Natans: Sabotage an iranischer Atomanlage?
Auf Satellitenbildern sind erhebliche Zerstörungen an der Urananreicherungsanlage zu sehen. Welche Rolle spielen Israel und die USA?
Am Donnerstag, den 2. Juli, wurde ein Feuer in der iranischen Atomanlage Natans (oft: Natanz) gemeldet. Da war offiziell nur von einem "beschädigten Schuppen" die Rede, wie erste Meldungen hierzulande berichteten. Mittlerweile wird von einem weitaus größeren Schaden ausgegangen, nicht nur in westlichen Berichten, sondern auch in iranischen Meldungen.
Einig sind sich viele - aber nicht alle - Darstellungen darin, dass das Feuer Folge einer Explosion war, die absichtlich herbeigeführt wurde, aller Wahrscheinlichkeit also nicht auf einen Unfall zurückzuführen ist, sondern auf einen absichtlichen Sabotageakt. Der Zwischenfall ist jedenfalls ein Politikum, der die Spannungen zwischen Iran und den USA und Israel weiter schürt. Daher sind die Berichte dazu immer auch mit einem politischen Interesse verbunden.
Deutlich wird das bei den Einschätzungen dazu, welche Rolle Israel zugeschrieben wird - auch im Land selbst, wo Leaks eine Federführung des israelischen Geheimdienstes bekräftigen -, welche Konsequenzen die Zerstörungen in der Uran-Anreicherungsanlage auf das Nuklear-Programm Irans haben wird, ob "Vergeltungsaktionen" zu erwarten sind, ob damit der Konflikt zwischen Iran/USA/Israel, der von vielen mehr oder weniger klandestinen Operationen geprägt ist, auf eine neue Eskalation zuläuft.
Verbindung mit dem US-Wahlkampf
Dass der Konflikt in eine - mögliche - "neue gefährliche Phase" eintreten könnte, dazu machen wieder einmal Autoren der New York Times einigen Wind, schon im ersten Absatz ihres Artikels zum "Anschlag auf das iranische Nuklearprogramm". Doch bemüht die NYT auch hier, ähnlich wie bei dem Vorwurf, wonach Russland Killer-Kopfgeld an Taliban zahlen soll, auffällig wieder das Wort "anscheinend" und den Konjunktiv: "Der Konflikt zwischen den USA und Teheran scheint in eine potentiell gefährliche Phase zu eskalieren".
Auch beim Fall Natans wird eine Verbindung zum US-Wahlkampf hergestellt: Der Konflikt werde sich wahrscheinlich während des Präsidentschaftswahlkampfes weiter aufbauen. Es ist also viel politische Bewertung im Spiel, die sich an Opportunitäten ausrichtet. Gesicherte Informationen sind spärlich.
Große Zerstörungen
So deutlich die Dreistigkeit eines Sabotageaktes auf Natans wäre - die Atomanlage steht unter Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA und untersteht damit vereinbarten Regelungen -, die weiteren Erkenntnisse dazu sind wenig gesichert. Eine Ausnahme bilden die Satellitenaufnahmen, die das Institute for Science and International Security (ISIS) vor zwei Tagen ins Netz gestellt hat. Die Luftaufnahmen vom "Natans-Zentrifugenmontagezentrum" vom 28. Juni, also vor der Explosion, und dem 8. Juli, nach der Explosion, zeigen erhebliche Zerstörungen.
Interessant an der Analyse des Instituts, das vom früheren IAEA-Nuklearinspektor David Albright geründet wurde, ist, dass man dort einen Unfall nicht ausschließt. Sollte die Explosion einer Gas-Pipeline für die Zerstörung verantwortlich sein, so könnte das auch "rein zufällig" passiert sein, wie auch durch einen Sprengsatz oder einen Cyber-Angriff, der zu einem Leck mit entzündlicher Wirkung führte.
Iranisches Nuklearprogramm zurückgeworfen
Während man beim Institute for Science and International Security (ISIS) vorsichtig bleibt, kursieren anderswo Annahmen, die eine mögliche israelische Beteiligung im Hintergrund mit der Frage kombinieren, wie weit die Schäden in Natans das iranische Anreicherungsprogramm zurückgeworfen hat. So zitiert Times of Israel Einschätzungen von anonymen Geheimdienstvertretern mit der Einschätzung, dass "die Iraner um bis zu zwei Jahre zurückgeworfen" wurden. Andere schätzen den "Set Back" auf lediglich ein Jahr.
Es wird auch darüber spekuliert, ob es eine neue US-israelische Strategie zur Durchführung von verdeckten Anschlägen gebe, die bei Vermeidung einer kriegerischen Zuspitzung ("all-out conflict") versuchen, die iranischen Atomanlagen zu schädigen und Generäle der iranischen Revolutionsgarden (IRGC) auszuschalten.
Die Rolle Israels
Spiegelverkehrt zu dieser Behauptung militärischer Fähigkeiten spielen iranische Nachrichtenagentur-Meldungen genau diese Schlagkraft Israels eher herunter. Man wisse über die Ursache genau Bescheid, so der Sprecher des Obersten Nationalen Sicherheitsrates Irans, aber man gebe aus Sicherheitsgründen nichts bekannt, außerdem seien die Schäden nicht so groß.
Durchscheinen lässt man damit, dass man nach Verrätern im Inneren sucht. Dass die Durchführung eines Anschlags bei Tätern innerhalb Irans vermutet wird, bei oppositionellen Gruppen, die in Verbindung mit Israel oder den USA stehen. Jedenfalls verfolgt man diese Spur.
Auch der nach eigenen Angaben mit iranischen Quellen gut vernetzte belgische Journalist Elijah J. Magnier bekräftigt, u.a. mit Hinweis auf den tödlichen Drohnen-Anschlag im Januar auf den iranischen General Soleimani, die Annahme, dass die USA und auch Israel über gute (Informations-)-Verbindungen verfügen, die aus Iran kommen. Nach seinen anonymen Informanten geht man in Iran davon, dass Israel und die USA im Fall der Zerstörungen in Natans mitgewirkt haben: "Die Sabotage-Aktionen wurden von Israelis mit Zustimmung der USA und der Hilfe eines Golfstaates durchgeführt" - weshalb man sich in Teheran auch Gedanken über langfristig angelegte Vergeltungsaktionen mache.
Auffallend ist in seinem Bericht eine Ambivalenz, die bei der Einschätzung zu einer Serie von Anschlägen in Iran zutage kommt. Es gab in den letzten Wochen, wie Magnier berichtet, mehrere Explosionen in Iran, die natürlich Spekulationen über eine Mitwirkung auswärtiger Gegner anregen (zuletzt auch bei einem Stromausfall gestern in Teheran, der sich allerdings als übertrieben herausstellte, ein "Gerücht", so die Nachrichtenagentur Fars News).
Laut Informationen Magniers werden diese Vorfälle in Teheran zwar einerseits im Kontext der Explosion in Natans gesehen, anderseits aber will man dem Gegner anscheinend auch keine allzu große Schlagkraft zusprechen ("Not all explosions are related to the saboteurs"). Ob sich die Lage zwischen Iran und den USA verschärfen wird, wird man daran beobachten können, wie die USA künftig auf die iranischen Öltanker reagieren werden, die Kurs auf Venezuela nehmen. Da wurde aber schon einmal spekuliert und die US-Führung entsprach den Befürchtungen nicht. Man hielt sich militärisch zurück und beließ es bei Drohungen.
Dass der Ton im Konflikt härter wird, ist eine Sache; die andere ist, was sich politisch neu anbahnt. Und dazu gibt es eine aktuelle Nachricht, die die US-Regierung nicht erfreuen wird. Wenn stimmen sollte, was die Webseite oilprice berichtet, so wäre die Zusammenarbeit zwischen China und Iran doch militärisch sehr viel bedeutender, als es andere Berichte sehen, die von vorwiegend diplomatischen Zeichen zwischen Peking und Teheran ausgehen. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums betonte allerdings, dass es zur Abmachung viel "propagandistisch fabrizierte News" gebe. Das ist nichts Neues.