Ukraine-Krieg: Die F-16-Ernüchterung

General Dynamics F-16 Fighting Falcon. Bild: U.S. Air Force
Die USA haben der Ukraine F-16-Kampfjets geliefert. Doch statt als Wunderwaffe erweisen sich die Flugzeuge als Enttäuschung. Entscheidend ist ein Detail, das kaum jemand auf dem Schirm hatte.
Seit Sommer 2024 verfügt die Ukraine über F-16-Kampfflugzeuge aus Nato-Beständen. Deren Einfluss auf den Krieg ist jedoch geringer als erhofft. Denn die tatsächliche Effektivität dieser Flugzeuge hängt maßgeblich von kontinuierlicher technischer Unterstützung und regelmäßigen Updates ab. Doch diese Unterstützung ist nicht gewährleistet.
Die Frage, ob die USA per "Knopfdruck" die Kampfkraft dieser Flugzeuge einschränken oder gar deaktivieren können, beschäftigt nicht nur die ukrainische Führung, sondern wirft auch grundsätzliche Fragen zur technologischen Souveränität auf.
Abhängigkeit von US-amerikanischer Unterstützung
Nach Informationen des ukrainischen Portals Defence Express gibt es zwar keinen magischen Knopf, mit dem jemand die F-16 aus Washington ferngesteuert ausschalten kann, aber die Abhängigkeit von US-amerikanischer Unterstützung ist dennoch signifikant.
Die ukrainische Luftwaffe verfügt nach aktuellen Schätzungen über etwa 20 F-16-Kampfflugzeuge, die aus den Beständen mehrerer Nato-Mitgliedsländer stammen. Wie das Fachportal Bulgarian Military berichtet, wurden diese Maschinen hauptsächlich von den Niederlanden, Dänemark, Belgien und Norwegen bereitgestellt.
Die Niederlande hatten insgesamt 24 Jets zugesagt, Dänemark weitere 19, während die genaue Anzahl der bisher übergebenen Flugzeuge aus sicherheitspolitischen Erwägungen nicht vollständig transparent gemacht wird.
Der technologische Stand des Gamechangers
Die gelieferten Kampfflugzeuge sind überwiegend ältere Modelle der Varianten F-16A/B, die ursprünglich in den 1970er- und 1980er-Jahren produziert wurden. Ein Teil dieser Maschinen erhielt in den 1990er-Jahren ein sogenanntes "Mid-Life Update" (MLU), wie das Fliegermagazin Flugrevue anmerkt.
Trotz dieser Modernisierungen entsprechen sie technologisch nicht dem Standard der neuesten F-16-Versionen, die in Luftwaffen der Nato-Mitgliedsländer eingesetzt werden.
Die anfänglich hohen Erwartungen an die F-16 als möglicher "Gamechanger" sind inzwischen einer realistischeren Einschätzung gewichen. Juri Ignat, Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, äußerte sich laut Flugrevue ernüchtert:
Die F-16 unserer Partner sind nicht fortschrittlich genug, um im direkten Duell mit der Su-35 zu konkurrieren.
Diese Aussage markiert einen deutlichen Wandel gegenüber seiner früheren Position vom Mai 2023, als er noch zuversichtlich erklärte:
Wenn wir die F-16 haben, werden wir diesen Krieg gewinnen.
Unterschiede zur Su-35S
Der direkte Vergleich zwischen den ukrainischen F-16 und den russischen Su-35S offenbart technische Unterschiede, die sich auf die Kampffähigkeit auswirken. Die Su-35S, eine Weiterentwicklung des sowjetischen Su-27-Designs aus den frühen 2000er-Jahren, verfügt demnach über Vorteile in mehreren entscheidenden Bereichen.
Auffallend ist der Unterschied bei den Radarsystemen. Das in den ukrainischen F-16 verbaute Westinghouse AN/APG-66 Radar mit mechanischer Strahlschwenkung hat eine Reichweite von etwa 150 Kilometern. Im Gegensatz dazu soll das Irbis-E Radar der Su-35S, das mit einer (passiv) elektronisch geschwenkten Antenne ausgestattet ist, Ziele in bis zu 400 Kilometern Entfernung erfassen können, wie Flugrevue berichtet.
Bemängelt wird auch die fehlende Netzwerkfähigkeit der ukrainischen F-16. Die Ukraine-F-16 haben keinen Zugang zum Nato-Datendienst Link-16, was ihre Vernetzung einschränkt. Die USA verweigern die Freigabe aus Sorge vor Technologieverlust.
Ein besonders kritischer Aspekt der F-16-Nutzung durch die Ukraine betrifft die elektronische Kampfführung. Ohne US-Updates sind die AN/ALQ-131-Störsender der F-16 gegen russische Radarsysteme angeblich nutzlos. Die Unterstützung wurde im März 2025 kurzfristig ausgesetzt, was die Einsatzfähigkeit der Jets beeinträchtigt, berichtet das Fachblog 19fortyfive.
US-Kampfjets in Iran und Venezuela
Während im Fall der ukrainischen F-16 zwar keine direkte Fernabschaltung möglich erscheint, zeigt sich eine andere Form der Kontrolle: die strategische Abhängigkeit durch Wartung, Ersatzteile und Software-Updates.
Ähnliche Erfahrungen mit US-Waffensystemen unter Embargo haben in der Vergangenheit Venezuela und Iran gemacht. Venezuela, das seit 2005 mit US-Sanktionen belegt ist, nutzt nach wie vor seine 24 F-16A/B-Flugzeuge, die zwischen 1983 und 1985 geliefert wurden.
Defence Exress berichtet, dass diese Flugzeuge trotz fehlender offizieller Unterstützung durch die USA weiterhin fliegen, allerdings in geringerer Zahl als vor dem Embargo.
Die Aufrechterhaltung der Flugbereitschaft erfolgt durch "Kannibalismus" (Ausschlachten einiger Maschinen für Ersatzteile) und den Einsatz "grauer" Importwege für Komponenten.
Iran, das seit 1984 unter einem US-Waffenembargo steht, bietet ein weiteres anschauliches Beispiel. Von den ursprünglich 79 gelieferten F-14-Kampfflugzeugen sind nach Jahrzehnten ohne offizielle Unterstützung nur noch etwa zehn Maschinen einsatzbereit.
Um den Zugang zu Ersatzteilen komplett zu unterbinden, haben die USA in den späten 2000er-Jahren sogar alle Ersatzteile und ausgemusterten F-14-Flugzeuge sorgfältig verschrottet.
Diese historischen Beispiele verdeutlichen: Auch ohne direkten "Kill-Switch" kann die Verweigerung von Support langfristig die operative Fähigkeit komplexer Waffensysteme erheblich einschränken.
Neue Lieferungen von F-16
Trotz der technischen Einschränkungen und Abhängigkeiten finden die ukrainischen F-16 weiterhin Verwendung im Konflikt. Laut 19fortyfive werden die F-16 hauptsächlich zur Luftverteidigung in der Tiefe des ukrainischen Territoriums eingesetzt. Direkte Luftkämpfe mit russischen Jagdflugzeugen oder Angriffe auf gut verteidigte Bodenziele nahe der Frontlinie werden hingegen weitgehend vermieden.
Dennoch berichtet Newsweek in einem aktuellen Artikel, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Ankunft "mehrerer zusätzlicher F-16-Flugzeuge" in der Ukraine verkündet hatte, ohne jedoch genaue Stückzahlen zu nennen.
Französische Alternativen
Als Alternative zu den von US-Unterstützung abhängigen F-16 setzt die Ukraine verstärkt auf die französischen Dassault Mirage 2000 Kampfflugzeuge. Diese Maschinen bieten den entscheidenden Vorteil, dass ihre elektronischen Kampfsysteme unabhängig von US-amerikanischer Unterstützung funktionieren. Derzeit sind sechs Mirage 2000 in der Ukraine im Einsatz.
Die Abhängigkeit von der Unterstützung des Herstellerlandes bei komplexen Waffensystemen ist kein neues Phänomen, aber die aktuelle Entwicklung verdeutlicht die weitreichenden Implikationen solcher Abhängigkeiten in Krisensituationen.
Das Problem hat besondere Relevanz für die Diskussion um die F-35, den modernsten Kampfjet der USA, der von mehreren europäischen Ländern bestellt wurde oder bereits im Einsatz ist. Die F-35 ist noch stärker von Software-Updates abhängig als die F-16, und ausländische Nutzer haben keinen Zugang zum Quellcode.
Die Debatte über einen möglichen "Kill-Switch" in der F-35 hat durch die Ereignisse in der Ukraine an Brisanz gewonnen.
Auch Deutschland hat ein Problem?
Nach einem Bericht des britischen Independent mussten mehrere europäische Länder, darunter Deutschland, offiziell dementieren, dass die USA ihre F-35-Kampfjets aus der Ferne deaktivieren könnten.
Wolfgang Ischinger, ehemaliger Diplomat und Präsident der Münchner Sicherheitskonferenz, äußerte sich gegenüber dem Independent besorgt:
Wenn wir befürchten müssen, dass die USA mit zukünftigen deutschen F-35 das tun könnten, was sie derzeit mit der Ukraine tun, könnten wir eine Kündigung des Vertrags in Betracht ziehen.
Die Erfahrungen mit den ukrainischen F-16 könnten ein Wendepunkt im internationalen Rüstungshandel sein.
Potenzielle Käufer könnten verstärkt auf Aspekte wie technologische Souveränität, Zugänglichkeit zu Quellcodes und langfristige Unabhängigkeit von einzelnen Lieferanten achten.