USA: Wie kalkuliert ist die Eskalation gegen Iran?
Trump kündigt im Falle eines Krieges das "Ende Irans" an. Beobachter glauben, dass er nur auf einen Telefonanruf aus Teheran wartet
Auf Bagdads abgesicherte Grüne Zone, wo sich auch die US-Botschaft befindet, wurde am Sonntagnacht eine Katjuscha-Rakete abgefeuert Sie landete ein gutes Stück von der amerikanischen Botschaft entfernt vor dem Denkmal des Unbekannten Soldaten.
Größere Schäden werden nicht gemeldet, Personen wurden nicht verletzt. Es gab eine laute Explosion, die Fernsehbilder im Irak zeigten eine "riesige Rauch- und Staubwolke".
"Wenn Iran kämpfen will, dann wird dies das offizielle Ende Irans bedeuten. Bedroht die USA nie wieder", lautet der Tweet von US-Präsident Trump, der mit diesem Raketenzwischenfall zusammengebracht wird. Das von der iranischen Regierung finanzierte PressTV deutet ihn als Reaktion auf den Tweet. Ihr Bericht macht allerdings auch darauf aufmerksam, dass auch militante schiitische Gruppen wie die Kata'ib Hezbollah keinerlei Interesse an einer Eskalation zwischen den USA und Iran im Irak haben.
Der Angriff sei nicht zu rechtfertigen und stünde gegen die nationalen Interessen Iraks, wird der Sprecher der Miliz zitiert. Woher die Rakete genau kam, ist noch nicht geklärt. Vermutet wird, dass die wenig zielgenaue Rakete aus einem schiitischen Viertel Bagdads abgefeuert wurde - als Zeichen, dass die USA im Irak verwundbar sind, was allerdings auch längst bekannt ist.
Weniger bekannt ist der größeren Öffentlichkeit angesichts einer häufig vereinfachten Berichterstattung, dass es sehr wohl eine ganze Skala an Abschattierungen des iranischen Einflusses auf schiitische Milizen im Irak gibt. Sie hängen nicht, wie oft dargestellt, unbedingt an Zugfäden Teherans, das nur Befehle an seine "Proxys" zu geben braucht, damit diese losfeuern.
Auch der schiitische Klerus in Nadschaf ist auf eine unabhängige Position gegenüber Iran bedacht. Die Gleichsetzung von Schiiten mit iranischen Interessen, wie es die arabischen Golfstaaten schiitischen Oppositionellen ("Agenten Irans") fortlaufen unterstellen, ist ein politisches Machtmittel.
Keiner will Krieg, aber Machtproben schon
Im Irak ist Premierminister Adil Abd Al-Mahdi mit einer Vielzahl von drängenden, größeren innenpolitischen Problemen, konfrontiert ist, eine Eskalation zwischen den USA und Iran, die beide im Land viel Einfluss haben, ist nicht gewünscht.
Zuletzt hatten auch die Spitzen beider Länder, Trump wie auch Ayatollah Khamenei, mitgeteilt, dass sie keinen Krieg wollen. Die Frage ist, wieweit die Eskalationstoleranz reicht, wie weit die Eskalation in einem kalkulierbaren Rahmen bleibt. Eine Rakete, die in einer Hochsicherheitszone vor dem Denkmal eines unbekannten Soldaten niedergeht, ist eine eher harmlose Warnung.
Die Angriffe auf saudische Ölpumpstationen, angeblich ausgeführt von Houthi-Rebellen, wie auch die "Sabotageangriffe" auf Schiffe, darunter zwei saudische Öltanker, in einem Hafen in Fudschaira (Vereinigte Arabische Emirate) dürften mehr Eindruck gemacht haben.
Mittlerweile kursiert eine Meldung, lanciert am Wochenende von der saudischen Zeitung Asharq Al Awsat, wonach sich Saudi-Arabien und andere, nicht genannte Golfstaaten darüber einig wären, erneut US-Truppen auf ihrem Territorium und Hoheitsgebieten im persischen/arabischen Golf zu stationieren. Auch das gehört, wenn sich die Nachricht denn bewahrheitet, zu den beunruhigenden Meldungen (man erinnere sich nur daran, dass die Stationierung von US-Soldaten auf saudischem Gebiet für den früheren al-Qaida-Anführer Osama Bin Ladin ein Grund für seinen Dschihad gegen die USA war).
Begründet wird die Bitte um Verstärkung durch US-Truppen mit Abschreckung. Mit einer gemeinsamen Aktion können man Iran davon abhalten, Versuche zu unternehmen, die Situation militärisch zu eskalieren. Man wolle keinen Krieg, so zitiert die Zeitung aus informierten Kreisen.
Auch die Stellungnahmen, die Reporter des US-Mediums Bloomberg in ihrem Bericht aus mehreren Ländern zitieren, von der Schweiz bis nach Russland, die Einfluss auf das Geschehen im Nahen Osten haben, betonen die Aussage "Niemand wünscht sich Krieg." Aber offenbar schon eine Machtprobe.
Warten auf den Anruf aus Teheran
In den USA wartet man auf einen Telefonanruf aus Iran, wird die Situation pointiert in einem US-Medium wiedergegeben. So gesehen ist der Trump Droh-Tweet vom "Ende Irans" eine Art Transfer seiner Twitter-Strategie mit Kim Jong-un, als der nordkoreanische Machthaber von Trump noch unter Rocket man lief und nicht als "Freund".
Dem Tweet vorangegangen waren offenbar aggressive Äußerungen des neuen Kommandeurs der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC), Hossein Salami. Die Twitter-Antwort des iranischen Außenministers Zarif bemühte wie Trump ebenfalls "die große Kinoleinwand": "Trump hofft auf etwas, woran Alexander, Dschinghis Khan und andere Aggressoren gescheitert sind."
Experten mit guten Beziehungen nach Teheran halten es für unwahrscheinlich, dass die dortige Führung zum Telefon greift, um mit Trump das JCPOA-Abkommen neu zu verhandeln. "Trump’s phone won’t ring", weil es der US-Präsident geschafft habe, mit seiner aggressiven Taktik eine Einigkeit zwischen Moderaten und Radikalen in Iran herzustellen.
Andere halten es für denkbar, dass die USA von den 12 Forderungen abrücken, deren Erfüllung einem Kniefall Irans gleichkämen, und vor allem darauf drängen, dass die iranischen Raketen mit in eine neue Vereinbarung aufgenommen werden wie auch die Präsenz der Hizbollah und anderer schiitischer Milizen sowie die Verlängerung des Zeitpunktes der Wiederaufnahme der Uran-Anreicherung.
Bis dahin erscheint der Weg unendlich weit und es gibt noch eine Menge Möglichkeiten für viele Parteien, die Eskalation noch weiter zu treiben.