USA: Jeder Zehnte arbeitslos

In den USA gibt es derzeit genauso viele Arbeitslose wie Millionäre. Die Krise wird die Mittelschicht ausrauben

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In den USA übersteigt die Zahl der bestätigten Covid-19-Infektionsfälle bald die 500.000-Marke, etwa 17.000 Todesfälle wurden bisher verzeichnet. Über die Genauigkeit der Zahlen lässt sich streiten, doch fest steht jedenfalls, dass in den letzten drei Wochen mindestens 16 Millionen Menschen in den USA Arbeitslosenhilfe beantragt haben. Die Zahl der Arbeitskräfte hatte noch im Februar 2020 einen Höchststand von 164,6 Millionen Personen erreicht, nun ist mindestens jeder Zehnte wegen der Pandemie ohne Arbeit. Laut New York Times gehen mehrere Ökonomen davon aus, dass die Arbeitslosenzahl im April auf mehr als 20 Millionen Menschen steigen könnte.

Im Rahmen des Coronavirus-Hilfsprogramms in Höhe von 2 Billionen US-Dollar, das Präsident Trump Ende letzten Monats unterzeichnete und das als CARES-Gesetz bekannt ist, werden rund 80% der Amerikaner direkte Zahlungen von bis zu 1.200 US-Dollar pro Erwachsenem und 500 US-Dollar pro Kind erhalten. Diese Woche wurden die ersten Auszahlungen getätigt. Doch Amerikaner, die bisher keine Steuerrückerstattungen durch direkte Einzahlung vom IRS erhalten haben, müssen sich noch gedulden. Sie erhalten Papierschecks, die erst am 24. April mit der Post verschickt werden.

Trotz des Lockdowns in einigen Metropolregionen drängt Trump auf einen baldigen Exit. "Wir haben einige furchtbare Tage vor uns, aber wir werden einige wunderbare Tage vor uns haben, wir werden das hinter uns bringen", sagte Trump am Mittwoch bei der Pressekonferenz der Coronavirus-Task Force.

Weitere Maßnahmen zur Unterstützung von Arbeit

US-Regierung plant weitere Maßnahmen zur Unterstützung von Arbeitnehmern. Die Republikaner haben zusätzliche 250 Milliarden Dollar vorgeschlagen, um ein Kreditprogramm für notleidende Kleinunternehmen aufzufüllen, während die Demokraten weitere 250 Milliarden Dollar wollen. 100 Milliarden Dollar für Krankenhäuser sowie 150 Milliarden Dollar für die Regierungen der Bundesstaaten und Kommunen. Zu einer Entscheidung ist es noch nicht gekommen.

Am Donnerstagmorgen kündigte die US-Notenbank eine Reihe neuer Maßnahmen an. Zusätzlich zu dem im März verabschiedeten Rettungspaket in Höhe von 2,2 Billionen US-Dollar sollen 2,3 Billionen US-Dollar in notleidende Unternehmen und Kommunalverwaltungen gesteckt werden sollen, um der Wirtschaft bei der Bewältigung der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie zu helfen. Dieses Programm beinhaltet auch den Kauf von Unternehmensanleihen und "riskanteren Schulden".

Mit diesen Maßnahmen gehe die Fed weit über das hinaus, was sie in der Finanzkrise von 2008 versucht habe, und weite ihre ohnehin schon beträchtlichen Anstrengungen zur Abfederung der Konjunktur und zur Beruhigung der Märkte aus, zu denen Geldmarktinterventionen und eine unbegrenzte Kampagne zum Ankauf von Anleihen gehören, kommentiert die New York Times.

Kritik an Bail-Out für Hedge-Fonds

Die USA sind bei der Zahl der Millionäre weltweit führend. Jüngsten Daten der Federal Reserve zufolge besaßen die obersten 1 Prozent der US-Haushalte 53,5 Prozent der Aktien und Investmentfondsanteile. Amerika hat im vergangenen Jahr 675.000 neue Millionäre hinzugewonnen, womit die Gesamtzahl auf knapp 18 Millionen Menschen gestiegen ist.

Doch die Zahl der Millionäre in den USA oberhalb dieser Schwelle sei bis Freitag um mindestens 500.000 gesunken, wohlhabende Amerikaner spüren eher die Auswirkungen eines freien Falls der Aktienmärkte, da sie mehr Aktien besitzen als die Gesamtbevölkerung, schreibt Fox News. Die reichsten der Reichen haben dramatische Verluste hinnehmen müssen: Gemäss dem Bloomberg-Milliardärsindex haben die 500 reichsten Menschen der Welt seit Jahresbeginn fast 1,3 Billionen Dollar verloren. Das ist fast ein Rückgang ihres kollektiven Nettovermögens um 21,6 Prozent.

"Es wäre besser für die Fed gewesen, jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind in den Vereinigten Staaten eine halbe Million Dollar zu geben", sagt Chamath Palihapitiya CEO von der Risikokapitalgesellschaft Social Capital dem Sender CNBC. Die US-Regierung solle ruhig "die Hedge-Fonds und die milliardenschweren CEOs durch den durch das Coronavirus verursachten wirtschaftlichen Zusammenbruch eingehen lassen." Er fügte hinzu: "Damit wir uns darüber im Klaren sind, von wem wir sprechen. Wir sprechen über Hedge-Fonds, die einem Haufen von Milliardären einfach nur zum Vermögenserhalt dienen. Lasst sie gegen die Wand fahren. Wen interessiert's?"

Statt einem Bail-Out für Hedge-Fonds solle die US-Regierung ihre Aufmerksamkeit auf die Rettung der Mittelschicht richten. "Die Mittelschicht wird heute ausgelöscht. Reiche CEOs werden nicht ausgelöscht, ebenso wenig wie Vorstände mit einer schrecklichen Unternehmensführung. Aber die Mittelschicht wird es", erklärte Palihapitiya, der selber Milliardär ist, weiter. "Was wir getan haben, ist die unverhältnismäßige Unterstützung von leistungsschwachen CEOs und Vorständen und man muss diese Leute ihrem Schicksal übergeben."

Der Absturz der Börsenkurse betreffe nun mal Spekulanten."Und das sind übrigens die Spielregeln. Das ist richtig so. Es trifft Leute, die vorgeben, die genialsten Investoren der Welt zu sein. Sie haben es nicht anders verdient."

Vermögensverteilung in den USA

Besonders Reiche haben nach der Finanzkrise von 2008 profitiert. Laut dem Brookings Institut besitzen allein die oberen ein Prozent mehr Vermögen als die Mittelschicht. Sie besaßen 29 Prozent - oder über 25 Billionen Dollar - des Haushaltsvermögens im Jahr 2016, während die Mittelschicht nur 18 Billionen Dollar besaß. Dies sei nicht immer der Fall gewesen. Noch vor 2010 besaß die Mittelschicht mehr Vermögen als die oberen ein Prozent.

Von 2007 bis 2016 stieg der Median des Nettovermögens der reichsten 20% um 13% auf 1,2 Millionen US-Dollar. Für die reichsten 5% stieg er um 4% auf einen Median von 4,8 Millionen Dollar. Im Gegensatz dazu ging der Median des Nettovermögens von Familien in den unteren Vermögensstufen um mindestens 20% zurück. Die Familien im zweitniedrigsten Fünftel mussten einen Verlust von 39% hinnehmen (von 32.100 USD im Jahr 2007 auf 19.500 USD im Jahr 2016).

Im Jahr 2018 verfügten US-Haushalte über 113 Billionen Dollar an Vermögen. Das ist mehr als fünfmal so viel wie alle Güter und Dienstleistungen der US-Wirtschaft in einem einzigen Jahr. Wenn dieser Betrag gleichmäßig auf die Bevölkerung von 329 Millionen Menschen verteilt würde, ergäbe dies für jede Person über 343.000 Dollar. Für eine dreiköpfige Familie sind das über eine Million Dollar an Vermögen.

Doch amerikanische Haushalte sind auch stark verschuldet, 15 Billionen Dollar im Jahr 2018, vor allem wegen Hypotheken. Ein steigender Anteil der Verbindlichkeiten sind auch Schulden der Studenten. US-Haushalte halten fast 1,6 Billionen Dollar an Studentenkrediten - ein Anstieg von über 150 Prozent seit 2006. Laut einer Studie der FED sollen 6 von 10 Amerikanern nicht genügend Ersparnisse haben, um die Ausgaben für drei Monaten zu decken.