Ukraine-Krieg: Bedeutende Modifikation der Shahed-Drohne

Die Ausstellung an IRGC's Aerospace University. Bild: englischsprachige Webseite Kahmenei.ir / CC BY 4.0 Deed

Iranische Shahed-238: Technisch ist die Drohne schon fast ein Marschflugkörper. Auch Fähigkeiten des Lenksystems werden verbessert. Russland fertigt Shahed-Drohnen als Geran-2.

Iran hat offiziell eine neue Version seiner Shahed-136-Drohne präsentiert. Das unbemannte Fluggerät wird unter dem Namen Geran-2 mittlerweile in großer Zahl in Russland gefertigt und ist aus militärischer Perspektive überaus erfolgreich, wie Telepolis kürzlich berichtete: Kriegsführung: Gamechanger Geran-2-Drohne – ein strategisches Problem für die Ukraine.

Ende November führte Iran die Drohne auf einer Ausstellung der Ashura-Raumfahrt-Universität für Wissenschaft und Technik unter Leitung der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) in drei neuen Versionen vor. Diese sind alle mit einem Strahl-Triebwerk anstatt wie bisher mit einem Propeller-Triebwerk ausgerüstet.

Die Shahed-238, so der neue iranische Name der modernisierten Version, wird mit dem neuen Jettriebwerk deutlich schneller sein als mit dem bisherigen Kolbenmotor. Das eliminiert gleich zwei Nachteile der bisherigen Version.

Düsentriebwerk

Zum einen wird die neue Version wesentlich leiser sein. Der jetzige Motor der Shahed-136 ist eine Kopie des L-550E vom deutschen Hersteller Limbach Flugmotoren. Der Vierzylinder-Zweitaktmotor der Propellerversion ist recht laut, deswegen wird die Shahed-136 auch als das Moped der Lüfte bezeichnet.

Zum anderen kann durch das Düsentriebwerk die Marschgeschwindigkeit erhöht werden, was die Abfangmöglichkeit reduzieren wird. Da weitere Spezifikationen hinsichtlich des Triebwerkes noch nicht bekannt sind, ist es zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich zu sagen, wie teuer die neue Version in der Produktion sein wird.

Bei der bisherigen Shahed-136 werden die Produktionskosten auf rund 20.000 Dollar geschätzt. Der große Vorteil der Shahed-136 gegenüber einem Marschflugkörper ist der günstige Preis, der nur einen Bruchteil der Kosten für einen herkömmlichen Marschflugkörper beträgt.

Technisch rückt die neue Shahed-238 in der Version mit einem Strahltriebwerk tatsächlich in die Nähe eines Marschflugkörpers. Es bleibt abzuwarten, mit welchen Produktionskosten das verbunden sein wird und ob die Shahed-238 den großen Kostenvorteil gegenüber eines konventionellen Marschflugkörpers behalten wird.

Die neue Shahed-238 ist in gleich drei neuen Versionen vorgestellt worden: Auf X gepostete Bilder zeigten drei Shahed-238-Drohnen mit unterschiedlichen Frontsuchern.

Suchsysteme

Die linke Drohne weist eine mit einem weißen, folienähnlichen Material bedeckte Nase auf. Es ist möglich, dass diese Untervariante entweder mit einem Radiofrequenz- oder einem Radar-Zielsuchkopf ausgestattet ist. Diese Integration eines aktiven Radar-Zielsuchkopfes wäre möglich.

Wenn dies der Fall ist, wäre diese Variante der Shahed-238 darauf ausgerichtet, feindliche Hochfrequenzsender zu orten, insbesondere Luftverteidigungsradare. Dadurch könnte sie effektiv für die Unterdrückung oder Zerstörung der feindlichen Luftverteidigung (SEAD/DEAD) eingesetzt werden.

Die mittlere Drohnen-Variante zeigt eine massive Front. Das könnte darauf hinweisen, dass diese Variante wie bei der jetzigen Shahed-136 über keinen eigenen Suchkopf verfügt und die Flugsteuerung über vorprogrammierte Koordinaten funktioniert, die die Drohne mithilfe von Satellitennavigation oder einem Trägheitsnavigationssystem ins Ziel führt.

Die rechte Drohne hat eine Glasspitze, was darauf hinweist, dass die dritte Shahed-238 mit einem elektro-optischen/Infrarot-Suchkopf ausgestattet ist. Damit könnte die Drohne theoretisch bewegliche Ziele bei jedem Wetter treffen.

Das könnte die Implementierung einer autonomen Zielerfassung bedeuten, wie das anscheinend bei der neuesten Version der Lancet-Drohne der Fall sein dürfte. Für den elektro-optischen/Infrarot-Suchkopf ist auch eine Steuerung per Video-Feed denkbar, wie bei FPV-Drohnen, das würde aber eine Reduzierung der Einsatzreichweite bedeuten.

Falls diese Shahed-238-Variante tatsächlich mit einer Sensorik zur autonomen Zielerfassung ausgestattet werden sollte, könnte diese Version besonders gut für die Schiffsbekämpfung eingesetzt werden. Auch sich bewegende, teure Bodenziele – etwa Raketen- oder Luftabwehrkomplexe – würden sich als Ziel des neuen Fluggerätes eignen.

Allerdings bleiben die tatsächlichen Konfigurationen unbekannt. Die genaue Verwendung und die Ausgestaltung der Lenksysteme sind weiterhin unklar.

Weiterentwicklung der Shahed-136

Auch die jetzt gebaute Shahed-136 bzw. die Geran-2 wird anscheinend kontinuierlich weiterentwickelt. So sind die neuesten Versionen mit einer schwarzen Farbe lackiert Die Farbe scheint nicht nur nachts einen besseren Schutz vor Abfangversuchen zu bieten, sondern der Rumpf scheint auch aus einem neuen Material zu bestehen.

Eine bedeutende Modifikation wurde beim jüngsten Massenangriff der Drohnen auf Kiew in der Nacht auf den 25. November entdeckt: In einigen der abgeschossenen Drohnen wurde ein 4G-Modem mit einer SIM-Karte des ukrainischen Telekommunikationsunternehmens Kyivstar gefunden.

Verschiedene neue Fähigkeiten der Geran-2 sind dadurch laut des Online-Magazines The War Zone denkbar:

Zum einen könnte durch das Mobilfunkmodul die Möglichkeit geschaffen werden, während des Flugs der Drohne eine Mobilfunkverbindung zu nutzen, so dass ständig aktuelle Informationen über die Position an die Drohnenoperatoren zurückgesendet werden könnten.

Diese Verbindung wäre zwar sehr unregelmäßig, aber das würde kein Problem darstellen, weil die Drohne eigentlich einer vorprogrammierten Flugbahn folgt.

Zusätzlich könnten die russischen Operatoren durch die Einwahl in das ukrainische Mobilfunknetz eine verlässliche Erfolgskontrolle bekommen, ob die Drohne tatsächlich ihre Mission erfüllen konnte. Gerade in abgelegenen Gebieten ohne verlässliche Aufklärungsmöglichkeiten könnte das für die russischen Truppen eine wichtige Information sein.

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit des Mobilfunkmoduls wäre eine Kommunikation mit der Drohne durch das Aussenden einer Kurskorrektur über das ukrainische Mobilfunknetz direkt an den Fflugkörper. Auch eine rudimentäre Aufklärungsfunktion wäre denkbar.

So könnte die Geran-2-Signaturen von Luftabwehrsystemen, die sie entdeckt, und deren Position über das ukrainische Mobilfunknetz zurücksenden. Von dieser möglichen Funktion war allerdings in den ukrainischen Berichten keine Rede.

Es ist sicher eine unheimliche Vorstellung für die ukrainischen Verteidiger, dass sich Russland des eigenen Mobilfunknetzes bedient, um eine feindliche Waffe besser einsetzen zu können.

Thermobarischer Gefechtskopf für die Geran-2?

Ganz neu ist angeblich ein thermobarischer Gefechtskopf für die Geran-2 laut Telegram-Kanälen gesichtet worden. Dieser hat angeblich ein Gewicht von 40 Kilogramm. Es handelt sich hierbei um einen Aerosol-Gefechtskopf, wie er auch beim schweren Flamenwerfer TOS-1 von Russland verwendet wird.

Der thermobarische Gefechtskopf beim TOS-1 hat ein Gewicht von über 70 Kilogramm. Eine Aerosolbombe wirkt ähnlich wie eine Staubexplosion. Aerosolgefechtköpfe sind besonders wirkungsvoll gegen Gebäude und Bunker. Im Verhältnis zur Nutzlast ist die Energiefreisetzung bei einer Aerosolbombe größer als bei anderen militärischen Sprengstoffen.

Russland und der Iran entwickeln die überaus effiziente Kamikaze-Drohne kontinuierlich weiter. Beide Staaten verfügen augenscheinlich über die industriellen Kapazitäten, um die Shahed in nennenswerten Stückzahlen zu produzieren.

Mit dem neuen Triebwerk und neuen Sensorik-Möglichkeiten wird die Shahed eine noch größere Bedrohung für die Ukraine, als dass sie es jetzt schon ist. Heute wird gegen die jetzt eingesetzte Geran-2 mit Kolbenmotor eine Luftabwehr verwendet, die oft aus einfachen, älteren Flak-Kanonen mit Suchscheinwerfer besteht.

Durch das Strahltriebwerk würden deutlich höhere Geschwindigkeit erreichbar. Das macht es schwierig, mit älteren Flak-Kanonen gegen die neue Version der Shahed weiterhin Erfolge erzielen zu können. Die Abfangquote liegt momentan bei geschätzten 70 Prozent. Dieser Wert würde sich wahrscheinlich nicht mehr erzielen lassen.