UN-Ikone Maurice Strong: Zwischen Umweltpolitik, Öl-Business und Weltregierung
Seite 2: Nein zur Weltregierung, ja zur Klima-Steuer
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In Cloak of Green lässt sich nachvollziehen, wie Elaine Dewar zu der Überzeugung kommt, Maurice Strong sei Teil einer größeren Agenda, die sich der "global governance" verschrieben habe – und hier eben nicht verstanden als völkerrechtliches Regelwerk, sondern in seiner engeren Bedeutung: Weltregierung.
Rio wurde […] in der Öffentlichkeit als eine globale Verhandlung beschrieben, um die Notwendigkeit des Umweltschutzes mit der Notwendigkeit des Wirtschaftswachstums in Einklang zu bringen. Die Eingeweihten wussten, dass es noch andere, tiefgreifendere Ziele gab.
Dazu gehörten die Verlagerung nationaler Regulierungsbefugnisse auf riesige regionale Behörden, die Öffnung aller verbleibenden geschlossenen nationalen Volkswirtschaften für multinationale Interessen, die Stärkung von Entscheidungsstrukturen weit über und weit unter dem Einfluss der neu geschaffenen nationalen Demokratien und vor allem die Integration des sowjetischen und des chinesischen Imperiums in das globale Marktsystem.
Es gab keinen Namen für diese große Agenda, den ich je gehört hatte, und so benannte ich sie später selbst [nach dem häufig genutzten Schlagwort] – die Global Governance Agenda.
Elaine Dewar: Cloak of Green, S.294
In Genf hat Dewar 1989 die Gelegenheit, Strong direkt mit ihren Mutmaßungen zu konfrontieren. Ob er ein "One Worlder" sei, fragt sie angriffslustig, also Fürsprecher einer Weltregierung mit der UN an der Spitze. Strongs Antwort ist vielsagend:
"Ich sage seit Jahren, dass die Welt ein globales Regierungssystem [world system of governance] braucht. Irgendwann einmal werden die UN auf einer globalen Ebene von Systemen direkten Zugang brauchen, nicht den mächtigsten, aber einen zunehmenden […] die UN ist weit davon entfernt, eine Weltregierung zu sein," sagte er.
"Vielleicht wird sie nie eine allgemeine Steuermacht bekommen. Wir empfehlen, dass es eine Art von Steuer...im Umgang mit dem Klimawandel geben wird. [Der] plausibelste Weg [ist], wenn [eine] Regierung in Absprache zustimmt, die Steuer auf nationaler Ebene zu erheben und [einen] Teil auf [eine] vereinbarte Formel des Bruttosozialprodukts [zu legen] und ihn in einen von den Vereinten Nationen verwalteten Fonds zu stecken."
Eine solche Steuer, sagte er, würde definitiv nicht im Dienste einer Weltregierung erhoben werden. Dennoch war er überzeugt, dass es in nicht allzu langer Zeit zu einer Weltregierung kommen würde.
Elaine Dewar: Cloak of Green, S.294f
Dewars Schilderungen zufolge war Strong seiner Zeit nicht nur im Hinblick auf eine CO2-Steuer voraus – beziehungsweise auf ein CO2-Kontingent oder einen "Fußabdruck", wie er 2004 vom Seven-Sister-Ölkonzern BP erfunden und zuletzt von Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber als politische Maßnahme ins Spiel gebracht wurde.
Der kanadische Investigativjournalist James Corbett hat 2016 unter Zuhilfenahme von Dewars Buch die beeindruckende Biografie von Maurice Strong nachgezeichnet.
Corbett erwähnt darin unter vielen weiterführenden Informationen zu Strong auch dessen Vorhersage aus dem Jahr der Weltumweltkonferenz 1972, die weit über die bisherigen Forderungen der Umweltbewegung hinausgeht und ein anderes Kapital aufschlägt: eine Lizenzvergabe für Geburten.
Bei allem Einfluss, den er ausgeübt haben mag: Vater dieses Gedankens ist Strong freilich nicht. Als Vater der UNEP und des Welklimarats IPCC greift er hingegen nachvollziehbarerweise die neo-malthusianischen Erwägungen des Club of Rome zur Kontrolle des Bevölkerungswachstums auf, die sich auch im sogenannten Kissinger-Report der USA von 1974 finden (Implications of Worldwide Population Growth For U.S. Security and Overseas Interests).
Die Ursprünge dieser Überzeugung lassen sich bis zum Unesco-Gründer und überzeugten Eugeniker Julian Huxley zurückverfolgen, der Bruder des bekannten Brave-New-World-Autors Aldous Huxley. Eine DIY-Doku auf Youtube hat das auf unterhaltsame und dabei vor allem nicht allzu polemische Weise zustande gebracht.
2017 gibt der Mitverfasser des berühmten Limits-to-Growth-Berichts von 1972, Ökonom Dennis Meadows, dem niederländischen Aktivistenpaar von "We Love Earth" ein Interview. Darin betont er, dass die Klima-Krise nur "ein Symptom" der bevorstehenden malthusianischen Katastrophe sei. Eine Weltbevölkerung von acht oder neun Milliarden Menschen, so Meadows, lasse sich, wenn überhaupt, nur mit einer "ausgeklügelten Diktatur" aufrechterhalten.
Da es eine solche nie gegeben habe, setzt Meadows seine Hoffnungen in einen "allmählichen Niedergang" ("slow decline") des Bevölkerungswachstums. Als vielversprechend gilt ihm eine Einschränkung der weltweiten Energieversorgung, namentlich: von Öl.
Die Erschöpfung der Energie ist ein langsamer Prozess [im Hinblick auf einen allmählichen Niedergang der Bevölkerungswachstums]. Es wird auch in hundert Jahren noch Öl geben, aber es wird viel teurer sein.
Dennis Meadows
Eine Abschlussbemerkung
Dieser Text zielt nicht darauf ab, die Probleme herunterzuspielen, die aus einer rücksichtslosen Ausbeutung der Umwelt, einer wachsenden Weltbevölkerung oder einer verfehlten, nicht nachhaltigen Industriepolitik resultieren.
Ebenso wenig soll damit das Projekt der Umstellung auf erneuerbare und umweltfreundliche Energiequellen abgewertet werden. Vielmehr soll er dazu beitragen, das kritische Bewusstsein gegenüber der "großen Transformation" dort und nur dort zu schärfen, wo sie mit demokratischen und gemeinschaftlichen Werten aufgeklärter Gesellschaften unvereinbar ist.