Transparenz-Killer: Union will Bürger-Auskunftsrecht abschaffen
Union für Abschaffung des Informationsfreiheitsgesetzes in der bisherigen Form. Verhandlungsführer Philipp Amthor hatte schon einmal Ärger wegen dieses Gesetzes.
Seit 2006 ist das Informationsfreiheitsgesetz ein wichtiges Werkzeug, um an Auskünfte zu kommen, die Behörden von sich aus nicht an die Öffentlichkeit geben.
Durch Informationen, die über dieses Gesetz eingeklagt wurden, erfuhr die Öffentlichkeit, dass der ehemalige CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer Verträge zur Pkw-Maut unterzeichnet hatte, bevor der Europäische Gerichtshof das Projekt genehmigte.
Auch das RKI musste über eine Klage nach dem Informationsfreiheitsgesetz zur Veröffentlichung der Dokumente des RKI-Corona-Krisenstabes, die so viel Aufsehen erregten, "gezwungen werden" (Deutschlandfunk).
Die Beispiele zeigen, was konkret hinter den Plakatwörtern "Transparenz" und "demokratische Kontrolle" steht: ernsthafte Angelegenheiten der Gemeinschaft und um Steuergelder. Das muss man im Kopf haben, um die Tragweite eines Satzes zu verstehen, der im Verhandlungspapier zu Koalitionsverhandlungen steht.
Koalitionsverhandlungen: Arbeitspapier zu "Moderner Justiz"
Es handelt sich um das Papier der Arbeitsgruppe zu "moderner Justiz", veröffentlicht wird das Papier auf der Seite FragDenStaat.
In dem Papier ist in den Zeilen 111 bis 114 ist hinter dem fettgedruckten Stichwort "Stärkung der repräsentativen Demokratie" zu lesen: "Wir wollen den Bundestag zu einem moderneren Gesetzgebungsorgan weiterentwickeln. Der Bundestag muss die Regierung und die Verwaltung effektiv kontrollieren können."
Dahinter steht in eckigen Klammern und in "blauer Schrift der Unionsverhandler" (netzpolitik.org)
[Das Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form wollen wir hingegen abschaffen].
"Die SPD hat dem Vorhaben bisher nicht zugestimmt", berichtet Arne Semsrott zum Vorhaben der Unions-Arbeitsgruppe.
Fast 300.000 Anfragen
Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) erlaubt es Bürgerinnen und Bürgern, Einblick in staatliche Dokumente zu erhalten, ohne eine persönliche Betroffenheit nachweisen zu müssen. Fast 300.000 Anfragen wurden bislang über das Portal FragDenStaat gestellt. Dieses Recht auf staatliche Informationen hat zu einer Vielzahl von Enthüllungen geführt, die sonst möglicherweise verborgen geblieben wären.
Die Forderung der Union, das IFG "in der bisherigen Form" abzuschaffen und das Umweltinformationsgesetz "zu verschlanken", stößt auf scharfe Kritik.
Arne Semsrott von FragDenStaat spricht von einem "Frontalangriff auf die Informationsfreiheit" und äußert die Befürchtung, dass CDU und CSU ohne die demokratische Kontrolle durch die Öffentlichkeit durchregieren möchten.
CDU-Politiker Philipp Amthor: Selbst von IFG-Anfragen betroffen
Die politische Brisanz der Situation wird noch dadurch erhöht, dass der CDU-Politiker Philipp Amthor, der als Verhandlungsführer der Union in Erscheinung tritt, selbst von IFG-Anfragen betroffen war. Seine Lobby-Tätigkeiten für das Unternehmen Augustus Intelligence wurden durch das IFG publik.
Semsrott sieht hierin einen klaren Zusammenhang und ein persönliches Interesse Amthors an der Abschaffung des Gesetzes.
Die Entscheidung über die Zukunft des IFGs liegt nun in den Händen der Parteispitzen von CDU, CSU und SPD. Die politische Debatte um das IFG ist nicht zuletzt eine Debatte um die Frage, wie offen und zugänglich staatliches Handeln in einer Demokratie sein soll.
"Frontalangriff"
Zu befürchten ist, dass die Abschaffung des IFGs Entscheidungen, die hinter verschlossenen Türen getroffen werden, noch stärker vom öffentliche Diskurs abschneiden und dazu die journalistische Recherche noch stärker begrenzen wird.
Arne Semsrott befürchtet einen "Frontalangriff auf die Informationsfreiheit". Öffentliche Kontrolle und Transparenz seien CDU/CSU offenbar ein Dorn im Auge, so Semsrott gegenüber netzpolitik.org: "Sie wollen unbehelligt durchregieren. Demokratische Rechte der Öffentlichkeit stören dabei offenbar nur."