Teledörfer - Urbanisierung des Landes oder Ruralisierung der Städte?

Seite 3: Globalisierung und Regionalisierung

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Sie sprachen davon, daß durch Teledörfer den Handwerkern und Landwirten neue Möglichkeiten an die Hand gegeben werden. Wie kann man sich das vorstellen? Können dadurch lokale und regionale Wirtschaftsräume mehr Gewicht und Eigenständigkeit erhalten?

ZEPF: Bei den Handwerkern ist es, was ich selber erlebt habe, schwierig, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit beispielsweise eines Schreiners mit einem Maler oder einem Schmied wegen der Entfernung und der Zeit zu realisieren. Da wäre es doch möglich, auch wenn das ein bißchen nach Zukunftsmusik klingt, etwa durch die CAD-Möglichkeiten eine schnellere und bessere Zusammenarbeit zustandezubringen.

Das würde dann die Klein- und Mittelbetriebe stärken?

ZEPF: Ja, genau. Bei den Landwirten ist zur Zeit eine zaghafte, aber von mir sehr forcierte Bewegung zu spüren, daß die Großstadtkonsumenten bewogen werden, heimische Agrarprodukte zu kaufen. Dadurch kommt eine neue Partnerschaft in Bewegung. Hier wäre ohne weiteres denkbar, daß mit den Mitteln der Telekommunikation Angebot und Nachfrage relativ schnell, flexibel und differenziert zusammenkommen (z.B. über eine Mailbox).

Sie denken dabei aber nicht daran, daß sich ja auch die Höfe selbst zu High-Tech-Betrieben umbauen ließen, so daß die Landwirtschaft durch ein lokales Netzwerk mit Steuerungsmechanismen, Sensoren für Tiere und den Boden und entsprechende Maschinen sich automatisieren würde?

ZEPF: Da bin ich in zweifacher Hinsicht ein bißchen skeptisch. Erstens glaube ich nicht, daß die Mentalität in unserer Landwirtschaft dafür geeignet ist. Es gibt bereits computergestützte Informationssysteme für den einzelnen Landwirt, die aber nur sehr zögerlich angenommen werden und quantitativ noch kaum ins Gewicht fallen. Und zweitens geht im Moment das Höfesterben so rapide vor sich, daß vielleicht die meisten Höfe schon gar nicht existieren, wenn die kostenreduzierenden Technologien zu greifen beginnen.

Das mag ein Grund für die Notwendigkeit sein, daß im ländlichen Raum sich durch die Datenautobahn neue Berufszweige ansiedeln können und müssen.

ZEPF: Wir werden sicher in Zukunft vermehrt Arbeitsplätze haben, die anders sind, als wir dies gewohnt waren, und die durch die Telekommunikation begünstigt werden. Ich habe vorhin vom ländlichen Wissen gesprochen. Durch den Computer wird heute ein Wissen befördert, das man früher gar nicht verarbeiten konnte. Das sind etwa komplexe Rückkopplungsprozesse in großen Zusammenhängen, die man eigentlich aus der Natur kennt, aber nur schwer darstellen und nachvollziehen konnte. Das wird neue Berufsfelder kreieren und insbesondere auf einem Wissen beruhen, das aus dem Naturwissen, aus dem Biowissen, aus der Bionik kommt und traditionell aus der Landwirtschaft stammt.

Wenn man aber davon ausgeht, daß das Höfesterben so weitergeht wie bislang, dann werden sich doch eher agrarindustrielle Großbetriebe mit hohem Einsatz an Technik durchsetzen, die vielleicht gerade dieses Biowissen noch weiter verdrängen.

ZEPF: Da gibt es vielleicht zwei große Alternativen. Die Tendenz zur Agrarindustrie ist, wie Sie sagten, sehr stark. Die EU-Politiker tendieren dahin, die heimische Landwirtschaft immer mehr an die Weltmarktpreise anzugleichen, was zu immer größeren Höfen und zu fortschreitender Industrialisierung führt. Andererseits gibt es eine immer stärker werdende Bio-Landwirtschaft, die nicht zur Größe, sondern eher zu einem kleinen Flächenbetrieb tendiert. Und hier sehe ich auch, um noch einmal auf mein Modell einer neuen Partnerschaft zwischen Großstadt und Landwirtschaft zurückzukommen, die Zukunft für diese Partnerschaft. In der Direktvermarktung, die durch die Datennetze begünstigt werden kann, gibt es eine unmittelbare Transparenz für den Konsumenten und ein sehr schnelles Eingehen auf Essens- und Lebensgewohnheiten der Stadtkonsumenten.

Das hieße ja, daß die auf Computernetzen beruhende Telekommunikation zwei Tendenzen begünstigt, die sich auf den ersten Blick zu widersprechen scheinen, nämlich die Ausrichtung auf die globalen Märkte und andererseits die Stärkung von lokalen Märkten. Die Vermittlungsinstanzen scheinen dadurch aber wegzubrechen.

ZEPF: So sieht es aus. Im ländlichen Raum steuert man zukunftsträchtig auf interregionale Wirtschaftskreisläufe zu. Das Fließen der Informationen erhält durch die Telekommunikationsinfrastruktur die heute notwendige Schnelligkeit. Dadurch werden sicher die kleineren und flexiblen Betriebe begünstigt. In der globalen Wirtschaft geht es hingegen um die großen Betriebe.

Wird denn diese Regionalisierung von der Politik eher befördert oder behindert?

ZEPF: Die Politik redet mit gespaltener Zunge. Man will zwar das regional Spezifische und die lokalen Märkte fördern, aber wenn es dann um Subventionen geht, wird in Wirklichkeit der Großbetrieb unterstützt. Regional und lokal sind im Moment zwar die Einzelinitiativen sehr stark, aber von der Politik wird eher die Ausrichtung auf den globalen Markt gefördert. Insgesamt wird die Telekommunikation den Lebensstil des Dorfes noch viel stärker verändern, als sie den der Stadt bereits verändert hat. Sie kann die Dorfkultur verarmen lassen oder helfen, sie zu bereichern. Wenn man sie bereichern will, muß allerdings mehr getan werden, als sich nur um Technik und Finanzierung zu kümmern.