Türkei: Demirtas muss in Haft bleiben

Seite 2: Repressionen mit Blick auf die Kommunalwahlen im nächsten Frühjahr

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Um die Oppositionspartei HDP bis zu den anstehenden Kommunalwahlen weiter zu schwächen, kommt es nahezu täglich zu Verhaftungen von HDP Mitgliedern. In Erzurum wurden beispielsweise diese Woche vier HDP-Mitglieder festgenommen, darunter der Ko-Vorsitzende Muammer Duman und ein Mitglied des Ortsvorstandes.

In der Provinz Mersin wurden am Montag 14 Personen festgenommen, weil sie sich im Jahr 2014 an den Kobanê-Protesten beteiligt hatten. Der Vorwurf: "Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation" und "Terrorpropaganda". In Malatya wurden am letzten Dienstag sieben Vertreter der HDP und des Menschenrechtsvereins IHD, darunter die Ko-Vorsitzende der örtlichen Zweigstelle des Menschenrechtsvereins IHD Gönül Öztürkoğlu festgenommen.

Gegen sechs der Verhafteten wurde Untersuchungshaft angeordnet. Müßig zu erwähnen, dass es weder stichhaltige Beweise für eine Verhaftung, noch für die Anordnung von Untersuchungshaft gab. In der Regel wissen die Verhafteten wochen- und monatelang nicht einmal, was ihnen eigentlich vorgeworfen wird.

Ebenfalls am Dienstag wurden in der Provinz Mardin sechs Personen festgenommen, weil sie traditionelle kurdische Kleidung ("Şal û Şapik" - Hose und Hemd) getragen haben. Ihnen wird aufgrund des auf Fotos nachgewiesenen Tragens kurdischer Kleidung "Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung" vorgeworfen. Sie befinden sich seither in Untersuchungshaft.

Allein im November wurden über 100 HDP Mitglieder verhaftet. Die HDP-Abgeordnete Ayşe Acar Başaran, Sprecherin er HDP für Justiz und Menschenrechte, gab am 2. Dezember eine schriftliche Erklärung ab:

Vier Monate vor den Kommunalwahlen am 31. März 2019 konzentrieren sich alle politischen Parteien auf den Wahlkampf. Währenddessen ist unsere Partei mit Festnahmen und Verhaftungen konfrontiert…Bei den seit 2015 laufenden politischen Operationen sind über 10.000 Mitglieder und Unterstützer unserer Partei festgenommen worden, mindestens 5000 von ihnen wurden verhaftet. Die HDP ist von schweren und außergewöhnlichen Angriffen betroffen.

HDP-Abgeordnete Ayşe Acar Başaran

Hunderte Journalisten in türkischen Gefängnissen

Aber nicht nur oppositionelle Politiker und Politikerinnen sind andauernden Repressionen ausgesetzt. Die Hetzjagd auf kritische Journalisten geht unvermindert weiter. Die "Initiative freier Journalist*innen" (ÖGI) legte eine Bilanz der Repression und Rechtsverletzungen im Bereich Pressefreiheit für den Monat September in der Türkei vor.

Danach befanden sich im September 173 Journalisten in Haft, vier Journalisten wurden festgenommen, ein weiterer inhaftiert, 110 Journalisten standen vor Gericht, gegen einen wurde ein Gerichtsverfahren, gegen vier weitere ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Fünf Journalisten wurden zu insgesamt 21 Jahren und drei Monaten Haft verurteilt, vier Journalisten erhielten eine Gesamtgeldstrafe von 27.000 Lira, 53 Journalisten wurden entlassen bzw. haben gekündigt und elf Journalisten wurden freigelassen.

Im Monat November wurden neun Journalisten wurden festgenommen und zwei verhaftet. Der österreichische Journalist Max Zirngast ist einer der Inhaftierten. Seit September sitzt er in einem türkischen Gefängnis. Zirngast befindet sich im Sincan-Gefängnis in Ankara. Anklage gegen ihn wurde nach wie vor nicht erhoben, aber es bestünde der Verdacht auf Mitgliedschaft in einer linksgerichteten "terroristischen Vereinigung". Sollte er verurteilt werden, drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.