Tesla, Klimakrise & Co.: E-Autos sind eine Lösung, nicht das Problem

Demonstration gegen die Tesla Gigafactory Grünheide am 22. Februar 2020 in Erkner. Bild: Leonhard Lenz / CC0 1.0 Deed

Der Sabotageakt zeigt, wie sich Mythen um E-Autos zäh halten. Auch Umweltschützer gehen dem auf den Leim. Warum das VW und Co. freut. Kommentar.

Am Dienstag wurde ein Anschlag auf einen Strommast in Brandenburg verübt, der das Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin zum Erliegen brachte. Eine antikapitalistische Vereinigung mit dem Namen "Vulkangruppe" übernahm in einem Bekennerschreiben die Verantwortung für den Sabotageakt.

"Vergewaltigung der Erde" durch E-Autos?

Dort heißt es: "Wir haben heute Tesla sabotiert. Denn Tesla in Grünau frisst Erde, Ressourcen, Menschen, Arbeitskraft und spuckt dafür 6000 SUVs, Killermaschinen und Monstertrucks pro Woche aus. Unser Geschenk zum 8. März heißt, Tesla abzuschalten."

Es soll hier nicht um den Sabotageakt an sich gehen, sondern vielmehr um die Frage, ob es überhaupt, aus Klima- und Umweltschutz-Perspektive, sinnvoll ist, Tesla, und damit die E-Auto-Produktion, ins Visier zu nehmen, sie "abzuschalten", um die "Vergewaltigung der Erde", wie es im Text heißt, zu stoppen.

Dabei wird folgendes Argument gegen die Elektromobilität vorgebracht:

Statt das Auto auf dem Müllhaufen der Geschichte zu verschrotten und den kostenlosen Öffentlichen Personenverkehr auszubauen, wird nur die Antriebstechnik ausgewechselt, vom Verbrennungs- zum Elektromotor, um den Individualverkehr zu retten. Die imperiale Lebensweise ist wirtschaftlich lukrativer.

Warum steht Tesla ständig im Negativfokus?

Das "nur" ist hier entscheidend. Aber dazu später mehr.

Sicherlich kann man gegen Tesla und Elon Musk – und auch gegen die Exzesse der Automobilität – eine Reihe von vollkommen berechtigten Kritikpunkten vorbringen wie die Aushöhlung von Arbeitsstandards, den Kampf gegen Betriebsräte, die Ignorierung von Umweltstandards wie Wasserschutz oder das Übergehen von Interessen der Kommunen und ihrer Bevölkerungen.

Alle diese Aspekte sollten adressiert werden. Auch muss sichergestellt werden, dass die Rohstoff-Lieferketten nachhaltig sind, was insbesondere bei E-Autos und den Batterien ein zentrales Thema ist – wofür es aber Lösungen gibt, die auch bereits umgesetzt werden.

Die negativen, umweltzerstörerischen Effekte profitgetriebener, global agierender Unternehmen stellen aber kein Spezialproblem von Tesla dar, sondern betreffen im Prinzip alle Industrien, inklusive der Autokonzerne.

Warum steht also Tesla in Deutschland ständig im Kritikfokus, sowohl in den Medien als auch bei Umweltbewegungen oder -protesten, und nicht VW? Der deutsche Autokonzern hat eine enorme historische Verantwortung für Treibhausgase und den daraus entstehenden Effekt der Erderhitzung.

VW: 600 Millionen Tonnen CO2, so viel wie Australien

In Wolfsburg werden außerdem weiter zu über 90 Prozent Autos mit klimaschädlichen Verbrennungsmotoren gebaut, während man zur Stromversorgung der Produktionsstätten weiter an Kohlekraftwerken festhält und dann, wenn günstig, auf Gas umsteigen will. Pro Jahr werden rund 600 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen vom deutschen Autobauer weltweit ausgestoßen.

Das ist die gleiche Menge wie ein ganzes Land, Australien, insgesamt produziert. Inklusive der Lkw-Flotte sind es zwei Prozent der globalen Emissionen.

Tesla hat hingegen Solarpanelen auf die Dächer installiert, während Elon Musk in der Gigafabrik in Buffalo Photovoltaikanlagen fertigen lässt, auch wenn sich das gerade als schwierig erweist. In Australien errichtet das US-Unternehmen das größte virtuelle Kraftwerk der Welt. Auf 50.000 Häuser sollen Solarpanele montiert werden und im Verbund das Stromnetz beliefern.

VW hat bisher auch kein Enddatum für den Verbrenner festgelegt, anders als viele andere große Autobauer. Zudem werfen NGOs wie Greenpeace dem deutschen Konzern vor, mit öffentlichen Kampagnen Klima-Skepsis befördert zu haben und sich grün zu waschen.

Bosch-Chef: Verbrenner bis 2060

Oder warum wird der deutsche Autozulieferer Bosch nicht mit Kampagnen und Protesten überzogen, und medial an den Pranger gestellt? So sagte Bosch-Chef Stefan Hartung vor ein paar Tagen, dass die Welt bis zum Jahr 2060 nicht auf Benzinmotoren verzichten könne.

Klar, Elon Musk ist ein selbstverliebter, am Ende skrupelloser Unternehmer, der Geld machen will. Er ist kein Umweltschützer, sondern jemand, der die Energiewende als Marktchance für sich entdeckt hat.

Aber, wie schon aufgezeigt: Tesla und Musk haben von Beginn an auf 100 Prozent Elektro und zugleich auf Solar gesetzt. VW produziert seit Jahrzehnten Heerscharen an Verbrennern, und tut es weiter, während man fossilen Strom produziert.

Also noch einmal: Warum steht Tesla ständig im Negativfokus, wenn es um den Schutz der Erde geht, und weniger diejenigen, die den notwendigen Wechsel verlangsamen und blockieren?

Nur Techno-Scheinlösung?

Eine Antwort darauf kann das Bekennerschreiben selbst geben. Ein Argument im Hintergrund ist, dass E-Autos in Wahrheit Teil des Problems und nicht Teil der Lösung der Klimakrise sind. Sie seien nur eine Techno-Scheinlösung.

Dieses Argument ist nicht neu. Eine Reihe von Umweltschützern und Kapitalismuskritiker behauptet schon seit einiger Zeit, dass E-Autos mehr Treibhausgase erzeugen als Benziner – infolge der energieintensiven Herstellung der Batterien und der Verwendung von Kohlestrom. Gespeist wurde die Skepsis von fossilen Lobbys und Anti-Energiewende-Denkfabriken.

Der Ökonom Hans-Werner Sinn, ehemaliger Präsident des Münchner Ifo Instituts, erklärte z.B. in einer Studie, E-Autos belasteten das Klima um elf bis 28 Prozent mehr als Dieselfahrzeuge. Diese Botschaft wurde in Deutschland von vielen oft unhinterfragt übernommen, obwohl die Zahlen auf wissenschaftlichen Fehlern beruhen, wie nachgewiesen wurde.

Andere Studien haben zudem längst gezeigt, dass E-Autos jetzt schon deutlich weniger CO2 produzieren, gemessen am Lebenszyklus eines Fahrzeugs, als Verbrenner. Und dieser Vorteil wächst natürlich, je mehr Strom für die Produktion und den Betrieb der E-Autos mit Erneuerbaren erzeugt wird.

E-Autos können mit Ökostrom fahren, Verbrenner nicht

Doch obwohl der Mythos durch wissenschaftliche Untersuchungen widerlegt ist, hält er sich zäh. Natürlich ist das Argument an sich irrelevant, sobald E-Autos – wie ja auch Züge – ausschließlich mit erneuerbarem Strom hergestellt und betrieben werden.

Sicherlich, eine radikale Verkehrswende wird den öffentlichen, schienengebundenen Verkehr stark ausbauen müssen. Denn aus Treibhausgas-Sicht ist es die effizientere Lösung.

Aber Elektroautos können mit Ökostrom betrieben und hergestellt werden. Sie sind keine Sackgasse, sondern werden Teil der Lösung sein. In welchem Umfang, das muss auf Grundlage von CO2-neutralen Verkehrsszenarien ausgehandelt werden.

Diejenigen, die sich Sorgen machen um die voranschreitende Klimakrise und von der wegschauenden Politik der Industriestaaten verlangen, die Treibhausgase gemäß dem verbleibenden Restbudget für eine maximale Erwärmung um 1,5 bis zwei Grad Celsius (oberstes Limit, das Forschung und Weltgemeinschaft angesichts der Risiken und gefährlichen Kipppunkte festgelegt haben) in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren auf null zu reduzieren, sollten sich daher nicht auf Tesla, sondern etwas anderes konzentrieren.

1,3 Milliarden Verbrenner weltweit: Wer ersetzt die?

Es gibt im Moment weltweit über 1,3 Milliarden Pkw. In Deutschland sind es rund 50 Millionen, dazu kommen noch einmal knapp zehn Millionen andere Kraftfahrzeuge.

Selbst wenn das Wachstum dieser globalen Autoflotte gestoppt oder sogar die Gesamtmenge in den nächsten zwei Jahrzehnten deutlich reduziert werden könnte (und dieser Verkehr auf öffentliche Transportmittel verlagert wird), bleiben weiter Hunderte Millionen Fahrzeuge übrig, die ausgetauscht werden müssen, und zwar schnell.

Die einzige effiziente Alternative dafür sind Batterie-betriebene E-Autos.

Vor diesem Szenario stellt sich die Frage: Wer muss unter Druck gesetzt werden? Eine Antwort ist: VW & Co, siehe oben.

Deutsche Regierung killt den E-Boom

Eine andere die verfehlte Verkehrspolitik, die es schlicht nicht schafft, ein ordentliches E-Tankstellennetz in Deutschland aufzubauen (Tesla hat sein eigenes), aber schnell dabei ist, selbst die leichten Anreize für den Kauf von E-Autos in einem gottseidank endlich boomenden Markt abzuschaffen.

Es war ein echter Killer made in Germany. Während China vorprescht und auch in Europa, wenn auch zu langsam, die Benzin- und Dieselflotten dem elektrifizierten Verkehr weichen, brach in Deutschland, dem wichtigsten EU-Markt, im Dezember letzten Jahres der Absatz von E-Autos um 74,4 Prozent ein.

Und das war politisch gewollt. Anstatt E-Autos attraktiv zu machen und die Märkte zu puschen, wurde der Umweltbonus für die Klima-Alternative ohne Übergangsphase von heute auf morgen einkassiert.

Vielleicht sollten die Aktivist:innen das nächste Mal gegen das Kraftwerk in Wolfsburg oder die Stromversorgung des Wissing-Ministeriums protestieren?