Überraschende Trendwende: Südkoreas Geburtenrate steigt erstmals seit acht Jahren

Eine Schwangere mit Kind mit Yin und Yan-Zeichen dersüdkoreanischen Flagge als Uterus

Die Geburtenrate ist in Südkorea vergangenes Jahr leicht gestiegen – doch Experten bleiben skeptisch

Nach Jahren des Rückgangs verzeichnet Südkorea einen leichten Anstieg der Geburten. Doch Experten mahnen, die Zukunft bleibe ungewiss. Die Gründe sind vielschichtig.

Erstmals seit fast einem Jahrzehnt meldet Südkorea wieder einen Anstieg der Geburtenrate. Wie die staatliche Statistikbehörde Statistics Korea am 26. Februar mitteilte, kamen im vergangenen Jahr 238.300 Babys zur Welt. Ein zarter Anstieg von 3,6 Prozent im Vergleich zu 2023, als mit nur 230.000 Neugeborenen ein historischer Tiefstand erreicht wurde.

Südkoreas Bevölkerungskrise

Doch auch wenn die Zunahme in dem als eine der am schnellsten schrumpfenden und alternden Nationen geltenden Land durchaus Grund zum Feiern ist, warnen Analysten davor, die Trendwende zu früh zu bejubeln. Sie sei das Ergebnis einer Reihe einzigartiger Faktoren, während die langfristigen Aussichten weiterhin düster blieben.

"Südkoreas Bevölkerungskrise steht erst am Anfang", sagt Hyobin Lee, Professorin an der Sogang-Universität in Seoul, gegenüber der Deutschen Welle.

Die Fruchtbarkeitsrate des Landes, also die durchschnittliche Zahl der Kinder pro Frau, lag bei 0,75, ein leichter Anstieg gegenüber 0,72 im Jahr 2023. Weit unter dem Wert von 2,1, der zur Stabilisierung der Bevölkerung ohne Zuwanderung (die Südkorea kaum hat) nötig wäre.

"Mit einer Gesamtfruchtbarkeitsrate, die immer noch unter 1,0 liegt, wird die Situation zunehmend ernst", so Lee. Sie geht davon aus, dass sich aufgrund verschärfender Geschlechterkonflikte und zunehmender Ungleichheit der Negativtrend langfristig halten wird.

Nachdem Südkoreas Bevölkerung im Jahr 2020 mit 51,83 Millionen ihren Höchststand erreicht hatte, wird die Einwohnerzahl laut der jüngsten Prognose von Statistics Korea bis 2072 auf 36,22 Millionen schrumpfen.

Mehr Eheschließungen als Treiber des Aufschwungs

Der Anstieg der Neugeborenen im Jahr 2024 fiel mit einem sprunghaften Anstieg der Eheschließungen in Südkorea zusammen. Die Zahl der Trauungen stieg um 14,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – der größte Zuwachs seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1970.

Vor seiner Amtsenthebung erklärte Ex-Präsident Yoon Suk Yeol vergangenen Dezember noch eine "demographische Krise" und stellte neue Pläne vor, dagegen vorzugehen. Initiativen früherer Regierungen hatten sich in erster Linie auf einmalige Geldzahlungen an Eltern konzentriert, wobei der Betrag für jedes weitere Kind stieg. Yoon plante unter anderem die Betreuung in Grundschulen zu verbessern.

Für viele in einem Land, in dem die Kosten für Wohnen und Bildung hoch sind, war dies kein ausreichender Anreiz, um große Familien zu gründen. Immerhin schaffte es Yoon, das Gesetz dahingehend zu ändern, dass Unternehmen verpflichtet sind, frischgebackenen Eltern nach der Geburt eines Kindes bis zu sechs Monate lang das volle Gehalt zu zahlen, wenn sie sich für eine Auszeit entscheiden. Zuvor waren es drei Monate.

Dieser Zeitraum verlängert sich auf 18 Monate, wenn beide Elternteile Urlaub von ihrem Arbeitsplatz nehmen, gegenüber einem Jahr zuvor.

Unternehmen müssen familienfreundlicher werden

Zudem sind börsennotierte Unternehmen seit diesem Jahr in der Pflicht, in Berichten an die Aufsichtsbehörden Einzelheiten zu ihren kinder- und elternfreundlichen Maßnahmen anzugeben. Kleine und mittlere Unternehmen haben Anspruch auf Zuschüsse zur Unterstützung ihrer Geschäftstätigkeit, während Mitarbeiter in Elternzeit sind.

Doch die Analysten bleiben skeptisch. "Selbst wenn die Geburtenrate bis zu einem gewissen Grad beibehalten wird, wird die Zahl der Geburten unweigerlich erheblich sinken", sagte Cho Eunjoo, die als Professorin für Soziologie an der Jeonbuk National University arbeitet.

"Wir müssen uns auf die verschiedenen sozialen Veränderungen und Probleme vorbereiten, die mit diesem starken Bevölkerungsrückgang einhergehen werden."

Ein Problem auf kultureller Ebene ist dabei die Stigmatisierung von nichtehelichen Kindern und alleinerziehenden Müttern. Darüber hinaus seien die hohen Lebenshaltungskosten ein zentrales Problem, erklärt der Ökonom Park Saing-in von der Nationalunversität Seoul.

Um den Anstieg der Geburtenraten langfristig nachhaltiger zu gestalten, sollte die Regierung ähnliche Maßnahmen wie in Frankreich umsetzen, wo auch Männer Elternzeit nehmen müssen, schlägt Lee vor. "Einer der Hauptgründe, warum sich Frauen gegen Kinder entscheiden, ist die Angst vor Beeinträchtigungen ihrer Karriere", fügt sie hinzu.

Einwanderung als Lösung?

Auch Migration ist als Lösungsvorschlag im Gespräch. Nach Ansicht von Regierungsvertretern muss Südkorea mehr Migranten aufnehmen, um eine Chance im Kampf gegen den Bevölkerungsrückgang zu haben.

"Anstatt den politischen Fokus nur darauf zu legen, die Geburtenrate zu steigern, brauchen wir jetzt eine umfassendere Perspektive und müssen Lösungen wie die Anwerbung von mehr Ausländern entwickeln", sagte Joo Hyung-hwan, stellvertretender Vorsitzender eines präsidialen Ausschusses für Alterung und Bevölkerung, gegenüber dem Guardian.

Vergangenes Jahr lebten rund 2,65 Millionen Ausländer in Südkorea, was rund fünf Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht.