US-Regierung betont "Recht auf Selbstverteidigung" im Weltraum
Die USA müssen ihre Weltraumsysteme schützen, die auch von Terroristen angegriffen werden könnten, aber lehnen kategorisch neue Abkommen zur Beschränkung des Rüstungswettlaufs ab
Im Oktober hat das Weiße Haus Teile der neuen Direktive zur Weltraumpolitik veröffentlicht. Deutlich wurde, dass die US-Regierung uneingeschränkte Handlungsfreiheit im Weltraum beansprucht und die nationalen „Weltraumkapazitäten“, wozu auch die Bodenstationen und die Verbindungen zu den Weltraumsystemen gehören, für ihre nationalen Interessen als entscheidend betrachtet (Unbehinderte Handlungsfreiheit im Weltraum). Die Warnung, dass Gegner, die den Weltraum für feindliche Zwecke nutzen wollen, auch mit militärischen Schlägen rechnen müssen, wurde gestern von Robert Joseph, Unterstaatssekretär im Außenministerium und zuständig für Waffenkontrolle und Internationale Sicherheit, auf einer Rede am George C. Marshall Institute noch einmal explizit bestätigt.
Joseph erläuterte die neue Weltraumpolitik und versicherte, die USA würden kein Monopol auf den Weltraum erheben. Die friedliche Nutzung stünde allen offen, die USA würden den Weltraum „zum Vorteil der gesamten Menschheit“ erforschen und nutzen, was er als zentrales Prinzip der Politik bezeichnete. Wirtschaftlich würden der Weltraum und die entsprechenden Technologien für die USA immer wichtiger. Aber auch die Außenpolitik, das Militär und Geheimdienste wären ohne satellitenbasierte Anwendungen für Kommunikation, Information, Aufklärung oder Navigation nicht mehr handlungsfähig.
Die neue Weltraumpolitik sei daher auch im Hinblick auf den langfristigen Schutz vor neuen Bedrohungen entwickelt worden. Gefahren gebe es viele. Meteore, Sonnenwinde oder Abfall können die Satelliten gefährden, aber Joseph stellte besonders die Bedrohungen durch mögliche Gegner heraus, die mit Antisatelliten- oder EMP-Waffen, Jammern für die Satellitenverbindungen, Störungen der Sensoren oder Angriffen auf die Bodenstationen die USA gefährden könnten. Auch mit Strategien der Täuschung könne die Informationsbeschaffung behindert werden.
Joseph warnte davor, dass nicht mehr nur Staaten, sondern auch Terroristen beispielsweise die kommerziellen und militärischen Satelliten angreifen und außer Kraft setzen könnten. So würden die Positionen und Umlaufbahnen der Satelliten beobachtet und die Daten ins Netz gestellt. Terroristen könnten GPS-Jammer einsetzen oder Bodenstationen und Kommunikationsknoten mit traditionellen Waffen angreifen. Terroristen hätten längst die Schwächen der USA erkannt und sich auch schon in der Vergangenheit gegen die Wirtschaft gerichtet. Joseph nannte als Beispiel dafür die Anschläge vom 11.9.
Unsere Infrastruktur im Weltraum könnte als äußerst lohnendes Ziel gesehen werden. Heute haben auch mehr Akteure größeren Zugang zu neuen Technologien und Handlungsmöglichkeiten, was ihre Fähigkeiten verbessert, die amerikanischen Weltraumsysteme, -dienste und –kapazitäten zu beeinträchtigen.
Die Bedrohungen müsse man sehr ernst nehmen, da von der Telekommunikation über den Verkehr bis hin zur Stromversorgung, die Finanzinstitutionen oder die Behörden die gesamte Gesellschaft von den Weltraumtechnologien abhängt. Die USA seien vom Weltraum stärker abhängig als alle anderen Staaten. Es drohe ein „Pearl Harbor“ im Weltraum. Ebenso wie die USA das Recht hätten, die Infrastruktur in ihrem Territorium zu verteidigen, so hätten sie auch das Recht, die amerikanische Infrastruktur im Weltraum zu schützen. Das sei Teil des Weltraum-Abkommens von 1967.
Da nicht nur Terroristen angeblich Angriffsmöglichkeiten haben, sondern „eine ganze Reihe von Staaten Möglichkeiten entwickelt und erworben hat, amerikanische Weltraumsysteme abzuwehren, anzugreifen und zu beschädigen“, müsse die US-Regierung für den Schutz der Weltraumsysteme und der nationalen Interessen im Weltraum sorgen.
Um dies zu erreichen, müssen die USA im Weltraum technisch und operational an der Spitze bleiben, wie dies in der Luft, auf dem Land und zur See auch der Fall ist. Die USA müssen insbesondere die Mittel besitzen, Weltraumsysteme als integrierter Bestandteile ihrer Kapazitäten zur Bewältigung von Krisen, Abwehr von Konflikten und Durchsetzung einzusetzen, wenn die Abschreckung scheitert.
Noch deutlicher sagte Joseph, dass sich kein Staat und kein nichtstaatlicher Akteur der Illusion hingeben sollten, “dass die USA die Verwehrung unseres Rechts auf die Nutzung des Weltraums für friedliche Zwecke dulden werden”. Die Wahrnehmung des Rechts auf Selbstverteidigung im Weltraum schließe nicht internationale Kooperation aus, beispielsweise bei der Internationalen Raumstation oder der Erforschung des Weltraums durch die geplanten Missionen zum Mond und Mars.
Neue Weltraumabkommen werde die US-Regierung aber nicht eingehen. Das Weltraum-Abkommen von 1967 (Outer Space Treaty) reiche völlig aus. Es garantiere das Recht auf freien Zugang zum Weltraum und das Recht auf Selbstverteidigung. Das Abkommen verbiete zudem, Massenvernichtungswaffen im Weltraum zu platzieren und die Systeme anderer Staaten anzugreifen. Mit der Betonung auf Massenvernichtungswaffen, damals waren damit Atomwaffen gemeint, macht Joseph deutlich, dass andere Waffen durchaus von den USA entwickelt und eingesetzt werden können.
Die Ablehnung weitergehender Abkommen gegen einen Rüstungswettlauf im All, wie dies etwa im vorgeschlagenen PAROS-Abkommen (Prevention of an Arms Race in Outer Space) verlangt würde, zeigt erneut, dass sich die US-Regierung weder durch internationale Abkommen binden, noch die Aufrüstung im Weltall verhindern will. Joseph behauptet schlicht, es gebe keinen Rüstungswettlauf und es sei auch keiner in Sicht. Das widerspricht freilich der Aussage, dass die USA auch militärisch die Weltraumhoheit behalten und „alle Optionen“ entwickeln müssten, um „unsere Infrastruktur im Weltraum gegenüber Drohungen zu verteidigen“.