahlen dennoch gewinnen. Die Präsidentschaftskandidaten der DPP und der Kuomintang liegen in den Umfragen Kopf an Kopf.

Konfrontationspolitik der USA

Niemand kann vorhersagen, wer gewinnen wird. Der Aufstieg einer dritten Partei hat jedoch eine wichtige Konsequenz: Unabhängig davon, wer die Präsidentschaftswahlen gewinnt, die siegreiche Partei wird wahrscheinlich keine Mehrheit im Parlament erhalten. Das bedeutet, dass Kompromisse geschlossen werden müssen.

Nach Ansicht von Wu Rong-yuan sind diese Wahlen entscheidend für die Beziehungen zwischen Taiwan und China. Die Kuomintang tritt für den Status quo ein, was bedeutet, dass beide Seiten anerkennen, dass es nur ein China gibt, aber unterschiedliche Interpretationen darüber haben, was dies bedeutet.

Die DPP will Taiwans Status als unabhängiges Land durchsetzen und kann dabei auf die Unterstützung der USA zählen. "Die Konfrontationspolitik der USA macht den Status quo unmöglich", sagt Wu, "während die Unabhängigkeit, die die DPP anstrebt, uns vom Festland isoliert und den Interessen der Arbeiter zuwiderläuft."

Vorbild Hongkong?

Wu erläutert schließlich die Vision der Arbeiterpartei:

Die Wiedervereinigung zwischen Taiwan und China ist der einzige Weg zu Frieden und Wohlstand: "Ein Land, zwei Systeme", ist eine realistische Formel.

Auf die Frage, ob dies auf der Grundlage der Vereinbarung mit Hongkong geschehen würde, lautet die Antwort nein:

China hat eindeutig erklärt, dass Taiwan mehr Autonomie haben würde, und dafür gibt es gute Gründe: Hongkong war eine Kolonie Großbritanniens, als es an China übertragen wurde, während Taiwan schon seit Jahrzehnten als autonome wirtschaftliche und politische Einheit existiert.

Obwohl die beiden traditionellen Parteien im Moment wenig gesprächsbereit zu sein scheinen, hofft die Arbeitspartei, dass nach den Wahlen Raum für einen Dialog zwischen Taipeh und Beijing besteht: "Es gibt kein Modell für die Wiedervereinigung, und nur durch Dialog und Austausch können wir Lösungen finden."

Der Artikel erscheint in Kooperation mit der Medienplattform Globetrotter. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.