U-Boot-Streit: Wie viel traut sich Europa gegenüber den USA zu?

Symbolbild: Nuklearangetriebenes US-U-Boot. Foto: Pentagon/gemeinfrei

Nach dem Platzen des milliardenschweren "Jahrhundert-Vertrags" durch den Indopazifik-Pakt zwischen USA, Australien und GB sucht Frankreich die Krise zu europäisieren

Wer hätte gedacht, dass ein U-Boot-Geschäft derartige Wellen schlägt? In Frankreich bezeichnet man den Deal mit Australien als "Jahrhundert-Vertrag". Dass er nun durch die neue Sicherheitspartnerschaft "Aukus" zwischen den USA, Australien und Großbritannien und der damit verbundenen Lieferung von Technologie zum Bau von nuklearangetriebenen U-Booten zunichte gemacht wurde, wird als Erdbeben mit einem Ausschlag "weit oben auf der diplomatischen Richter-Skala" gesehen.

Australiens Vertreter hätten aber schon seit 2016 Zeichen gegeben, dass man mit dem Vertrag nicht mehr richtig zufrieden war, so die Libération in ihrer Printausgabe von Montag. Hätten sich die französischen Vertreter nicht auf diesem Ohr taub gestellt, so hätte man im Lauf der Zeit erfahren können, dass die mit Frankreich ausgehandelte Lieferung von diesel-getriebenen U-Booten nicht mehr den "Sicherheitsansprüchen" Australiens genügte, dass ein Plan B zumindest angedeutet wurde, behauptet die Zeitung. Andere Quellen bestätigen dagegen den Schock.

Am 15. September, am Tag der Bekanntgabe von Aukus, habe man noch ein offizielles Schreiben aus Australien bekommen, wonach man in Canberra zufrieden mit dem Vertrag sei und bereit für die nächste Stufe, so der Sprecher des französischen Verteidigungsministeriums, Herve Grandjean. Das wurde dahin gehend interpretiert, dass bald nachgeholt wurde, was im April ausblieb: die Unterzeichnung des Folgeabkommens.

Jetzt ist Paris düpiert, Macron schweigt, man lässt die Diplomatie sprechen: Die französischen Botschafter aus den USA und Australien wurden abgezogen - nicht aber der Botschafter in London, was als Signal der Geringschätzung GBs aus Pariser Sicht gedeutet wird: Die Politik der britischen Regierung sei einfach nur opportunistisch, nicht satisfaktionsfähig, kursiert inoffiziell als Begründung.

Die französische Regierung versuche nun, aus dem Stoß, den ihr Joe Biden in Zusammenarbeit mit Australien versetzt hat, eine europäische Krise zu machen, heißt es. Man sucht die Unterstützung europäischer Partner. Erste Erfolge sind die Solidaritätserklärungen des EU-Ratspräsidenten Charles Michel, der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (die ihren Job nicht unwesentlich der Zustimmung von Macron zu verdanken hatte) sowie kleinere diplomatische Maßnahmen der EU.

Die Europäische Union verschob aus Protest gegen das U-Boot-Geschäft die Vorbereitung für ein Handels- und Technologiegespräch mit den Vereinigten Staaten. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bezeichnete den Deal als "nicht akzeptabel". Auch Maas stellte sich an die Seite Frankreichs: "Was dort entschieden worden ist und die Art und Weise, wie diese Entscheidung zustande gekommen ist, ist irritierend. Und es ist ernüchternd nicht nur für Frankreich", sagte der SPD-Politiker in New York. ".

Tagesschau

Zudem wurde ein Außenministertreffen der USA mit Frankreich, Großbritannien und Deutschland am Rande der UN-Generalversammlung vorerst gestrichen.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg versucht sich laut der eben genannten Tagesschau-Meldung in Versöhnung. Er mahne zur "Geschlossenheit": Die beteiligten Länder sollten sich auf das große Ganze fokussieren. Frankreich, Großbritannien und die USA sollten einen Weg "nach vorne finden" und nicht zulassen, dass "diese Meinungsverschiedenheit der Allianz anhaltende Probleme" bereite.

Wie so oft, wenn sich Stoltenberg zu Konflikten äußert, etwa in der Ukraine, sind die Gegebenheit schwieriger gestrickt als seine Proklamationen. Dass die beiden Nato-Mitglieder USA und GB "seit sechs Monaten hinter dem Rücken Frankreichs" mit Australien über ein neues Sicherheitsbündnis verhandelt hatten, angeblich, ohne dass es Paris mitbekommen hat, sei "eine schallende Ohrfeige", so Le Monde, wo man sonst eher gemäßigte Töne anschlägt.

Diese trilaterale Vereinbarung, die auf den süßen Namen Aukus hört, hat für Frankreich eine doppelte Konsequenz: den Bruch des Vertrags von 2016, in dessen Rahmen es 12 U-Boote an Australien liefern sollte, aber vor allem seinen Ausschluss von einer gemeinsamen Strategie im indopazifischen Raum, dem entscheidenden Schauplatz der amerikanisch-chinesischen Konfrontation.

Le Monde

Macron hat ein Gesprächsangebot Bidens erstmal hintangestellt, so die Informationen der französischen Zeitung. Angesprochen wird, was Stoltenberg verschweigt: Wie groß ist der Vertrauensverlust der Europäer in die USA, nach Trump und nach Afghanistan? Wie groß ist der Wille, Schritte zu unternehmen, um sich aus der militärischen Abhängigkeit von den USA zu befreien?

Wie groß ist der politische Wille der EU-Staaten, die auch Mitglieder der Nato sind, eine eigenständige Politik gegenüber China zu verfolgen und damit eine von den USA unterschiedliche Position zu vertreten, statt einfach nur im Sog der amerikanisch-chinesischen Rivalität zu agieren?