Tauschbörsen wie Napster oder Gnutella verletzen nicht das Urheberrecht
Über den Mythos von der Rechtswidrigkeit von Filesharing-Systemen nach dem deutschen Urheberrecht
Spätestens seit der Eklat um die Filesharing-Systeme wie Napster, Gnutella und Co. im Juni letzten Jahres seinen Höhepunkt erreichte, hat sich auf breiter Ebene offenbar die Annahme festgesetzt, der P2P-Tausch von Musik und anderen Inhalten sei rechtswidrig und gegen das Urheberrecht. Dieses Unrechtsbewusstsein auf Seiten der Nutzer wurde kürzlich durch eine Studie der Gartner Group in den USA belegt, nach der immerhin 28 % der Nutzer von Filesharing-Systemen der Ansicht sind, Unrecht zu tun, ebenso viele glauben, dies sei nicht der Fall. Noch größer ist die Skepsis gegenüber der Rechtmäßigkeit von P2P-Nutzung bei denen, die solche Dienste (bisher) nicht nutzen: 42 % aller befragten Nichtnutzer waren der Ansicht, beim Musiktausch per Filesharing werde das Urheberrecht verletzt. Auch die IFPI hat mit ihren Abmahnungen an deutsche Betreiber von Homepages zum Thema Filesharing viel Rechtsunsicherheit verbreitet, als man behauptete, Napster sei an sich rechtswidrig und der Verweis auf deren Angebot könne nach deutschem Recht verfolgt werden.
Wahrscheinlich würde eine entsprechende Umfrage bei deutschen Filesharing-Nutzern kein anderes Ergebnis zu Tage fördern. Zurückzuführen ist dies wohl darauf, dass man den Medienberichten glaubt, in denen in diesem Zusammenhang nahezu einhellig von "rechtswidrigen Handlungen durch P2P", "verbotenem Tun" etc. die Rede ist. Selbstverständlich wird dieses Empfinden durch die allseits bekannte Position der Industrie geschürt. Auch die allzu willfährige Bereitschaft von Napster, Kooperationen mit der Musikindustrie einzugehen, spricht nicht gerade dafür, dass man dort von einem positiven Ausgang der Prozesse ausgeht. Immerhin heißt dies auf Seiten von Napster, die Früchte der Arbeit mit anderen möglicherweise unfreiwillig zu teilen, ohne dass die Rechtslage zuvor geklärt wurde.
Von Seiten der (unabhängigen) Juristen sind bislang wenige fundierte Äußerungen laut geworden, die etwas Licht in das Dunkel brächten. So beschränken sich die Aussagen bislang auf die meist unreflektierte und wenig objektive "Ist alles verboten"-Schlussfolgerung, was angesichts der Brisanz der Thematik doch überrascht. Anscheinend gehen die meisten Experten davon aus, es liege hier eine so klare Rechtslage, dass es einer näheren Analyse der Rechtslage nicht bedarf. Dass dies nicht von Seiten der Industrie-Juristen geschieht, ist einleuchtend, schließlich haben diese wenig Interesse, an der allgemeinen Annahme zu rütteln.
Um das nachzuholen, habe ich darüber ein ausführliches Rechtsgutachten verfasst, das demnächst in der juristischen Zeitschrift "GRUR (Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht)" veröffentlicht wird. Die wesentlichen Erkenntnisse sollen im folgenden wiedergegeben werden. Eines vorweg: Weder die Behauptung, alle Systeme seien rechtswidrig, die nicht von den Berechtigten betrieben werden, noch diejenige, dass die Nutzung von Napster, Gnutella & Co. gegen das Urheberrecht verstößt, ist richtig. Ebenso falsch ist die Annahme, man sehe sich hier einer einfachen und eindeutigen Rechtslage gegenüber.
Die Grundsätze
Richtig ist an der allgemeinen Annahme, dass Urheber- und Leistungsschutzrechte in Deutschland den Berechtigten grundsätzlich einen Schutz davor gewähren, dass ihre Werke ohne Erlaubnis über das Internet oder ein P2P-Netz angeboten und heruntergeladen und dann auf dem heimischen Rechner gespeichert oder auf eine CD gebrannt werden. Die urheberrechtliche Terminologie bezeichnet solche Speicherhandlungen als "Vervielfältigungen". Sie bedürfen nach den weit gefassten Monopolrechten des deutschen Urheberrechtsgesetzes der Zustimmung des Urhebers, obwohl selbstverständlich in dem Gesetz, das 1965 abgefasst wurde, nicht die Rede von Download, Upload oder Komprimierung ist.
Das Gesetz ist sehr offen formuliert. Es gilt die Regel, dass "der Urheber an jeder wirtschaftlich relevanten Verwertung seines Werkes tunlichst zu beteiligen ist". Nach dieser Regel ist auch das Angebot einer Datei, etwa eines Musikstückes, über Napster oder Gnutella, urheberrechtlich zu erfassen. Bei Online-Angeboten spricht man von einem Fall des "allgemeinen Rechts der öffentlichen Wiedergabe", das nach § 15 Absatz 2 UrhG unter anderem auch die Rundfunksendung, öffentliche Vorträge, Aufführungen etc. umfasst. Hiermit vergleichbar sei auch das Online-Angebot sagt die Rechtswissenschaft. Eine spezielle Vorschrift gibt es zwar bislang nicht, sie ist jedoch bereits in Planung und wird nach Verabschiedung der "EU-Richtlinie zum Urheberrecht und den verwandten Schutzrechten (=Leistungsschutzrechte etwa der Tonträgerhersteller und Interpreten) in der Informationsgesellschaft" in das deutsche UrhG implementiert werden. Auch wenn dies momentan noch nicht der Fall ist, kommt man um die Anwendung urheberrechtlicher Monopolrechte auf Online-Angebote schon jetzt nicht herum.
Die Ausnahme für private Vervielfältigungen
Das heißt hingegen nicht, dass Filesharing-Angebote und -Nutzungen rechtswidrig sind. Vielmehr enthält das Urheberrecht einige Ausnahmen von den Ausschließlichkeitsrechten der Berechtigten, die hier - trotz neuer Technologie - ebenso Anwendung finden. Nach einer solchen Regelung, juristisch "Schranke" genannt, sind Vervielfältigungen im privaten Umfeld zustimmungsfrei zulässig.
Die Schranke für private Vervielfältigungen, § 53 Absatz 1 UrhG, gilt für das Speichern eines Musikstücks auf der Festplatte, dessen Komprimierung, Kopie in einen anderen Ordner, dem Upload auf einen Server und auch den Download von einem anderen Rechner und das Brennen des Stückes auf eine CD. Verboten sind diese Handlungen nicht, das Ausschließlichkeitsrecht der berechtigten Komponisten, Musiker und Plattenfirmen ist hier auf einen Vergütungsanspruch beschränkt. Dagegen entfällt das Recht, derartige Handlungen zu verbieten. Dies gilt zumindest solange, wie man seine Kopien nur selbst konsumiert oder diese allenfalls im Freundeskreis weitergibt.
Grund für eine solche Regel ist und war die Erkenntnis, dass die Nutzung im privaten Umfeld weder kontrolliert werden kann noch darf. Allerdings gilt die Schranke für private Vervielfältigungen nicht für das Kopieren von Software. Computerprogramme sind genau wie elektronische Datenbanken von den Rechten zur privaten Vervielfältigung ausgeschlossen, was bedeutet, dass der Tausch solcher Werke über Hotline oder Gnutella illegal ist.
Dass man den Berechtigten vor der privaten Vervielfältigung nicht um Erlaubnis fragen muss, heißt allerdings nicht, dass der Nutzer hierfür nichts bezahlt. Auch wenn man dies nicht bewusst wahrnimmt, zahlt man einen pauschalen Obolus an die Künstler und Hersteller in Form der so genannten Geräte- und Leermedienabgaben. In der Einführung eines solchen Abrechnungssystems, das nicht auf die individuelle Nutzung abstellt, erkannte man seinerzeit ein geeignetes System die unkontrollierbare private Verwendung wirtschaftlich zu erfassen, ohne dabei in die Privatsphäre der Nutzer eindringen zu müssen. Diese Lage hat sich bis heute nicht geändert.
An dem System pauschaler und nutzungsunhabhängiger Vergütungsmodelle ist festzuhalten, will man nicht von juristischer Seite zulassen, dass irgendwann jeder vom heimischen Rechner ausgeführte Schritt durch wen auch immer erfasst, protokolliert und gespeichert wird. Abgesehen davon, dass sichere Systeme, die dies gewährleisten könnten, weder bis dato existieren noch ersichtlich ist, ob es jemals solche Systeme geben wird, würden sich bei dem Versuch der Durchsetzung von Individualabrechnungsmodellen erhebliche Probleme mit anderen Rechtspositionen ergeben. Genauer gesagt wäre die totale Überwachung des Fernmeldeverkehrs und der Privatsphäre verfassungswidrig, ganz abgesehen von den datenschutzrechtlichen Fragen und der beunruhigenden Problematik, wem denn die Speicherung und Verwaltung all dieser wertvollen und zum Teil vertraulichen persönlichen Daten übertragen werden sollte.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Geräte- und Leermedienabgaben sich der Kritik aussetzen müssen, recht pauschal und so zum Teil ungerecht zu sein. Je mannigfaltiger die Verwendungsmöglichkeiten eines Gerätes, desto höher das Maß der Pauschalität. Sehr pauschal sind daher die höchst umstrittenen Abgaben auf CD-Brenner und PCs, etwas weniger die für Leermedien wie CD-Rs, MDs oder ähnliches. Viele Käufer solcher Technologien bezahlen dann umsonst, wenn sie das Angebot des Urheberrechts, zu privaten Zwecken anderer Leute Werke kopieren zu dürfen, nicht annehmen.
Allerdings sollte man sich überlegen, welches Übel, gemessen mit der Überwachung des Datenverkehrs, geringer erscheint. Die Alternative, statt der Abgabe gar nichts zahlen zu müssen, ist nach deutschem Recht nicht denkbar. Kostenlos wird die Nutzung von geschütztem Material nie sein, die Kosten können nur verschoben, anders berechnet und verringert werden. Wenn allerdings niemand mehr zahlt, wird auch keiner mehr von Musik, Grafik, Photo und Film leben und profitieren können, was das Angebot an solchen Genussmitteln wenigstens erheblich schmälern wird. Entgegen der individuellen Abrechnung und Vergütung ist die mittelbare Pauschalvergütung das ersichtlich beste und einzige Mittel, die notwendigen Vergütungen für die Künstler zu realisieren, wenn eine so massenhafte und anonyme Nutzung wie bei P2P stattfindet.
Auch ein Abo-Dienst, wie von Bertelsmann und Napster geplant, würde diesem Grundsatz der Pauschalabrechnung folgen. Das herkömmliche System von Zustimmungsbedürftigkeit und Individual-, also nutzungsabhängiger Vergütung von Vervielfältigungshandlungen wird hingegen im Filesharing-Bereich versagen. Es ist unmöglich vor jeder Nutzung den jeweils Berechtigten (wer ist das im konkreten Falle?) zu fragen, ob er dem zustimmt, ebenso wird es bei den ungeheuren Datenflüssen in einem solchen System nicht möglich sein, jede einzelne Nutzung zu registrieren, protokollieren und abzurechnen. So würde auch der Grundgedanke des Peer-to-Peer-Filesharing zerstört, abgesehen davon, dass kaum einer mehr ein solches System nutzen würde.
Aus den Geräte- und Leermedienabgaben, die jeder Nutzer zahlt, ergibt sich noch eine andere Schlussfolgerung. Auch wenn bestimmte Kreise bei juristischen Diskussionen immer wieder das Gegenteil behaupten: der Nutzer zahlt für sein Recht, Kopien anzufertigen, also hat er auch ein Recht, private Kopien in angemessenem Umfang zu machen. Dieser Umfang ist jedenfalls nicht überschritten, wenn man die Musik nur Zuhause allein oder mit seinen Freunden konsumiert. Man mag sich darüber streiten, ob dies ein Grundsatz des Urheberrechts ist oder nicht. Jedenfalls müssten die Abgaben gestrichen oder geschmälert werden, wenn das Recht zur privaten Vervielfältigung in bestimmten Bereichen aufgehoben oder stark eingeschränkt würde.
Vor allem von Seiten der Berechtigten wird immer kritisiert, dass die Abgaben zu gering seien, um die durch digitale private Vervielfältigungen entstehenden Verluste zu kompensieren. Hierzu kann man nur sagen, dass die Abgabenhöhe nicht Problem, eine Anpassung der Vergütungssätze nicht Pflicht der Nutzer und privaten Inhalteanbieter ist. Nur die Berechtigten selbst können hier etwas ändern.
Die Ausnahme für das Angebot von Musik durch den P2P-Servant
Eine andere Schranke der urheberrechtlichen Monopolbefugnisse betrifft Fälle der öffentlichen Wiedergabe, wie dem Internet- oder dem P2P-Angebot. Nach § 52 UrhG entfällt die Pflicht, beim Berechtigten um Zustimmung zu ersuchen, wenn die öffentliche Wiedergabe von Werken im Rahmen einer Veranstaltung stattfindet, die keinen kommerziellen Zwecken des Veranstalters dient und an der jeder kostenlos teilnehmen kann. Veranstalter in diesem Sinne ist derjenige, der die öffentliche Wiedergabe der Werke steuert und beeinflusst, der diese also inszeniert. Dies ist bei Napster und Gnutella derjenige, der auf seinem privaten Rechner Musik zum Download anbietet. Nur Servants können beeinflussen, welche Musikstücke angeboten werden und zu welchem Zeitpunkt.
Die Anwendung der Vorschrift ist überaus kompliziert. An deren Anwendbarkeit kann hingegen kein Zweifel bestehen. Die Anbieter des Content bei Napster oder Gnutella folgen keinen kommerziellen Zwecken, jedenfalls nicht, soweit es sich hier um Privatleute handelt. Die Teilnahme am Netz ist ebenso kostenlos wie die hierfür nötige Client-Software. So unpassend die Vorschrift auf den ersten Blick erscheint, so passend ist sie bei näherem Hinsehen (vielleicht der Grund, warum sie bei den rechtlichen Aussagen zu diesem Thema offenbar immer übersehen wird...?). Nach dieser Schrankenvorschrift ist es im übrigen auch erlaubt, nach obigen Ausführungen zulässigerweise hergestellte Privatkopien, also etwa aus dem Netz heruntergeladene MP-3-Files über den eigenen Rechner zum Download bereitzuhalten, obwohl diese dann die Privatsphäre verlassen. Grundsätzlich ist dies durch § 53 Absatz 6 UrhG untersagt, das gilt hingegen nur, wenn § 52 UrhG nicht die öffentliche Wiedergabe untersagt und demgegenüber als vorrangig anzusehen ist.
Durch diese Ausnahme von der Ausschließlichkeit des Rechts der öffentlichen Wiedergabe entfällt wiederum nur die Pflicht, sich hierfür eine Zustimmung vom Berechtigten einzuholen. Was bleibt, ist die Pflicht, eine Vergütung hierfür zu zahlen. Diese wurde bislang von der GEMA eingezogen, was in Filesharing-Systemen jedoch kaum mehr möglich erscheint. Hier sollten die Berechtigten in der Tat die Lösung in Abonnementdiensten suchen, also wiederum in Abrechnungssystemen, die pauschal funktionieren. Die Vergütungsansprüche bestehen daher und sie bleiben auch bestehen. Das heißt hingegen nicht, dass die Nutzung illegal wird, wenn die Ansprüche nicht entrichtet werden. Es handelt sich vielmehr bei der Nutzungsmöglichkeit um eine gesetzliche Lizenz, die Rechtmäßigkeit eines Filesharing-Angebotes wird daher durch das Gesetz erklärt. Hieraus ergibt sich das Recht, die Lizenz des Einzelnen. Dieses Recht entfällt nicht etwa rückwirkend durch die Nichtzahlung der Vergütungen.
Zwischenergebnis
Es bleibt also folgende Erkenntnis: Wenn man an Filesharing teilnimmt, ist dies legal, da man keine Erlaubnis hierfür braucht. Man darf Musik (nicht aber Software) kopieren und weitergeben, muss aber hierfür zahlen. Für die Kopien hat dies ohnehin getan, wer die Speichervorrichtungen und -medien gekauft hat. Für das Angebot sind Vergütungen zu zahlen, wobei bislang von Seiten der Berechtigten nicht klargestellt wurde, wie derartiges durchzuführen ist. Eine Möglichkeit hierfür könnte durch die Abonnementvergütungen, wie bei Napster-Bertelsmann-Edel geplant, erfolgen.
Rechtslage hinsichtlich der Handlungen von Napster und Anbietern von Informationsseiten über Filesharing
Es kann also keine Rede davon sein, dass Musiktausch über Filesharing rechtswidrig sei. Ebenso hartnäckig wie dieses Gerücht hält sich dennoch auch dasjenige, nach dem Napster als solches rechtswidrig ist. Hierzu ist zunächst zu sagen, dass diese Annahme weder auf diese oder andere Client-Software noch auf den Betrieb der Server oder der Suchfunktion zutrifft. Weder das deutsche UrhG noch ein anderes Gesetz verbieten Entwicklung, Herstellungen und Angebot von Mechanismen, die geeignet sein können, bei der Anwendung Rechtsverletzungen zu begehen.
So sind auch Videorekorder und CD-Brenner und nicht einmal Doppelvideorekorder oder Copystations rechtlich zu beanstanden, da hiermit, ebenso wie mittels der und über die Filesharing-Systeme - ganz gleich, wie man die oben besprochene Rechtslage auch immer sehen will -, auch völlig legale Verwertungshandlungen möglich sind. Sie geschehen auch, wie sich an den diversen Fällen zeigt, in denen Musiker oder Plattenfirmen selbst Stücke in den P2P-Netzen in Umlauf gebracht haben. Filesharing ist eine sehr zukunftsträchtige Technologie, die auch in der konkreten Anwendung, bei Napster und Gnutella, sehr effektiv zum Marketing und zur Werbung oder als Kaufanreiz benutzt werden kann. Es kann also keine Rede davon sein, dies sei verboten, da hier nur Illegales abliefe.
Darüber hinaus würden weder Napster noch gnutella.de oder eine andere informierende Web-Seite für die Handlungen der Nutzer haften müssen, selbst wenn man mit der Industrie davon ausginge, die Handlungen der Teilnehmer verletzten das Urheberrecht. Da keine der beiden Dienstformen selbst urheberrechtlich relevante Vervielfältigungen oder öffentliche Wiedergaben vornehmen, sondern nur die Umgebung für derartige Handlungen zur Verfügung stellen bzw. Informationen bereithalten, käme eine Eigenhaftung von vornherein nicht in Betracht.
Man könnte allenfalls sagen, will man der Industrie in Bezug auf die Bewertung der Teilnehmerhandlungen recht geben, Napster haftet, weil seine Nutzer Illegales tun. Eine solche abgeleitete Haftung gibt es im deutschen Urheberrecht. Dies gilt allerdings im Online-Bereich nur sehr eingeschränkt. Diesbezüglich hat sich der deutsche Gesetzgeber im Teledienstegesetz dafür entschieden, diejenigen, die nur auf fremde Inhalte verweisen oder gar nur die Infrastruktur für Online-Angebote und Nutzungen bereitstellen, selbst dann nicht haften zu lassen, wenn die Nutzung oder die Inhalte rechtswidrig sind. Dies gilt auch dann, wenn man Links auf seiner Seite geschaltet hat oder Suchbegriffe auswirft, die auf Fundstellen verweisen, deren Inhalt illegal ist.
Bei Links gilt nach der bisher ergangenen Rechtsprechung, dass man nur selbst für den fremden Inhalt haftet, wenn man sich diesen sichtlich "zu eigen macht", also klar erkennen lässt, dass man sich hiermit identifiziert, dies gutheißt usw. Dies dürfte auf Informationssysteme, die allgemein technologieorientiert informieren, nie zutreffen und schon gar nicht auf Suchsysteme, die Inhalte automatisch erfassen und ausgeben (wie den Napster-Suchdienst). Das Angebot der Napster-Server und der sonstigen Infrastruktur wird nach dem Teledienstegesetz wie das Access-Providing behandelt. Aus der entsprechenden Haftungsvorschrift ergibt sich, dass solche Zugangsvermittler gar nicht für fremde Rechtsverstöße haften müssen. Im übrigen ergibt sich auch aus dem Urheberrecht nichts anderes hinsichtlich der Haftung für illegale Handlungen Anderer.
Abschließend hierzu ist noch anzumerken, dass Urheberrechte immer nur innerhalb der Landesgrenzen Geltung haben. Entgegen der offenbar bestehenden Fehleinschätzung einiger Juristen ist es daher für die Rechtslage in Deutschland völlig irrelevant, wie die amerikanischen Richter im Napster-Prozess entscheiden, da dort nach amerikanischem und hier nach deutschem Recht beurteilt werden muss.
Schlussfolgerung
Filesharing ist also erlaubt aber nicht umsonst. Dass viele Nutzer die Kostenpflichtigkeit weder einsehen noch akzeptieren wollen und sich angesichts eines geringen Entgelts von 5 $ wie von Napster und Bertelsmann geplant, empört abwenden, ist mir unverständlich. Sicherlich wird hierin der Unmut gegenüber der jahrelangen Bevormundung der Nutzer durch die Industrie deutlich, der man sich mit einem Wechsel zu Gnutella ohne weiteres entziehen kann.
Man sollte allerdings bedenken, dass Musik nicht gleich Musikindustrie ist. Vielmehr wird die Musik von den Komponisten, Textern und Musikern gemacht, die nicht alle kostenlos arbeiten und nebenher Taxi fahren wollen und können. Wenn immer mehr Nutzer nichts mehr zahlen, werden eben auch immer mehr Musiker nicht mehr von und damit auch nicht für die Musik leben können. Jeder, der meint, dass kostenpflichtige Musikangebote und allgemein geistiges Eigentum Diebstahl an der Allgemeinheit bedeuten oder ähnliches und sich entsprechend verhält, gießt damit nur Öl auf das Feuer der Filesharing-Gegner und schürt das von dort gestreute Vorurteil, nach dem Napster und Gnutella, Freenet und Mojonation etc. nichts als Tummelplätze für Piraten und sonstige Kriminelle sind.
Mit einem kleinen Entgegenkommen ist es dagegen jedem möglich, zu beweisen, dass die Nutzer von P2P-Musikbörsen in erster Linie etwas ganz anderes sind, nämlich Musikliebhaber, also Menschen, die Musik konsumieren wollen. Von diesem Standpunkt ergeben sich durch Filesharing-Netze doch unglaubliche Vorteile in der Beschaffung der Musik, die ein kleines Entgelt ohne weiteres rechtfertigen. Man erhält alles, auf Knopfdruck und in kürzester Zeit. Und man kann auch anderen alles geben. Es ist weder einzusehen, noch mit dem Recht - unter anderem dem deutschen Grundgesetz - zu vereinbaren, dass die Nutzung von geschütztem und schützenswertem Material dem Schöpfer keinerlei Vorteile mehr einbringen soll.
Für eine konstruktive Lösung der Filesharing-Problematik kann jeder etwas tun, wenn er Kompromissbereitschaft mit sich bringt. Die Industrie sollte sich allmählich damit abfinden, dass Filesharing einen bislang unbekannten Distributionskanal darstellt, den sich jeder erschließen kann und sinnvollerweise erschließen sollte. Verbieten kann man diese Technologie jedenfalls nach dem Urheberrecht genauso wenig, wie Anbieter und Nutzer hierfür haftbar gemacht werden können. Es bleibt allerdings, sich selbst dem Fortschritt anzupassen, diesen zu akzeptieren und zu versuchen, mitzuschwimmen. Es dürfte kein Zweifel bestehen, dass auch kostenpflichtige Angebote wie das zukünftige Napster-System mehr als reichlich Teilnehmer finden werden, da diese einfach technisch ausgereift werden können, was schlicht und einfach Geld kostet.
Die unabhängigen, dezentralen Netze wird es weiterhin geben, da braucht man sich wohl auch mit RPS und anderen Systemen keine Illusionen machen. Will man erreichen, dass auch hier gezahlt wird, müssen pauschalere Mittel und Wege gefunden werden, die Nutzung finanziell zu erfassen. Zum Beispiel könnte man an Streaming-Gebühren denken, nach dem Motto, ich zahle nur, was ich nutze. Solche Systeme haben natürlich gegenüber ganz pauschalen Systemen wie der Geräteabgabe wiederum den Nachteil, dass sie erst technisch realisiert und dann von irgendwem überwacht werden müssen. Dennoch ist dies die Richtung in die man denken sollte, bevor man seine Klientel als Piraten verschreit und versucht, jeden haftbar zu machen. Dies wird zu nichts als immer mehr Entfremdung zwischen Anbieter und Nutzer, zwischen Hersteller und Konsument führen, was sicherlich am Ende keinem nutzt. Die Industrie sollte sich eingestehen, dass - entgegen der bis vor kurzem geltenden Regeln - die Konsumenten am längeren Hebel sitzen und daher die Macht haben, die Entwicklung zu steuern. Diese Erkenntnis erfordert natürlich auch ein Umdenken.
Die Nutzer hingegen sollten sich darüber bewusst werden, dass Kunst und Kultur ebenso wenig kostenlos ist, wie andere Ware, dass es sich hierbei um (geistiges) Eigentum handelt. Ebenso wenig, wie wir auf die Idee kämen, den Rasenmäher des Nachbarn als Allgemeingut anzusehen und ihn ständig zu nutzen oder ganz mitzunehmen, sollte dies klar sein, wenn wir anderer Leute Werke nutzen. Die Tatsache, dass der geistige Eigentümer für die Nutzung nicht um Erlaubnis gefragt werden muss, kann man noch damit rechtfertigen, dass dieser sein Original auch behält, nicht aber der Nachbar seinen Rasenmäher, und auch damit, dass Kultur weitaus mehr der Sozialpflichtigkeit des Eigentums unterstellt sein muss, was bedeutet, dass hier eher jeder Recht auf Nutzung haben muss als im Allgemeinen bei Sachgütern. Muss man aber schon nicht fragen, erscheint es nicht gerechtfertigt, auch nicht zahlen zu müssen, denn in jedem Fall muss man anerkennen, dass der Berechtigte etwas geschaffen hat, von dem wir profitieren wollen. So etwas ist nun einmal in einer Demokratie zumeist kostenpflichtig oder besser, es obliegt in einer Demokratie den Individuen hierüber zu befinden.
Auf die Vorstellung eines Thesenpapiers "Rechtsfragen von Filesharing-Systemen aus Sicht des deutschen Urheberrechts" von Till Kreutzer, das auch die in diesem Artikel dargestellten Rechtsauslegungen betrifft, hat im Rahmen des Symposions Napster und die Folgen (26.1.2001, Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig) Dr. Thorsten Braun, Referat Urheberrecht bei der Deutschen Landesgruppe der IFPI, eine Entgegnung verfasst: Rechtsfragen von Filesharing-Systemen aus Sicht des deutschen Urheberrechts -- Entgegnung auf das Thesenpapier von Till Kreutzer.
Till Kreutzer, Rechtsreferendar, ist ständiger Mitarbeiter in Kanzlei Rechtsanwälte Kukuk, Hamburg.