Treibhausgasemissionen müssen bis 2030 mehr als halbiert werden
Die Energie- und Klimawochenschau: G-20-Gipfel, Beginn der Klimakonferenz und umweltschädliche Subventionen in Deutschland
Am Sonntag hat in Glasgow die 26. Weltklimakonferenz begonnen, die eigentlich bereits im vergangenen Jahr hätte stattfinden sollen, aufgrund der Covid-19-Pandemie aber um ein Jahr verschoben worden war.
Doch auch in diesem Jahr sorgt die Pandemie für weitreichende Einschränkungen. Viele Vertreter:innen aus dem globalen Süden konnten unter anderem wegen Quarantänebestimmungen und damit verbundenen Ausgaben, teuren Tickets zur Konferenz oder mangelnden Unterkünften vor Ort nicht anreisen.
Wie Telepolis bereits berichtet hat, ist trotz aller Dringlichkeit auch in diesem Jahr kein Durchbruch bei den Verhandlungen zu erwarten.
Das liegt zum einen daran, dass die Beiträge der Staaten zur Emissionsreduktion (Nationally Determined Contributions NDC) bei weitem nicht ausreichen, um die Klimaerwärmung auf unter zwei Grad Censius, geschweige denn auf 1,5 Grad zu begrenzen. Wie vor einiger Zeit schon berichtet, würden die bisherigen NDC zu einer globalen Erwärmung von 2,7 Grad führen. Diese Zahl wurde unlängst im "Emissions Gap Report" des UN-Umweltprogramms (Unep) bestätigt.
Zudem sind die NDC zunächst Absichtserklärungen, die auch mit einer konkreten Politik unterlegt werden müssen. Schon die deutsche Klimapolitik spricht Bände, wie sehr Klimaziele und konkrete Maßnahmen zu ihrer Umsetzung auseinanderklaffen können.
Ein zweites wichtiges Thema in Glasgow dürfte der Stand der Klimafinanzierung sein. Auch hier bleiben die Industriestaaten weit hinter ihren Zusagen gegenüber den armen und am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern zurück.
Der Klimakonferenz vorausgegangen war der G-20-Gipfel in Rom, von dem keine neuen Impulse in Sachen Klimaschutz ausgingen. So schrieb auch UN-Generalsekretär António Guterres auf Twitter, dass sich seine Hoffnungen in Rom nicht erfüllt hätten.
In der Abschlusserklärung bekennen sich die G20 zum Pariser Abkommen, den Temperaturanstieg auf weit unter zwei Grad zu begrenzen und eine Begrenzung auf 1,5 Grad anzustreben.
Wann genau die globale Klimaneutralität erreicht sein soll, dabei blieben die G20 vage, und beließen es bei "um die Mitte des Jahrhunderts". Auch gab es ein Bekenntnis zur vereinbarten Klimafinanzierung von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr von 2020 bis 2025. Noch 2019 bestand aber eine Finanzierungslücke von gut 20 Milliarden US-Dollar, für 2020 lagen noch keine Zahlen vor.
China, Russland und Indien wollen bis 2060 und 2070 klimaneutral werden
Um die globale Erwärmung in diesem Jahrhundert auf 1,5 Grad zu begrenzen, muss die Welt ihre Treibhausgasemissionen innerhalb der nächsten acht Jahre um 55 Prozent senken, so der Emissions Gap Report
Mit den bisherigen NDC würde bis 2030 aber nur eine Reduktion um 7,5 Prozent erreicht. Auch klare Ziele für das Erreichen von Netto-Null-Emissionen könnten ein halbes Grad Erwärmung verhindern, also die Welt immerhin auf einen Pfad von 2,2 Grad Erwärmung bringen.
Doch auch die Klimaziele bis 2030 müssten angepasst werden, um die Versprechen der Klimaneutralität wirklich erreichen zu können. Antonio Guterres erklärte anlässlich der Veröffentlichung des Berichts:
Die Emissionslücke ist die Folge einer Lücke an politischer Führung. Aber die führenden Politiker können dies immer noch zu einem Wendepunkt hin zu einer grüneren Zukunft machen und nicht zu einem Kipppunkt der Klimakatastrophe. Die Ära der halben Maßnahmen und leeren Versprechungen muss enden. Die Zeit, um die Lücke an politischer Führung zu schließen, muss in Glasgow beginnen.
UN-Generalsekretär António Guterres
Die Staatschefs von Russland und China fehlen dann auch in Glasgow. Und während Russlands Präsident Wladimir Putin sich immerhin noch per Videoschaltung zu Wort meldet, lieferte Chinas Präsident Xi Jinping nur ein schriftliches Statement ab.
China und Russland wollen Klimaneutralität bis 2060 erreichen, im Analysetool "Climate Action Tracker" wird die Klimaschutzpolitik beider Länder als höchst unzureichend bewertet.
Alleine sind sie damit nicht. Auch die USA, die erst kürzlich wieder in das Pariser Abkommen zurückgekehrt sind, erhalten noch die Bewertung "unzureichend". Noch zehn Jahre später als China und Russland, nämlich bis 2070, möchte Indien klimaneutral werden. Das verkündigte Premierminister Narendra Modi in Glasgow.
Das mag zu spät sein, aber immerhin hat Modi auch angekündigt, die Klimaziele seines Landes bis 2030 zu verschärfen. Gleichzeitig fordert er auch eine Billion Dollar an Klimafinanzierung von den reichen Ländern.
Der Klimawandel ist bei einer globalen Erwärmung von aktuell durchschnittlich 1,2 Grad nichts, was in der Zukunft stattfindet. Der Klimawandel hat längst auch in gemäßigten Breiten katastrophale Auswirkungen, wie in diesem Sommer schmerzlich zu spüren war.
In anderen Regionen führt er bereits zu einer Zerstörung der Lebensgrundlagen der Menschen und damit zu Vertreibung und Migration. Im Jahr 2020 wurden 30,7 Millionen Menschen durch Katastrophen innerhalb ihres Landes vertrieben - 98 Prozent davon durch Extremwetter und Klimagefahren wie Stürme, Überschwemmungen, Brände, Extremtemperaturen oder Dürre. Das geht aus einem Bericht des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds hervor.
Anhaltende oder immer wiederkehrende Extremwetter können die Menschen aber auch zur Flucht aus ihren Heimatländern zwingen. So bewegten zwei direkt aufeinanderfolgende Hurrikans im ohnehin schon extrem armen Honduras noch mehr Menschen dazu, in Flüchtlingskarawanen in Richtung Norden aufzubrechen.
2019 war Mosambik von zwei Wirbelstürmen in Folge verwüstet worden. Im manchen Ländern treffen Extremwetter Bevölkerungen, die ohnehin schon unter politischen und bewaffneten Konflikten zu leiden haben, wie etwa im Jemen, der 2020 schwere Überschwemmungen erlebte.
Klimaschädliche Subventionen umleiten
Während in Glasgow die internationale Klimadiplomatie zusammensitzt, laufen in Deutschland die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP weiter. Diese haben sich schon für 2022 ein Klimaschutz-Sofortprogramm in ihr Sondierungspapier geschrieben und werden für Klimaschutzinvestitionen auch Geld brauchen. (Wobei nie vergessen werden darf, dass kein Klimaschutz am Ende noch viel kostspieliger ist).
Nun hat die zukünftige Ampel mit der FDP eine Partei dabei, die Steuererhöhungen für Gutverdienende ausschließt, das heißt, der neuen Regierung droht eine Finanzlücke. Hier nun hat das Umweltbundesamt mit seinem neuesten Bericht über umweltschädliche Subventionen eine potenzielle Finanzquelle benannt.
65, 4 Milliarden an umweltschädlichen Subventionen sind im Jahr 2018 geflossen, davon fast die Hälfte in den Verkehrssektor. Dabei dürfte die tatsächliche Zahl an umweltschädlichen Subventionen noch höher sein, da zum einen nur die Bundesebene betrachtet wurde, zum anderen nicht alle Subventionen quantifiziert werden konnten.
Schon der Abbau von Steuervergünstigungen für Diesel, des Dienstwagenprivilegs oder der Pendlerpauschale könnten für den Staat Mehreinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich bedeuten. Hinzu kommt, dass die Pendlerpauschale besonders Haushalte mit mittlerem und höherem Einkommen entlastet - und deren Anhebung im Zuge der CO2-Abgabe auf Brennstoffe damit auch das eigentliche Ziel verfehlt hat, nämlich soziale Härten abzufedern.
Die Steuerausfälle durch die Pendlerpauschale beziffert das UBA auf sechs Milliarden Euro. Auch von den Privilegien bei der privaten Nutzung von Dienstwagen profitieren in erster Linie Besserverdienende und hier wären immerhin noch 3,1 Milliarden Euro einzusparen. Durch die geringeren Steuern auf Dieselkraftstoffe kam es zu einem Steuerausfall von 8,2 Milliarden Euro, gemessen an den Steuersätzen für Benzin.
Nun ist es ausgerechnet die FDP, die sich ja sonst gerne gegen staatliche Subventionen und Regulierungen ausspricht, die auch gegen einen Abbau der Pendlerpauschale ist. Doch kein Wunder, am meisten dürfte schließlich ihre eigene Klientel von der Steuervergünstigung profitieren.
Ein weiterer beachtlicher Posten von Subventionen betreffen die Luftfahrt, etwa bei der Energiesteuerbefreiung für Kerosin oder der Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge. Doch hier muss auf internationaler bzw. auf europäischer Ebene gehandelt werden.
Im Bereich der Energiebereitstellung belaufen sich die Gesamtsubventionen auf 25,4 Milliarden Euro, in der Land- und Forstwirtschaft auf 6,2 Milliarden und im Bau- und Wohnungswesen auf drei Milliarden.
Das UBA listet hier eine Vielzahl von Einzelposten auf, bei denen Subventionen abgebaut werden könnten. Gelder, die beim Abbau von Subventionen frei würden, müssten wiederum für eine klimafreundliche Wirtschaftsweise ausgegeben werden: etwa für den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs auf dem Land oder günstige Bus- und Bahntickets.
Und für diejenigen, die angesichts des notwendigen schnellen Ausstiegs aus den fossilen Brennstoffen die Atomkraft wieder aus der Mottenkiste holen wollen: Zur Lösung der Klimakrise wäre dies eher kontraproduktiv, wie die Scientists for Future darlegen.
Die Risiken schwerer Unfälle sind bekannt. Im Hinblick auf die Energiewende ist vor allem hervorzuheben, dass die Kernenergie erheblich teurer ist als erneuerbare Energien und von Anfang an nur durch staatliche Subventionierung im Wettbewerb bestehen konnte.
Die langen Planungs- und Bauzeiten von Kernreaktoren von bis zu zwei Jahrzehnten sprechen ebenfalls gegen diese Art der Stromerzeugung, "Um dramatische Kipp-Punkte im Erdsystem zu vermeiden, müssen wir bis 2030 klimaneutral werden, sagt uns die Physik des Systems Erde.
Der notwendige, schnelle Umbau des Energiesystems geht in der erforderlichen Geschwindigkeit nur mit Erneuerbarer Energie", sagt Scientists-For-Future-Mitglied Claudia Kemfert.