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Ukraine-Krieg: Der US-Dollar hat schon gewonnen

Themen des Tages: Drohung mit Atomwaffen kam zuletzt aus Moskau – aber nicht nur. Finanzmarkt und Krieg. Geopolitik und Krieg.

Liebe Leserinnen und Leser,

1. Wer den Ukraine-Krieg gewinnen wird – und wie –, bleibt Gegenstand emotionaler Debatten. Auf den Finanzmärkten sieht man die Entwicklung sachlicher und klarer.

2. Bei Thema Atomwaffen ist die Empörung über Moskau nach der jüngsten Putin-Rede groß. Doch nicht nur der Kreml spielt mit dem nuklearen Feuer.

3. Telepolis heute: die geopolitische Dimension des Krieges und die energiepolitische Dimension des russischen Erdgases.

Doch der Reihe nach.

Wer droht wem mit Atomwaffen?

Mit der Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Teilmobilmachung der Armee am Mittwochmorgen ist die Debatte über die Gefahr eines Atomwaffeneinsatzes neu aufgeflammt. Putin im Wortlaut:

Wenn die territoriale Integrität unseres Landes bedroht ist, werden wir natürlich alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Russland und unser Volk zu verteidigen. Dies ist kein Bluff. (…) Und diejenigen, die versuchen, uns mit Atomwaffen zu erpressen, müssen wissen, dass der Wind in ihre Richtung wehen kann.

Wladimir Putin

Für eine kritische Reaktion sorgte vor diesen Hintergrund eine Aussage Ira Helfands, Ex-Präsident der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs, bei Telepolis.

Es hat mehrere Drohungen Russlands und einige Drohungen der Nato gegeben, im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine Atomwaffen einzusetzen. Das ist eine völlig inakzeptable Situation.

Ira Helfand

Wann habe die Nato damit gedroht, im Kontext des Krieges in der Ukraine Atomwaffen einzusetzen? Das fragte ein Leser in Bezug auf das Interview, das Amy Goodman von unserem US-Partnerportal Democracy Now geführt hat.

In der Tat hatten die Nato und vor allem die USA schon unmittelbar nach dem russischen Überfall auf die Ukraine klargestellt: "All options are on the table", übersetzt etwa: Man halte sich alle Optionen offen. Entsprechende Äußerungen kamen aus Washington und aus London.

"Es ist eine Formulierung, die auch in Bezug auf andere Länder, wie z.B. Iran, benutzt wird [1], um dem Empfängerstaat zu signalisieren, dass man zu allem, auch zu einem Atomwaffeneinsatz bereit wäre", so Telepolis-Redakteur David Goeßmann.

Vor allem an der Ostflanke der Nato seien "all options on the table", sagte am 24. März, einen Monat nach der russischen Invasion in der Ukraine [2], die Ständige Vertreterin der USA bei der Nato, Julianne Smith.

Und schließlich haben die Nato und auch die Bundesregierung das Konzept der nuklearen Teilhabe mehrfach bekräftigt, die US-Atomwaffen in Deutschland wurden modernisiert und "F-35 Kampfjets werden in Zukunft die nukleare Teilhabe der Bundeswehr sicherstellen", wie die Bundeswehr Mitte März dieses Jahres berichtete [3].

Das Spiel mit dem nuklearen Feuer ist so zur politischen und militärischen Realität geworden.

Artikel zum Thema:

Redaktion Telepolis: Im Wortlaut: So begründet Scholz die Sanktionen – und Putin die Teilmobilmachung [4]
Redaktion Telepolis: Atlantic Council: US-Präsident sollte Russland mit atomarer Vergeltung drohen [5]
Amy Goodman: USA vs. Russland, China: Experten warnen vor nuklearer Vernichtung [6]

Wie der Ukraine-Krieg des US-Dollars rettet

Zu den Kriegsgewinnlern des Ukraine-Krieges gehören die USA schon jetzt. Nachdem in den vergangenen Jahren mehrfach Abgesänge auf den US-Dollar gehalten wurden, hat sich die US-Währung angesichts des Kriegsgeschehens in Europa erholt.

Am Donnerstag war der gas- und stromkrisengebeutelte Euro zeitweise auf ein Zwanzigjahrestief zur US-Währung gefallen. So war der Euro auf 0,9809 Dollar abgesackt. Das war der tiefsten Stand seit Ende 2002. Am Donnerstagnachmittag wurde der Euro mit 0,9816 US-Dollar knapp darüber gehandelt. Ein US-Dollar kostete damit 1,0117 Euro, nachdem Europäische Zentralbank den Referenzkurs auf 0,9884 USD festsetzte.

Im April war noch spekuliert worden, ob der Krieg Russlands gegen die Ukraine und die vom Westen gegen Russland verhängten Sanktionen das Ende der Dollar-Dominanz einleitet, etwa vom Journalisten David P. Goldman in der Asia Times [7].

Vor einigen Jahren sei die Vorstellung, der US-Dollar könne seine Rolle als internationales Zahlungsmittel verlieren, noch eher eine Außenseitermeinung gewesen, doch inzwischen sei sie auch in Berichten von Goldman Sachs oder Credit Suisse zu finden, zitierte Telepolis-Autor Wolfgang Pomrehn die Einschätzung des Kollegen:

Auch ein Arbeitspapier des Internationalen Währungsfonds spricht von der "langsamen Erosion der Dollar-Dominanz". Zentralbanken würden ihre Währungsreserven diversifizieren und neue Währungen in die Portfolios aufgenommen.

Seit dem Beginn des Jahrhunderts würde der Anteil des US-Dollars an den Devisenreserven abnehmen. Dies sei keineswegs Ergebnis veränderter Wechselkurse oder des besonderen Gewichts einiger großer Akteure, sondern Ausfluss aktiver Entscheidungen in zahlreichen Zentralbanken.

Wolfgang Pomrehn

Die jüngsten Entscheidungen der Washingtoner Notenbank hat den US-Dollar nun wieder in Führung gebracht. So schreibt auch die Nachrichtenagentur dpa, der Euro sei zuletzt, "wie auch viele andere Währungen, durch den starken Dollar" belastet worden. Die US-Währung profitiere zum einen von der straffen Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve, die ihren Leitzins am Mittwochabend zum dritten Mal in Folge kräftig um 0,75 Prozentpunkte anhob. Zum anderen sei der Dollar "wegen der zunehmend trüben geopolitischen Lage gefragt".

Artikel zum Thema:

Wolfgang Pomrehn: Abschied vom US-Dollar? [8]
Wolfgang Pomrehn: Chinesisches Weltgeld [9]
Gaby Weber: Lateinamerika: Die Ukraine ist weit weg, der Russland-Handel wichtig [10]

Die geopolitische Dimension des Krieges

Obwohl Washington darauf bestehe, dass es nicht an einem direkten militärischen Konflikt mit Moskau interessiert sei, behaupte Moskau, dass die USA in der Tat direkt beteiligt sind, so der US-Journalist Ramzy Baroud heute bei Telepolis. "Doch wer sagt die Wahrheit?", fragt er, um Zahlen zu nennen:

Die Funding Platform von Devex stellt fest, dass "ein relativ kleiner Prozentsatz dieser Mittel für humanitäre Zwecke bestimmt ist". Dieselbe Quelle gibt auch an, dass der Gesamtbetrag der hauptsächlich militärischen Hilfe, die der Westen der Ukraine zwischen dem 24. Februar und dem 16. August zur Verfügung gestellt hat, die Marke von 100 Milliarden Dollar überschritten hat.

Ramzy Baroud

Was bedeutet der Verzicht auf Russland-Gas?

Telepolis-Autor Bernd Müller ist sich sicher, dass mit den westlichen Sanktionen gegen Russland ist eine Energiekrise über den Kontinent hereingebrochen ist, "die zu einem Verlust der industriellen Basis führen kann". Schlechte Nachrichten gibt es aus mehreren Ländern der Europäischen Union:

In Frankreich geht der Glashersteller Duralex in einen "Energie-Lockdown". In Italien schloss mit Yara der einzige Produzent von Ammoniak und Harnstoff seine Fabrik; Keramikproduzenten und Textilhersteller schlagen Alarm. Auch Polen trifft es hart, wie das Handelsblatt am Donnerstag berichtete.

Bernd Müller

URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7273397

Links in diesem Artikel:
[1] https://chomsky.info/20080806/
[2] https://www.atlanticcouncil.org/blogs/new-atlanticist/all-options-are-on-the-table-for-eastern-flank-says-us-permanent-representative-to-nato/
[3] https://www.bmvg.de/de/tornado-nachfolger-beschaffung-neue-kampfflugzeuge-fuer-truppe
[4] https://www.heise.de/tp/features/Im-Wortlaut-So-begruendet-Scholz-die-Sanktionen-und-Putin-die-Teilmobilmachung-7271451.html
[5] https://www.heise.de/tp/features/Atlantic-Council-US-Praesident-sollte-Russland-mit-atomarer-Vergeltung-drohen-7271208.html
[6] https://www.heise.de/tp/features/USA-vs-Russland-China-Experten-warnen-vor-nuklearer-Vernichtung-7239804.html
[7] https://asiatimes.com/2022/04/doing-without-the-dollar/
[8] https://www.heise.de/tp/features/Abschied-vom-US-Dollar-6684934.html
[9] https://www.heise.de/tp/news/Chinesisches-Weltgeld-1995813.html
[10] https://www.heise.de/tp/features/Lateinamerika-Die-Ukraine-ist-weit-weg-der-Russland-Handel-wichtig-6680173.html