Trübe Aussichten

Wiederaufbau des Irak sehr viel teurer als geplant

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Eine Milliarde Dollar wöchentlich kostet den Amerikanern die militärische Besatzung des Irak. Seine Verwaltung, so der Chef der "Coalition Provisional Authority" (CPA), Paul Bremer, in einem Interview "verbrenne" eine weitere Milliarde pro Monat. Die Summe von 3,2 Milliarden Dollar, die ihm vom Kongress für den Wiederaufbau des Landes in den nächsten zwei Jahren zugebilligt wurde, reiche mithin bei weitem nicht aus. Allein dieses Jahr werden die Kosten nur für den Wiederaufbau auf 7,3 Milliarden Dollar veranschlagt.

Die Nachforderung erzürnte vorgestern Mitglieder eines Senatsausschusses aus den beiden Großparteien. Die Bush-Administration wurde heftig dafür kritisiert, dass sie kein "realistisches, langfristiges Budget für den Wiederaufbau des Irak" vorlegen könne. Im Visier der Kritiker stand vor allem Paul Wolfowitz, dem vorgeworfen wurde, dass die Kriegsgründe im nachhinein von der Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen im Irak auf Menschenrechtsverletzungen durch das brutale Regime Saddam Husseins verschoben wurden, worauf die Nummer Zwei im Pentagon antwortete:

Tatsächlich ist der Kampf um den Frieden im Irak jetzt das zentrale Schlachtfeld im Kampf gegen den Terror... Wenn wir diese Schlacht gewinnen, dann werden wir sicherer sein.

Auf detaillierte Fragen der Senatoren, etwa wie lange die USA im Irak bleiben wollen, antwortete Wolfowitz nicht oder nur ausweichend. Auch zu den künftigen Kosten wollte er nichts weiter sagen, versicherte aber:

Irak trägt bereits zu seinem eigenen Wiederaufbau bei, und Iraks Anteil wird wachen, wenn die Ölproduktion und die irakische Wirtschaft sich erholen.

Wie die israelische Zeitung Ha'aretz in der gestrigen Ausgabe berichtet, verwenden die USA eingefrorene US-Bankguthaben von Saddam Hussein, geschätzte 10 Milliarden Dollar, um die zivilen Kosten zu bestreiten. Weitere 350 Milliarden, die der irakischen Zentralbank verblieben sind, sollen für ständige Ausgaben herangezogen werden. Laut Bremer wird die Stromversorgung 1,5 Milliarden pro Jahr in den nächsten fünf Jahren kosten.

Joshua Bolten, der Direktor des Office of Management and Budget, berichtete dem Auswärtigen Ausschuss hingegen, dass für den Wiederaufbau dieses Jahr 7,7 Milliarden Dollar vorgesehen sind. Davon würden 1,7 Milliarden aus eingefrorenen Vermögen, 800 Millionen Dollar in Cash, die man im Irak gefunden hatte, und 1 Milliarde aus dem Öl-für-Lebensmittel-Programm der UN stammen. Den Rest müssen die amerikanischen Steuerzahler beisteuern.

Das Kapital für die anvisierte Umwandlung des Irak in eine Marktwirtschaft mit frei gewählter Regierung, die Bremer, so sein Versprechen, das er Anfang Juli in Washington abgab, binnen 18 Monaten herbeiführen will, soll aus der Privatisierung der Ölindustrie fließen.

Aber genau daher rührt die Skepsis vieler arabischer Staaten, die als Geberländer im Kalkül der US-Administration fungieren. Dieses Vorgehen wird dort als deutliches Indiz für einen amerikanischen Kolonialismus empfunden, zumal US-Firmen wie Bechtel bereits gute Geschäfte (Verträge über geschätzte 680 Millionen Dollar) mit dem Wiederaufbau der irakischen Ölindustrie machen. Obendrein hat es die Administration mit einem anderen Dilemma zu tun. Zur Privatisierung bräuchte man ausländische Investoren, die wollen aber erst investieren, wenn das Land sicher genug ist - auch die Weltbank macht ihre Unterstützung davon abhängig - , was aber erst möglich ist, wenn die Grundversorgung für das Land gewährleistet sei und dafür braucht man vor allem Öl, das in großen Mengen aus den Förderanlagen fließt.

Im Augenblick sollen im Irak 1 Million Barrel täglich gefördert werden. Selbst wenn der Irak die Ölproduktion von 1991, 2,5 Millionen Barrels am Tag, auf 3,5 Millionen steigern würde - vor dem letzten Golfkrieg produzierte man nur 800 Barrels am Tag ! - , würden dafür 50 Milliarden Dollar in den nächsten Jahren gebraucht werden (siehe Haaretz), bei einer gleichzeitigen Einnahme von etwa 20 Milliarden Dollar, falls die Ölpreise stabil blieben.

Ein anderes Kalkulationsproblem liegt im Fehlen von genauen Daten über Schäden, die der Krieg und die Plünderungen im Irak angerichtet haben, und über Anforderungen der Verwaltung in den Städten und Gemeinden. Dazu bräuchte es ein funktionierendes Kommunikationssystem. Auch hier gibt es Streit.

Nachdem eine Bahreinische Telekommunikationsgesellschaft damit begonnen hatte, ein GSM-Mobilfunknetz im Irak aufzubauen, ist dies am Samstag von Bremers "Coalition Provisional Authority" aus Lizenzgründen untersagt worden. Letzte Woche gingen die Handys von Ausländern im Irak auf einmal dank Batelco wieder. Schon im Mai hatte die US-Regierung MCI mit dem Aufbau eines Mobilfunknetzes beauftragt. Unter Hussein gab es keine Mobilfunknetze im Irak. Seit zwei Wochen läuft eine Ausschreibung für den Betrieb von drei Mobilfunknetzen, für die Batelco Punkte machen wollte.

In diesem Bereich können ausnahmsweise schnell gute Einnahmen erwartet werden, weswegen man spekulieren kann, dass die USA die Verträge an amerikanische Firmen vergeben wollen. Dahinter steckt auch die Entscheidung, ob es sich um ein GSM-Netz handeln soll oder um ein CDMA-Netz, das es nur in den USA gibt. Bei einem GSM-Netz hätten amerikanische Firmen keine guten Chancen.