US-Regierung umgarnt den einstigen Schurkenstaat Eritrea
Geostrategische Interessen am Horn von Afrika und die neue Politik Äthiopiens
Gegenwärtig scheint in Äthiopien ein Politikwechsel stattzufinden. Dabei geht es nicht nur um innenpolitische Weichenstellung und Frieden mit Eritrea, sondern es geht insbesondere auch um eine Neubestimmung der wirtschaftlichen und politischen Allianzen des Landes am Horn von Afrika. Vor allem die geostrategischen und ökonomischen Interessen der USA sowie ihrer arabischen Bündnispartner scheinen dabei eine Rolle zu spielen. In der allgemeinen Berichterstattung werden diese Hintergründe in der Regel kaum erwähnt. Vielmehr wird geradezu enthusiastisch der neue Premier als Friedensengel gefeiert und quasi in eine Reihe mit Nelson Mandela und Barack Obama gestellt.
Am 9. Juli dieses Jahrs hat sich der neue Premierminister - nicht lange nachdem er im April dieses Jahres die Regierungsgeschäfte übernahm - mit US-Vizepräsident Mike Pence getroffen. Pence war des Lobes voll für den neuen Kurs. Menschenrechtspolitik, Wirtschaftsreformen und Friedensgespräche mit Eritrea wurden gelobt. Eine stärkere Partnerschaft zwischen USA und Äthiopien wurde prognostiziert und begrüßt.
Kurz danach traf sich der Premierminister Abiy Ahmed mit IWF-Chefin Lagarde und dem Weltbankpräsidenten Jim Yong Kim. Begleitet wurden diese Treffen von ähnlich wohlwollenden Stellungnahmen seitens der IWF-Chefin und des Weltbankpräsidenten.
Auch gegenüber Eritrea schlagen amerikanische Politiker neuerdings ganz andere Töne an. Das erste Mal seit vielen Jahren besuchte ein hochrangiger US-Vertreter - Donald Yamamoto - das ehedem stark kritisierte und isolierte Land. Es scheint, dass die USA Interesse an deutlich mehr Einfluss in der Region haben als in der Vergangenheit. Die neue äthiopische Regierung scheint diesen Interessen willig entgegen zu kommen.
Der republikanische Abgeordnete Dana Rohrabacher, Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Beziehungen in Europa, Eurasien und entstehende Bedrohungen, teilte dazu in einer Stellungnahme am 27. April mit:
Dana Rohrabacher … forderte diese Woche Außenminister Michael Pompeo auf, die Beziehungen mit Eritrea zu verbessern und die militärische Kooperation mit dem notleidenden Land wieder aufzunehmen. In einem Brief an den kürzlich bestätigten Topdiplomaten schrieb der kalifornische Republikaner: "Eritrea besiegte die stalinistische Diktatur in Äthiopien, um 1991 die Unabhängigkeit zu erlangen", und ist ein wichtiges Mitglied der Von Saudi-Arabien und den VAE geführten Koalition im Kampf gegen die vom Iran gestützten Huthis in Jemen. Eritrea hat exzellente Beziehungen mit Israel, den VAE und Ägypten. Eine Kooperation mit Eritrea mach Sinn, um auf den wachsenden chinesischen Einfluss in der Region, wozu auch deren neuer Militärstützpunkt in Dschibuti und dem weitergehenden Kampf gegen den radikalen Islam zu reagieren." 2009 verhängten die Vereinten Nationen auf Druck der Obama-Regierung Sanktionen gegen das Land. "Die Obama-Sanktionen sind eine Last und ein Stigma für Eritrea. Sie verhindern wirtschaftliche Entwicklung und untergraben unsere bilaterale Beziehung.
Dana Rohrabacher
Hier ist im Hinblick auf Eritrea - ganz anders als bisher - keine Rede mehr von Menschenrechtsverletzungen, Unterstützung von Terroristen oder Diktatur. Wie generell in der Außenpolitik der USA zu beobachten ist, werden nur dann Menschenrechte eingefordert, wenn es machtpolitisch ins Kalkül und in die Strategie passt.
Bisher war Eritrea eher ein Schurkenstaat nun klingt es plötzlich ganz anders. Bezeichnend ist auch, dass es keinerlei Kritik seitens der USA an ihren arabischen Bündnispartnern (Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate) im Hinblick auf Unterdrückung, Frauenrechte und Menschenrechtsverletzung gibt. Man ist schließlich in einer Koalition gegen den Iran und ökonomisch und geopolitisch auch gegenüber Russland und China.
Hinzu kommen eigene Rivalitäten und Einflussinteressen der verschiedenen arabischen Blöcke: Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten auf der einen sowie Iran und Katar auf der anderen Seite. Im Jemen prallen diese Interessen zurzeit in einem mörderischen Krieg aufeinander.
Interessant ist an dem Rohrabacher-Zitat vor allem der Verweis auf China. Hier deutet sich an, worum es den USA wirtschaftlich und geostrategisch geht: man will den Einfluss von China zurückdrängen und in der Folge selbst auch ökonomisch profitieren.
China hat gerade in Äthiopien viel investiert und den Hafen in Dschibuti ausgebaut, seine einzige ausländische Militärbasis befindet sich dort. Äthiopien ist in Afrika geradezu ein Modellland für chinesische Investitionen geworden. Dabei ist viel in moderne Infrastrukturprojekte investiert worden, die eine wichtige Voraussetzung für eine eigenständige und almosenunabhängige ökonomische Entwicklung Äthiopiens sind. Vor diesem Hintergrund ist auch der sich anbahnende neue Zugang zu den Häfen in Eritrea ein Vorteil in Konkurrenz zu China.
Auch aufgrund der wachsenden strategischen Bedeutung der Region am Horn von Afrika (Nähe zum machtpolitisch umkämpften Nahen Osten) stört die USA der chinesische Einfluss, und es liegt im geostrategischen Interesse, dass die bisherige Politik der relativen Unabhängigkeit von den großen Machtblöcken in Äthiopien ein Ende findet.
Hat Äthiopien hier einen weiteren starken Bündnispartner zur Entwicklung des Landes und zum Wohl der Mehrheit der Bevölkerung gewonnen? Geht es den USA dabei tatsächlich vor allem um Frieden und Menschenrechte in Äthiopien? Geht es um die wirtschaftliche Entwicklung zum Wohle der Mehrheit der Menschen in Äthiopien?
Aus meiner Sicht darf all das bezweifelt werden. Auch wenn die neue Regierung zurzeit umgarnt wird, ist doch zu erwarten, dass eine einseitige Abhängigkeit von den USA und ihren arabischen Partnern langfristig nicht der Entwicklung des Landes dient. Eine langjährige Partnerschaft mit China wird zudem aufs Spiel gesetzt und wichtige Zukunftsprojekte - wie der Staudamm - scheinen ungewiss. Hier werden die Unabhängigkeit des Landes und eine erfolgreiche ökonomische und soziale Entwicklung aufs Spiel gesetzt.
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