Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine – Vertrauensfrage unter Waffenbrüdern
FDP, Grüne und CDU fordern schnelle Lieferung. Kanzler Scholz bringt technische Reichweitenbeschränkung ins Spiel. Wäre dies sicherer als eine Absprache?
Seit Donnerstag hat die Debatte um eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine Fahrt aufgenommen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) brachte zuletzt eine Beschränkung der Reichweite ins Spiel, nachdem die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), sich für die Lieferung der bunkerbrechenden Waffe stark gemacht hatte. Auch die Grünen-Wehrpolitikerin Agnieszka Brugger plädierte dafür.
Unter anderem der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sprach sich gegen eine Beschränkung aus. "Die technische Veränderung der 'Taurus' würde nur zur weiteren Verzögerung führen und ist nicht sinnvoll", sagte er laut einem Bericht der ARD-tagesschau. Diese "Scheindiskussion" sei ein Hinweis darauf, dass Scholz kein Vertrauen in die Ukraine habe.
Eine Umprogrammierung der Marschflugkörper wäre nach Einschätzung Kiesewetters "in wenigen Wochen möglich", widerspreche aber der Wirksamkeit. "Sinn und Zweck des Marschflugkörpers ist gerade die Hochpräzision und Reichweite von 500 Kilometern", sagte er. Eine Beschränkung auf ausschließlich ukrainisches Gebiet sei auch durch eine Absprache mit der ukrainischen Regierung möglich. Bislang habe sich die Ukraine "an alle Vorgaben gehalten". Auch britische "Storm Shadow"-Marschflugkörper verwende das Land nicht auf russischem Territorium.
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Der ukrainische Dmytro Kuleba betonte, die Taurus-Marschflugkörper würden wegen ihrer hohen Reichweite militärisch dringend benötigt - ebenso wie die erbetenen ATACMS aus den USA. "Beide werden ausschließlich innerhalb unserer Grenzen eingesetzt werden", betonte Kuleba am Freitag in Kiew. Aber: "Je größer die Reichweite, desto kürzer der Krieg", erklärte der Minister auf Twitter.
"Leicht zu knacken"
Scholz’ Bedenken könnten damit zu tun haben, dass exilrussische Kampfeinheiten im Dienst der Ukraine bereits im Mai auf russisches Territorium vorgedrungen waren. Können westliche Waffenlieferanten dennoch darauf vertrauen, dass von ihnen bereitgestelltes Kriegsgerät nur zur Verteidigung gegen russische Invasionstruppen genutzt wird?
Die Linken-Politikerin Gesine Lötzsch rät davon ab. Eine veränderte Programmierung der Marschflugkörper zur Begrenzung ihrer Reichweite sei "leicht zu knacken", sagt sie. Die Reichweitenbeschränkung sei keine Lösung: "Wir müssen raus aus der Eskalationsspirale."
Obwohl Deutschland offiziell nicht am Ukraine-Krieg beteiligt ist, hat sich dieses "Wir" inzwischen bei mehreren Parteien etabliert, die ganz unterschiedlich zur deutschen Ukraine-Politik stehen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) spricht seit Monaten von einer indirekten Kriegsbeteiligung durch weitgehende Unterstützung der Ukraine, während der Satz "Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland" von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im deutschsprachigen Raum überwiegend als Versprecher gewertet wird.
Unabhängig davon, ob sich die Ukraine im Fall der Taurus-Lieferung an Absprachen hält, steht die Frage im Raum, wie die Lieferung in Russland interpretiert würde.