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Trump: "Einwanderung ist ein Privileg, kein Recht"

Bild: Weißes Haus

Trump zu Merkel über Abhören: "Wir haben zumindest hier etwas gemeinsam."

Heute traf Bundeskanzlerin Angela Merkel das erste Mal den US-Präsidenten Donald Trump. Im Wahlkampf schrieb er schon mal auf Twitter, nachdem Merkel Ende 2015 zur Person des Jahres gekürt wurde, sie habe Deutschland ruiniert. Vorher beschimpfte er sie schon mal als "geisteskrank". Er beschuldigte sie, die "Masseneinwanderung" verursacht zu haben, was ein Desaster gewesen sei. Aber jetzt ist Realpolitik, beide gaben artig im Weißen Haus eine Pressekonferenz, was allerdings unterkühlt blieb.

Merkel, die eigentlich schon am Dienstag anreisen wollte, aber den Flug wegen eines Unwetters verschoben hatte, beabsichtigte, eine "konstruktive" Zusammenarbeit beim persönlichen Treffen zu beginnen. Es lagen ihr aber wohl vor allem die Handelsbeziehungen und die Sicherheitspolitik am Herzen. Deutsche Unternehmen wollten denn auch die US-Seite über die Vorteile des freien Handels aufklären, Merkel hatte vor der Abreise noch schnell mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping telefoniert [1]. Beide wollen sich angeblich für freien Handel und offene Märkte aussprechen.

Trump liegt hingegen der Mauerbau und der Protektionismus näher, während er den Mauerbau weiter in seinem Haushaltsentwurf mit Milliarden vorantreiben treiben will, anstatt die Mexikaner zur Kasse zu bitten, wie er im Wahlkampf gefordert hatte, ist er was den Protektionismus und Einfuhrzölle angeht, ruhiger geworden. Auch sein ursprünglicher Konfrontationskurs gegen China scheint vorerst beendet zu sein, wobei der geopolitische und militärische Konflikt mit China über die Installation eines Raketenabwehrsystems in Südkorea und die Auseinandersetzungen im Südchinesischen Meer köchelt und China sicherlich nicht erfreut ist, wenn in Washington von einem militärischen Vorgehen gegen Nordkorea gemunkelt wird.

Bild: Weißes Haus

Ein sichtlich angespannter Trump, der auf Fairness dringt

Bei der ersten Begegnung vor der Presse fremdelten [2] Merkel und Trump sichtlich. Das dürfte eher an Trump gelegen sein, der unsicher wirkte, vielleicht auch, weil er es mit einer Frau zu tun hat. Für Merkel ist er hingegen schon der dritte US-Präsident nach Bush und Obama, mit dem sie zu tun hat. Zudem ist sie den Umgang mit Macho-Männern gewohnt und lässt sich davon nicht mehr sonderlich beeindrucken.

Trump erklärte allerdings immer noch ziemlich steif auf der Pressekonferenz nach dem ersten Gespräch mit Merkel und einem Runden Tisch mit Auszubildenden und Wirtschaftsvertretern - da wirkten beide schon etwas entspannter -, dass beide Länder vieles gemeinsam hätten, vor allem die Suche nach Sicherheit, Wohlstand und Frieden. Das Treffen sei produktiv gewesen. Er pries die deutsche Ausbildung der Industriearbeiter an und erklärte, dass vor allem das volle Potenzial der Frauen für den Arbeitsmarkt erschlossen werden müsse. Seine Regierung baue ein neues industrielles Fundament für ein stärkeres Amerika auf.

Er habe Merkel seine "starke Unterstützung der Nato" versichert, aber auch für die Notwendigkeit, dass die Nato-Partner ihren "fairen Anteil" zahlen. Viele Ländern hätten dies jahrelang nicht gemacht, was sehr unfair gegenüber den USA gewesen sein: "Sie müssen zahlen, was sie schuldig sind." Der deutschen Regierung dankte er für die Verpflichtung, die Rüstungsausgaben auf mindestens 2 Prozent des BIP zu erhöhen. Er dankte Merkel auch für ihre Führung in der Nato und die Unterstützung in Afghanistan, für den Versuch, zusammen mit Frankreich in der Ukraine eine friedliche Lösung des Konflikts zu suchen. Und beide Länder müssten zusammenarbeiten, um sich gegen den "radikalen islamischen Terrorismus" zu schützen. Dabei dankte er auch Deutschland für die Mitwirkung an der Anti-IS-Koalition.

"Unsere Bürger müssen ohne Frage immer zuerst kommen"

Trump betonte allerdings mit Blick auf die Kanzlerin und seinem zweiten gescheiterten Anlauf eines Einreiseverbots, dass für ihn Einwanderungspolitik ein Thema der nationalen Sicherheit sei. Man müsse die Bürger vor Zuwanderern schützen, die Gewalt innerhalb der Grenzen begehen wollen: "Einwanderung ist ein Privileg, kein Recht", betonte der Sohn eines deutschen Einwanderers in einem Land, in dem die Einwanderer die Ureinwohner an den Rand gedrängt haben, aber sich bislang als Einwanderungsland und als melting pot verstanden haben. Deutlich will hier Trump schon länger bestehende Tendenzen verstärken und das Verständnis der USA verändern: "Unsere Bürger müssen ohne Frage immer zuerst kommen."

Er verfolge keineswegs eine isolationistische Politik, aber der Handel müsse fair sein, was implizit eine Kritik an Deutschland ist, da Deutschland gegenüber den USA hohe Handelsüberschüsse erzielt. Millionen von "hart arbeitenden Amerikanern" - irgendwann wird man diese Redewendung nicht mehr hören können - seien durch den internationalen Handel zurückgelassen worden. Man werde für sie wieder "finanzielle Sicherheit" ermöglichen. Die USA würden "historische Institutionen" anerkennen.

In Baden-Baden trafen sich die Finanzminister in Vorbereitung zum G20-Gipfel, auch hier spielte der Freihandel eine Rolle. US-Finanzminister Steven Mnuchin sagte auch hier, die USA seien für den freien Handel und wollten keinen Handelskrieg, aber unklar ist noch, ob eine Absage an den Protektionismus wegen der amerikanischen Haltung in die Abschlusserklärung aufgenommen wird. Mnuchin machte jedoch expliziter deutlich als Trump, dass es der US-Regierung um den Abbau der Handelsungleichgewichte geht, eben beispielsweise mit Zöllen, die die deutsche Exportwirtschaft schwer treffen würden.

Bekanntlich hatte Angela Merkel nach Trumps Wahlsieg diesen über die gemeinsamen Werte belehrt, die die Zusammenarbeit leiten müssten. Interessant ist, dass Trump dies praktisch wiederholte und sagte, dass die gute Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den USA auf "gemeinsamen Werten" beruhe: individuelle Rechte, die Einhaltung des Rechts, die Suche nach Frieden. Und er sprach in diesem Zusammenhang irgendwie betont feierlich und zusammengerissen von einer sehr hoffnungsvollen Zukunft.

Merkel: Auch Entwicklungshilfe gehört zur Sicherheitspolitik

Merkel fing schon, wenn man so will, mit einer kleinen Spitze an. Es sei viel besser, zusammen zu sprechen, als übereinander zu sprechen: "Wir hatten einen sehr guten, offenen ersten Austausch." Dann erklärte sie, dass Deutschlands Aufstieg als Wirtschaftsmacht viel den USA zu verdanken habe. Sie sei erfreut, dass Trump die Nato wichtig nimmt, Deutschland habe auch zugesagt, die Rüstungsausgaben zu erhöhen. Sie machte aber auch deutlich, dass es in Bezug auf internationale Sicherheit nicht nur um militärische Stärke gehe, sondern etwa auch um Entwicklungshilfe, die Trump, das sagte sie aber nicht, kräftig zusammenstreichen will, um primär das Militär zu stärken (Trumps Politik: Militär; Sicherheit und Mauerbau [3]).

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Sie machte deutlich, dass Deutschland weiter in Afghanistan, Syrien und Libyen militärisch mitwirken wird, und räumte schließlich ein, dass der Handel "fair" sein müsse. Es gebe eine Reihe von Themen, bei denen die Zusammenarbeit intensiv weiter verfolgt werden wird. Beim Handel sei es selbstverständlich, Abkommen zu schließen, von denen beide Seiten profitieren. Bilaterale Gespräche schloss sie aus. Sie hoffe, dass die Gespräche über das Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA wieder aufgenommen werden.

Auf eine Frage antwortete Trump, er bedaure nur "sehr selten" Tweets, die er geschrieben hat. Er habe eine "unglaubliche Gruppe" an Menschen, die das lesen, und er könne an den Medien vorbeigehen. Und was das Abhören betrifft, Trump hatte Obama beschuldigt, ihn abhören zu lassen, und dabei auch den britischen Geheimdienst ins Spiel gebracht, sagte er zu Merkel: "Wir haben zumindest hier etwas gemeinsam." Die Bemerkung kam an, die Medienleute brachen in schallendes Gelächter aus. Plötzlich war Trump wirklich gelöst, er wusste, dass er einen Punkt gemacht hatte, ohne die Frage direkt zu beantworten. Ansonsten verwies er auf den Sender Fox, er habe nichts gesagt. Merkel - "Abhören unter Freunden geht gar nicht" - ging darauf gar nicht ein.


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2017/03/2017-03-16-telefonat-merkel-xi-jinping.html;jsessionid=8A55D1FEDE8B41B0CC126FBC416E8C65.s3t1
[2] https://www.facebook.com/WhiteHouse/videos/1252058324881898/
[3] https://www.heise.de/tp/features/Trumps-Politik-Militaer-Sicherheit-und-Mauerbau-3657227.html