US-Außenpolitik: Die Kurzsichtigkeit der Falken
Kenntnisarme Anti-Iran-Politik: Der Fortgang der Destabilisierung des Iraks und neue Cyberwar-Kompetenzen für die CIA
Es ist keiner der "üblichen Verdächtigen", der den USA vorhält, dass ihre Sprengsätze, vorbereitet durch Analysen von Falken, Chaos im Nahen Osten anrichten. Renad Mansour ist leitender Mitarbeiter im britischen Think Tank Chatham House, kein Redakteur bei RT und auch nicht bei PressTV.
Mansour beklagt den Tod seines irakischen Freundes Hisham al-Hashimi, der letzte Woche in Bagdad getötet wurde. Wer genau hinter dem Mordanschlag steckt, ist nur Insidern bekannt. Man geht davon aus, dass es politische Extremisten waren, die al-Hashimi umbrachten. Der Mord an dem Mann, der im "Herzen der irakischen Politik" (Mansour) aktiv war, als weithin geschätzter Kenner der Verhältnisse, Berater und Vermittler zwischen Opponenten, wirft ein Schlaglicht auf die sich zuspitzenden Spannungen im Irak, wie Mansour in seinem Beitrag über den "Sicherheitsexperten" darlegt.
Der Effekt der gezielten Tötungen
Hashimi hatte einen außergewöhnlichen Zugang zu Führern der schiitischen Milizen im Irak, bekannt auch hierzulande über den Sammelnamen al-Haschd asch-Scha'bi (englisch: Popular Mobilization Forces (PMF) und deutsch Volksmobilmachungskräfte). Darüber hinaus verfügte er über enge Kontakte zu Parteipolitikern und zur politischen Führung in Bagdad, zu früheren Premierministern wie auch zum aktuellen Amtsinhaber Mustafa al-Kadhimi. Der Beitrag von Renad Mansour zum Tod seines Freundes bietet einen seltenen Einblick in den innenpolitischen "Betrieb" Iraks. Er hält sich fern von den Zuschreibungen, die man aus Schlagzeilen kennt.
In diesen Schlagzeilen wurde zum Beispiel verhandelt, ob die durch eine US-Drohne am Flughafen in Bagdad erfolgte Ermordung des iranischen Generals Soleimani einen "Schürer von Krieg und Terror" traf, einen Kriminellen, oder einen Nationalhelden, als der er von Irans Führung gefeiert wurde (und wenn auch nicht ganz so pathetisch von Unterstützern auch in Deutschland).
In der Darstellung von Renad Mansour geht es um die Effekte, die der tödliche Anschlag auf Soleimani - und vor allem auch auf Abu Mahdi al-Muhandis, dem Vizechef der al-Haschd asch-Scha'bi - im Irak ausgeübt hat. Um es kurz zu fassen: Die USA haben mit dieser kurzsichtigen Aktion die extremen Kräfte gestärkt, al-Muhandis war angeblich dabei, die Kommandostruktur der schiitischen Milizen zu zentralisieren, um die aggressiveren Elemente unter Kontrolle zu bringen.
Stattdessen sei nach dessen Tod die Instabilität im Irak auf eine neue Bahn gebracht worden. Und mit dem Tod seines Freundes Hashimi, so Mansour, zeige sich die bisher letzte Entwicklungsstufe: Vermittelnde Stimmen zwischen den Lagern tauchen ab, aus Angst vor dem, was Hashimi passierte. Daher sein Fazit:
Hisham war ebenso sehr Opfer der amerikanischen Bomben, die genau von Falken-Analysten unterstützt wurden, die sich auf Hishams Informationen stützten, wie auch von den Männern, die auf ihn geschossen haben.
Renad Mansour
Blockieren des Wiederaufbaus von Mosul
Es gibt weitere Beispiele, die nicht aus dem Kreis der üblichen des "Anti-US-Amerkanismus" Verdächtigen stammen und die in Details wiedergeben, wie wenig die US-Führung auf örtliche Gegebenheiten Rücksicht nimmt, um eine "große Strategie" gegen Iran zu fahren. Es erstaunt dann doch, wie grob und pauschal die US-Führung im Irak verfährt - in einem Land, das die Militärs und die politische Führung nun doch schon seit 17 Jahren, seit dem Einmarsch der US-Truppen besser kennen sollten.
So berichtet Reuters von den Hintergründen, warum der Wiederaufbau der irakischen Stadt Mosul stockt, woran die US-Politik an einen großen Anteil hat. Sie hat selbst Parteien, die ihr wohlgesinnt waren, so sehr entfremdet, dass sie lieber Hilfsangebote von iranischer Seite annehmen - ein eigenartiges Ergebnis einer Politik, die doch genau das Gegenteil anstrebt, nämlich die Schwächung des "iranischen Einflusses". Und ein Armutszeugnis angesichts dessen, dass die US-Luftwaffe erheblich für die Zerstörungen in Mosul mitverantwortlich war.
Aber augenscheinlich, so die Hintergrundinformationen der Nachrichtenagentur, geht es den USA gegenwärtig mehr darum, die al-Haschd asch-Scha'bi, die noch Verbündete im Kampf gegen den IS waren, und deren Unterstützer auf eine Weise auszuspielen, die vor allem destruktive Wirkung hat.
Größere CIA-Befugnisse
Das ist ein umso beunruhigender Ansatz, wenn die Nachricht stimmt, wonach US-Präsident Trump der CIA weitaus größere Befugnisse für Cyberattacken erteilt hat. Das Blog Moon of Alabama, ein scharfer und genauer Kritiker der US-Strategien, hält es für wahrscheinlich, dass amerikanische Cyber-Attacken eine Rolle bei den "Zwischenfällen" gespielt haben, die zuletzt aus Iran gemeldet wurden - mit dem spektakulären Höhepunkt eines größeren Schadens an der Atomanlage in Natans (Natans: Sabotage an iranischer Atomanlage?).
Wie bei Moon of Alabama ausgeführt wird, bergen solche Angriffe das Risiko einer Ausweitung - auch die Gegenseite nimmt sich dann das Recht für solche Attacken. Kein Zufall, dass der iranische Sender PressTV mit einem Bericht über Verwundbarkeiten des US-Miltärnetzes kontert.
Es gibt aber noch ein anderes Problem: Ein solcher Krieg aus der Ferne abstrahiert noch viel mehr von örtlichen Verhältnissen. Es zählt die große Strategie, die von der Übermittlung von Feindbildern an die große Öffentlichkeit unterstützt wird. Kräfte, die eine Gesellschaft zusammenhalten, indem sie vermitteln, sind in solchen Kalkülen keine wichtigen Faktoren.
Erste Hinweise darauf, wie der Herausforderer Trumps, Joe Biden, seine Nahost-Politik gestalten will, lassen nicht darauf hoffen, dass er einen grundsätzlich anderen Kurs fahren wird. Auch bei der Iran-Politik werden wahrscheinlich nicht nur die Sanktionen bleiben.