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US-Truppen bleiben auf Mindanao

Bevölkerungsmehrheiten in den philippinischen Provinzen. Blau: Katholiken. Grün: Moslems. Karte: 23prootie. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Auftragskiller relativiert Anschuldigung Dutertes - Ausschussvorsitzende soll Wahlkampfspenden von Drogenhändlern genommen haben

Meldungen in zahlreichen westlichen Medien [1], dass der philippinische Präsident Rodrigo Duterte den Abzug der in seinem Land stationierten US-Truppen angeordnet hat, haben sich als unzutreffend herausgestellt: Inzwischen erklärte der philippinische Außenminister Perfecto Yasay [2], der Präsident habe lediglich darauf aufmerksam gemacht, dass es hinsichtlich der Sicherheit der amerikanischen Militärangehörigen im moslemischen Süden des Inselstaates Probleme gebe, aber keineswegs einen Abzug gefordert.

Duterte hatte vorher verlautbart [3], die Präsenz von US-Truppen rege die Leute auf Mindanao auf: "Wenn sie einen Amerikaner sehen, wollen sie ihn töten." Dabei hatte er auf die blutigen Konflikte Bezug genommen, die die USA dort während ihrer Kolonialherrschaft mit moslemischen Rebellen ausfochten. An diesen Krieg hatte vor einigen Monaten auch Donald Trump erinnert, als er im US-Präsidentschaftswahlkampf eine apokryphe Anekdote zitierte, der zufolge General John Pershing damals den Terrorismus besiegte, indem er bei Exekutionen Patronenspitzen in Schweineblut tauchen und diese Nachricht durch begnadigte Terroristen verbreiten ließ (vgl. Papst kann Trump nicht bremsen [4]).

Der philippinische Verteidigungsminister Delfin Lorenzana sagte dem Parlament in Manila auf eine Anfrage hin, man benötige die auf Mindanao stationierten 107 US-Militärs weiter zur Terrorbekämpfung, weil die philippinischen Streitkräfte selbst nicht über entsprechende Aufklärungsmöglichkeiten verfügten. Deshalb würden die militärischen Partnerschaftsverträge mit den USA nicht angetastet. Es gebe zwar ein gewisses Risiko, dass US-Militärs von islamistischen Terroristen angegriffen oder entführt würden - das aber sei beherrschbar, weil sie außerhalb ihres Camps Navarro entweder selbst bewaffnet seien oder von philippinischen Soldaten geschützt würden.

Auf dem Sulu-Archipel und in den diesen benachbarten Gebieten tobt seit Jahrzehnten ein bewaffneter Konflikt, der auch nach einem ein Autonomiestatut für die Provinzen Basilan, Lanao del Sur, Maguindanao, Sulu und Tawi-Tawi und nach einer Beteiligung der moslemischen Moro National Liberation Front (MNLF) an der Macht nicht erlosch: Die mit der MNLF konkurrierenden Gruppen Moro Islamic Liberation Front (MILF) und Abu Sayyaf verüben weiter Terrorakte - darunter Bombenanschläge auf Kinder, Handgranatenangriffe auf Zivilisten und Enthauptungen größerer Gruppen von Gefangenen und Entführten. Sie wollen unter anderem Palawan und ganz Mindanao unter ihre Herrschaft bringen - also auch Gebiete in denen moslemische Volksgruppen in der Minderheit sind (vgl. 20.000 Menschen auf der Flucht [5]).

Lorenzana zufolge hat man die Terrorgruppe Abu Sayyaf, die mit dem Islamischen Staat (IS) kooperiert und dessen schwarzes Logo übernommen hat, inzwischen auf Basilan im Griff und bekämpft sie nun hauptsächlich auf Sulu. Am Donnerstag sollen sich in Sumisip 23 Abu-Sayyaf-Mitglieder Oberst Thomas Donato und seiner 104en Brigade ergeben haben, nachdem die Gruppe zuvor hart attackiert wurde und zahlreiche Verluste erlitt. Dem Bürgermeister von Sumisip zufolge erwartet die Armee weitere Kapitulationen.

Downton Abbey meets Narcos

Der Auftragskiller Edgar M., der Duterte beschuldigt hatte, in seine Aufträge verwickelt zu sein, nahm diesen Vorwurf am Donnerstag vor einem Parlamentsausschuss teilweise wieder zurück: In einem vierstündigen Kreuzverhör gab der Mann zu, dass er weder persönlich Aufträge von Duterte empfing noch solchen Aufträgen beiwohnte. Allerdings habe er gesehen, wie der damalige Bürgermeister mit einem Polizisten sprach, der später angeblich einer Todesschwadron einen Tötungsbefehl gab. Für ihn, so der 57-Jährige, sei damals klar gewesen, dass der Polizist einen Befehl von Duterte weitergab. Außerdem glaubt er, dass Geld, dass er damals erhielt, aus der Stadtkasse kam. Mehrere Senatoren äußerten nach der Anhörung Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen [6], der sich an vieles nicht mehr erinnern kann.

Gegen die ehemalige Ausschussvorsitzende Leila de Lima, die M. als Zeugen vorlud, wird inzwischen selbst ermittelt: Nachdem neun Gefängnisinsassen aussagten, sie habe während ihrer Amtszeit als Justizministerin Wahlkampfspenden von Drogenhändlern genommen und Gefängnisschmuggel ermöglicht, entzog ihr der Ausschuss am Montag den Vorsitz. De Lima bestreitet diese Vorwürfe und vermutet ein politisches Manöver.

Downton Abbey meets Narcos

Der jetzige Präsident selbst spielte als Bürgermeister von Davao offensiv mit Lynchjustizvorwürfen, wenn er öffentlich äußerte, wer in seiner Stadt straffällig werde, der sei "bald tot". Seine Heimatstadt Davao entwickelte sich unter seiner Null-Toleranz-Politik in 22 Jahren von der Mordhauptstadt des Landes zu einer der sichersten Städte der Philippinen. Im Präsidentschaftswahlkampf hatte er angekündigte, als Staatschef die Todesstrafe wiedereinzuführen und 100.000 Kriminelle hinrichten zu lassen. Und nach seiner Wahl warnte er alle Verbrecher, sie sollten das Land besser binnen weniger Wochen verlassen.

Medienberichte, dass er als Präsident für Lynchmorde verantwortlich sei, überraschen deshalb nur bedingt. Die dafür aktuell genannte Zahl von 3.100 umfasst allerdings nicht nur die bei Festnahmen von der Polizei erschossenen Personen, sondern alle ungelösten Tötungsfälle seit Juni. Die bekannteste Tote ist Maria Aurora Moynihan [7], die mit einem umgehängten Schild erschossen aufgefunden wurde, auf dem stand, sie sei eine "Drogenhändlerin für Prominente".

Die 45-Jährige war die Tochter einer Bauchtänzerin und des 1991 verstorbenen Hochadeligen Antony Moynihan. Britische Medien [8] schilderten den Lord in ihren Nachrufen als wichtige Figur im Heroin-, Betrugs- und Bordellgeschäft, der vom früheren de-facto-Diktator Ferdinand Marcos geschützt wurde und diesem im Gegenzug Informationen lieferte.


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[1] http://www.focus.de/politik/ausland/rodrigo-duterte-philippinischer-praesident-ordnet-abzug-von-us-militaer-an_id_5930223.html
[2] http://www.philstar.com/headlines/2016/09/15/1623983/us-troops-remain-mindanao-dnd
[3] http://www.faz.net/aktuell/militaerberater-auf-philippinen-wenn-sie-einen-amerikaner-sehen-wollen-sie-ihn-toeten-14432946.html
[4] https://www.heise.de/tp/features/Papst-kann-Trump-nicht-bremsen-3378523.html
[5] https://www.heise.de/tp/features/20-000-Menschen-auf-der-Flucht-3391850.html
[6] http://www.nytimes.com/2016/09/23/world/asia/philippines-duterte-edgar-matobato-hitman.html
[7] http://www.ibtimes.co.uk/drug-pushing-barons-daughter-follows-him-early-grave-dutertes-crackdown-1582365
[8] http://www.telegraph.co.uk/news/obituaries/6604750/Lord-Moynihan.html