Tesla-Mitarbeiter demonstrieren nach Anschlag - echter Zusammenhalt oder PR-Stunt?

Die Tesla-Gigafactory in Grünheide ist seit Dienstag ohne Strom. Archivbild: Elfenbeinturm / CC-BY-SA-4.0

Tesla-Betriebsrat rief zur Demo für die Firma auf. Rund 2.000 Menschen kamen. Rund 12.000 sind dort beschäftigt. Welche Rolle spielt Union Busting?

Nach dem Anschlag auf die Stromversorgung des Tesla-Werks im brandenburgischen Grünheide haben sich am Freitagabend Mitarbeitende aus Solidarität mit dem US-Konzern demonstriert. Mehr als 2.000 Mitarbeiter und Familienangehörige seien dem Aufruf des Betriebsrates gefolgt, teilte Tesla-Werksleiter André Thierig mit.

Mit den Lichtern ihrer Handys illuminierten sie das dunkle Fabrikgebäude des E-Auto-Werks, das nach wie vor ohne Strom war. Thierig schrieb am Freitagabend im Karriere-Netzwerk LinkedIn, die Beschäftigten hätten ein klares Zeichen gegen Gewalt und für den Zusammenhalt in der Firma gesetzt.

Tesla und die Schattenseiten des Zusammenhalts

Laut der Gewerkschaft IG Metall und verschiedenen Medienberichten der letzten Wochen und Monate hat der vorgebliche Zusammenhalt allerdings auch seine Schattenseiten: Der Betriebsrat, der nach dem Anschlag zur Solidaritätsaktion für die Firma aufrief, wird demnach den eigentlichen Aufgaben eines Betriebsrats nicht gerecht und stimmte sogar der Kündigung eines kritischen Betriebsratsmitglieds zu.

Nach Angaben IG Metall gegenüber der Tageszeitung Neues Deutschland wirkten die Begründungen für die außerordentliche Kündigung "sehr konstruiert und zusammengesucht".

Hat das Tesla-Management Strohleute im Betriebsrat?

Nun steht der Verdacht im Raum, dass es sich bei diesem Betriebsrat teilweise um Strohleute des Managements handelt. Gewerkschaften sprechen in solchen Fällen von Union Busting. Abgesehen davon, dass in dem Werk nach Firmenangaben rund 12.000 Menschen beschäftigt sind, von denen nur eine deutliche Minderheit dem Demoaufruf des Betriebsrats folgte.

Bereits vier Monate vor der Eröffnung des E-Auto-Werks war im November 2021 eine Betriebsratswahl abgehalten worden – laut IG Metall aber vorwiegend auf Betreiben von Führungskräften, da es zu dieser Zeit noch kaum Beschäftigte in der Produktion gab.

Arbeitsunfälle en masse im Tesla-Werk Grünheide

So gewann dann auch die unternehmensnahe Liste Gigavoice zehn der 19 Betriebsratsmandate. Als dann die Produktion angelaufen war, geriet das Werk wegen auffällig vieler Arbeitsunfälle in die Schlagzeilen. Das sorgte für reichlich Konfliktstoff zwischen Tesla und der IG Metall, die auch öffentlich Nachbesserungen beim Arbeitsschutz forderte.

Im Herbst 2023 berichtete auch die ARD-tagesschau darüber. Aus einer Aktennotiz des Landesamts für Arbeitsschutz ging demnach hervor, "dass auf dem Werksgelände über einen längeren Zeitraum fast täglich Unfälle passierten". Allein zwischen Juni und November 2022 soll Tesla demnach mindestens 190 meldepflichtige Unfälle angegeben haben.

Der Stern dokumentierte darüber hinaus Unterlagen der Rettungsstellen, nach denen das Werk von Tesla-Chef Elon Musk in Grünheide allein im ersten Jahr nach der Eröffnung 247 Mal einen Rettungswagen oder Hubschrauber anfordern musste.

Heimliche Mitgliedschaft in der IG Metall als Sakrileg bei Tesla

Das inzwischen gekündigte Betriebsratsmitglied Gunnar H. hatte zunächst auf der unternehmensnahen Gigavoice-Liste kandidiert und habe als Nachrücker an fast allen Sitzungen teilgenommen, weil meistens jemand fehlte.

Nachdem seine Mitgliedschaft in der IG Metall bekannt geworden sei, habe das Management ihn zunehmend unter Druck gesetzt, berichtete der gemeinnützige Verein "Aktion gegen Arbeitsunrecht" vergangene Woche.

Kampf um Transparenz und Fairness im Tesla-Betriebsrat

Ein IG-Metall-Funktionär schilderte dem Neuen Deutschland (ND) die Kultur im Betriebsrats als sehr hierarchisch und intransparent: Wichtige Dokumente seien nicht allen zugänglich gemacht worden. Während einer Debatte soll versucht worden sein, Gunnar H. Notizen abzunehmen, die er sich gemacht hatte.

Nach Schilderung der IG Metall war es ihm und anderen gelungen, in der Debatte über eine Betriebsvereinbarung, die wie vom Management selbst verfasst wirkte, die Stimmung zu drehen: Der Entwurf sei in geheimer Abstimmung abgelehnt worden.

Schweigevereinbarung nach strapaziöser Eskalation

Daraufhin war dann wohl die Situation eskaliert. Laut ND-Bericht erhielt Gunnar H. sechs Abmahnungen auf einmal. Eine Zeit lang konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht in die Fabrik. Nachdem er für eine Betriebsratssitzung wieder ins Werk gekommen sei, habe er die außerordentliche Kündigung erhalten.

Dass er sich, derart unter Druck gesetzt, im Dezember 2023 für einen Vergleich inklusive Schweigeklausel entschieden hatte, wertet die "Aktion gegen Arbeitsunrecht" als "Sieg auf ganzer Linie für die Union Buster und ein verheerendes Signal an die gewerkschaftlich aktiven Kolleginnen und Kollegen bei Tesla."

Gunnar H. selbst kann nun aufgrund der Vereinbarung nicht mehr zu den Vorgängen Stellung nehmen.