Tanz den DJ Robot
"DJ I, Robot" soll die leibhaftigen DJs das Fürchten lehren
Das Schlimmste an DJs ist ihre Eitelkeit. Bloß weil sie ein paar Platten mehr besitzen als der Durchschnitt und mit ihren Vinylscheiben zwei, drei Kunststückchen aufführen können, halten sie sich für unwiderstehlich. Ihre Eitelkeit macht sie sogar glauben, all die hübschen Jungs und Mädchen, die sich da unten auf der Tanzfläche zur Musik bewegen oder mit glasigen Augen an der Wand lehnen, wären nur gekommen, um ihnen, den DJs, zu huldigen.
In Wirklichkeit geht es natürlich noch viel extremer zu. Da glaubt jeder DJ, er wäre der tollste, weshalb er auf keinen Fall als erster auflegen kann und als letzter schon gar nicht. "Kein Problem", sagen da die Veranstalter, "wir laden den DJ I, Robot ein, der zickt nicht rum, sondern macht, was man ihm sagt." ‚DJ I, Robot' klingt nicht nur wie eine Maschine - ‚DJ I, Robot' ist eine Maschine. Genauer gesagt ist er drei Plattenspieler und eine Software, mit der er Tonträger fast zwanzigmal so schnell rumwirbeln kann wie ein menschlicher DJ. Er trägt den Beinamen ‚The dj-killer application' (‚Das DJ-Todesstoß-Programm'), und wenn es nach seinem Schöpfer Chris Czikszentmihalyi geht, dann soll ‚DJ I, Robot' die leibhaftigen DJs das Fürchten lehren.
Laut Eigenwerbung ist ‚DJ I, Robot' - der Einfachheit halber häufig auch bloß als ‚DJ Robot' bezeichnet - der weltweit erste vollautomatische Plattenaufleger, der per Zufallsgenerator gesteuert wird. Am liebsten lässt Czikszentmihalyi, Dozent am Rensselaer Polytechnic Institute (RPI im US-Bundesstaat New York, sein Produkt gegen herkömmliche DJs antreten, um herauszufinden, wer besser ist: Mensch oder Maschine. Dabei schwebt ihm nach eigener Auskunft so etwas wie der John-Henry-Wettbewerb vor, eine ur-amerikanische Legende also, wonach ein schwarzer Eisenbahnarbeiter im 19. Jahrhundert beim Tunnelbau gegen eine der damals neuartigen Riesenbohrmaschinen antrat - und siegte. Nur möchte Czikszentmihalyi nicht beweisen, dass der Mensch besser ist, sondern seine Maschine.
Czikszentmihalyi geht es nicht um die intellektuelle Überlegenheit seiner Anwendung, sondern um technische Virtuosität. Wäre es andersherum, würde Czikszentmihalyi bei seinem Mensch-Maschine-Szenario nicht auf den Kraftprotz John Henry, sondern auf den Mathematiker Alan Turing und den nach ihm benannten Turing-Test zur Unterscheidung von menschlichen vs. maschinellen Äußerungen verweisen.
Technik allein macht aber noch lange keinen guten DJ. Das größte Problem für Czikszentmihalyi ist deshalb nicht die technische Seite des Plattenauflegens. Vielmehr hat DJ Robot keinen eigenen Geschmack, und, was noch viel schlimmer ist bei einem DJ, er hat keinen Groove. "Wir faken den Groove," sagt Czikszentmihalyi und grämt sich nicht weiter darüber, dass DJ Robot der menschlichen Konkurrenz bislang immer unterlegen ist. Er geht davon aus, dass DJ Robot in drei, vier Jahren gewinnen wird.
Hierzulande trat Chris Czikszentmihalyi mit DJ Robot zuletzt im Februar bei der transmediale.01 in Berlin auf und schaffte es mit DJ Robot in der Kategorie ‚artistic software' bis in die Endrunde, was nicht jeden überzeugen konnte (Transmediale im Aufwind). Wer sich selbst ein Bild machen möchte von DJ Robots Künsten, kann entweder im Web Hörproben finden oder diesen Sommer zu einem der Live-Auftritte gehen.