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USA: Zwischenwahlen liefern ein Unentschieden

Bild: Pixabay

Der große Triumph einer "Red-Wave" der Republikaner blieb aus. Das Repräsentantenhaus könnten sie, wenn auch knapp, gewinnen. Den Senat werden wohl die Demokraten behalten.

Die Zwischenwahlen in den USA verliert traditionell die Partei, die den Präsidenten stellt. Diesmal scheinen die Wahlen aber zugleich eine Abstimmung über das Wahlsystem selbst zu sein. Der Ausgang wird – zugespitzt gesagt – darüber mitentscheiden, ob die USA noch weiterhin eine Demokratie sind.

Diese Aussicht hat zu einer überraschend starken Mobilisierung der Demokraten geführt, während viele Unabhängige und Republikaner anscheinend doch Berührungsängste gegenüber Kandidaten des rechten Lagers zeigten, die recht unumwunden ihre Putschgelüste artikulierten.

Die schwierige Ausgangslage – der Frust der Demokraten

Sicher lässt sich sagen, dass beide Lager, sowohl das demokratische als auch das republikanische, ihre eigenen Zweifel am Zustand der US-Demokratie haben. Die Demokraten müssen sehen, wie seit Jahren die demokratischen Institutionen konsequent delegitimiert werden.

Bei der Besetzung des Supreme Court wurde dem Präsidenten Obama das ihm zustehende Recht verwehrt, Merrick Garland (ein Kandidat der Mitte übrigens) anzugeloben und dann wurden während der Amtszeit von Trump drei - man darf sagen kurios konservative – Kandidaten durchgesetzt. Es sei nur an diesen gewissen Bierliebhaber erinnert [1].

Hinzu kommt das immer aberwitzigere Gerrymandering, also das Zuschneiden von Wahlkreisen durch die Republikaner, das den eigenen Interessen dient. Der Wahlkreis der Gegner wird riesig, so dass eine große Menge an Wählern nur ein Mandat erhält, die eigenen Leute werden so über möglichst viele Wahlkreise verteilt, dass der Ausgang der Wahlen im Vorhinein feststeht.

Dem nicht genug. Bei den Wahlen 2020 gab es sehr durchsichtige Manöver, wie etwa die Auszählung der Stadt Detroit nicht ins Ergebnis mit hinein zu rechnen (wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten), während die ländlichen Regionen durchgewunken wurden. Bezeichnendes Detail: Die Bevölkerung von Detroit ist zu 78 Prozent afroamerikanisch.

Hinzukommt, dass zuletzt die Republikaner zwei ihrer drei Präsidentenwahlen mit Kandidaten gewonnen haben, die weniger Stimmen hatten als ihre demokratischen Gegenkandidaten – dann wird klar, warum demokratische Wähler in den USA den Glauben an ihre Demokratie verlieren.

Der Plan der Republikaner: "Es ist eine Republik, keine Demokratie"

Die Verfassung der USA, so sagt man, ist ein Akt der Genialität. Aber eben einer des 18. Jahrhunderts. Den heutigen Anforderungen ist sie kaum mehr gewachsen.

Das Wahlmännersystem der Präsidentenwahl basiert auf der Überlegung, dass berittene Boten die Hauptstadt erreichen müssen. Das hat im Zeitalter des Internets keine Berechtigung mehr.

Geändert werden kann es nicht, weil die republikanische Kleinstaaterei den Republikaner zu sehr nützt. Sie wissen, dass sie bei einer Wahl der Gesamtbevölkerung kaum mehr eine Chance haben, weil sich die Demografie wandelt und bald die Non-Whites eine Mehrheit haben.

Dieses Grundgefühl zur "Minderheit im eigenen Land zu werden" wurde von Donald Trump "meisterlich" ausgenutzt. Sein Konzept, die vermeintlichen Erbrechte der Weißen durchzusetzen, ist simpel und ermattend: "Wenn wir nicht gewinnen, ist die Wahl falsch."

Viele von Trump unterstütze Kandidaten haben die dreiste Strategie Trumps übernommen, die durchaus mafiöse Züge hat, à la: wenn man eine Wette gewinnt, kassiert man den Gewinn, wenn man verliert, hält man dem Buchmacher die Knarre unter die Nase.

Es wird somit nur mehr ein Sieg als legitim akzeptiert, eine Niederlage ist der angeblich sichere Hinweis darauf, dass die Wahl manipuliert worden ist. Tim Michels aus Wisconsin sagte: "Wer mich wählt, sorgt dafür, dass Republikaner für immer in Wisconsin gewinnen." Wie er das wohl gemeint hat?

Zwischenergebnisse: Das Rennen um den Senat

Vor diesem aufgeheizten Hintergrund eines zutiefst gespaltenen Landes war die Brisanz der Zwischenwahlen somit kaum mehr zu überbieten. Die Wahlbehörden im Land wissen, dass sie auf dem Prüfstand stehen.

Es herrscht Furcht, dass eigentlich triviale Fehler oder Verzögerungen der Auszählungen politisch ausgeschlachtet werden könnten.

In Arizona wurden manche Wahlkarten nicht von den Auszähl-Apparaten angenommen. Die Karten wurden deshalb sicher verpackt, aber es kann Tage dauern bis zu ihrer Auswertung. Genau diese Fälle nützen den Zweiflern. Trump war sofort zur Stelle via seines eigenen "Truth Social"-Kanals und meinte "Beweise" für Manipulation gefunden zu haben.

Erste Nachwahl-Umfragen bestätigten die Hoffnungen der Republikaner. CNN berichtete, dass nur fünf Prozent der Wähler "enthusiastisch" sind, während 34 Prozent "wütend" sind wegen der Verhältnisse im Land. Insgesamt summiert es sich auf 75 Prozent der mehr oder minder Unzufriedenen, das kann nicht gut für den amtierenden Präsidenten sein.

Erste konkrete Ergebnisse waren dann aber überraschend gut für die Demokraten. Die Senatswahl in Pennsylvania entschied überraschen John Fetterman für sich. Er gewinnt gegen den leicht bizarren Mehmet Oz. Fetterman erlitt einen Schlaganfall während des Wahlkampfs und es gab Zweifel an seiner gesundheitlichen Fitness.

Dennoch konnte er den Senatorensitz erringen gegen den Fernseharzt Oz, der ein Vermögen damit gemacht hat, Frauen mittleren Alters Schlankheitsmittel zu verkaufen, die – gelinde gesagt – naturwissenschaftlich umstritten sind. Mehmet Oz ist sehr eloquent und erfreut sich großer Beliebtheit in den USA. Es wurde allgemein erwartet, dass ihm sein Schlangenöl den Weg in den Senat ebnen würde.

Nun sieht es so aus, als würde erst die nötige Stichwahl in Georgia den Ausgang des Senatsrennens entscheiden.

Die magische Zahl

Aktuell halten die Demokraten 48 Senatssitze und die Republikaner 47. Zwei Sitze, in Nevada und Arizona, tendieren zu den Demokraten, Wisconsin und Alaska hingegen werden wohl die Republikaner erobern.

In Georgia wird keiner der Kandidaten die nötigen 50 Prozent und eine Stimme erreichen. Dort tritt der ehemalige Football-Profi Herschel Walker für die Republikaner an. Ein erklärter Abtreibungsgegner, der angeblich zwei Frauen, mit denen er eine Affäre hatte, die Abtreibungen bezahlt hat. Je länger der Wahlkampf dauert, desto schlechter für ihn, denn die Skandale um seine Person wollen nicht versiegen.

Allerdings, selbst im besten Fall eines Sieges in Georgia am 6. Dezember, würden die Demokraten nur maximal 51 Senatssitze erreichen.

Die magische Zahl hieße aber 52 Sitze, denn erst dann hätten die Demokraten die Möglichkeit, die konservativen Senatoren in den eigenen Reihen, Joe Manchin und Kyrsten Sinema, "kaltzustellen", die im Zweifel immer mit den Republikanern stimmen.

Knappes Rennen ums Repräsentantenhaus

Die Republikaner haben hier bereits ihren Sieg ausgerufen und freuen sich öffentlich darüber. Nancy Pelosi als Führerin der Mehrheit im Repräsentantenhaus abrufen zu dürfen. Allerdings ist dies noch keine ausgemachte Sache. Man hatte mit einem Vorsprung von 20 Sitzen in der alle zwei Jahre komplett neu gewählten Abgeordnetenkammer gerechnet.

Nun werden es vielleicht nur drei Sitze sein. Ebenso gibt es noch die rechnerische Möglichkeit, dass die Demokraten dieses Haus behalten werden. Eine kapitale Enttäuschung ist die republikanische Abgeordnete Lauren Boebert, die in ihrem Restaurant gerne mit umgeschnalltem Revolver serviert. Sie scheint ihren als sichere Wahl für die Republikaner geltenden Bezirk doch nicht zu gewinnen.

Sowohl Oz und Boebert sind Trump treu ergeben und manche in der republikanischen Partei sind vielleicht gar nicht so unglücklich über ihre Niederlagen. Sollte es nur eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus geben, zählt jede Stimme. Unsichere Kantonisten, die erst Trump vor der Abstimmung anrufen, machen das Regieren sicher nicht leichter. Unterm Strich sind die Niederlagen oder auch nur knappen Siege "seiner" Kandidaten ein Rückschlag für Trump.

Gleichzeitig fuhr sein stärkster innerparteilicher Gegner Ron DeSantis einen großen Erfolg in Florida ein. Er erklärte Florida zu einer "Zitadelle der geistigen Gesundheit" gegenüber dem Wahnsinn der Covid-Maßnahmen des Bundes. Hier deutet sich ein harter Kampf zwischen Trump und DeSantis an.

Anscheinend wurden grundsätzlich Kandidaten, die Trumps Abwahl in Frage stellten, doch nicht gewählt. Dies ist durchaus ein Erfolg für die US-Demokratie. Beide Seiten müssen zweifeln, ob sie die je besten Kandidaten aufgestellt haben.

Schmerzhafte Verluste der Demokraten in New York zeigen, dass hier wohl die konservativen, sogenannten "Corporate Democrates" schlechter abgeschnitten haben, als es progressivere Kandidaten hätten. Die Demokraten haben sich zwar etwas nach links bewegt unter Nancy Pelosi, aber doch nur zögerlich.

Das Hauptargument der Demokraten war meist: "Wir sind wenigstens nicht crazy". Ähnlich wie in GB stimmt dies auch, es fehlt aber an eigenen Inhalten, die Zugkraft entwickeln. Die Abtreibungsfrage könnte ein Ass gewesen sein.

Hier haben Demokraten nicht strategisch entschieden, sondern ihre persönliche Betroffenheit über den Schwenk des Höchstgerichtes glaubwürdig zum Ausdruck gebracht. Dass nun Frauen je nach Bundesstaat unterschiedliche Bürgerrechte haben, erscheint auch einer Mehrheit der US-Bürger als falsch. Dies hat den Demokraten genutzt und den teils fanatischen Abtreibungsgegnern der Republikaner geschadet.

Die weitere Auszählung wird spannend werden. Endgültige Ergebnisse gibt es wohl erst Anfang Dezember nach den Stichwahlen. Es wird überraschend viel Wundenlecken geben bei den Republikanern.

Aber ein echter Sieg für die Demokraten, der es Joe Biden erlauben würde eine progressivere Agenda zu verfolgen, ist ebenso nicht in Sicht.


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