Ukraine-Krieg: Keine echte Friedensbemühung in Sicht

Fahnen, der Ukraine und der Schweiz vor einem Gebäude in der Schweiz

Sowohl die "Konferenz zum Frieden" des Westens in der Schweiz als auch Putins Reaktion enttäuschen. Konfliktparteien setzen auf Kampf statt Kompromiss. Eine Einschätzung.

Eine Konferenz "zum Frieden" hatte die Schweizer Diplomatie versprochen; tatsächlich scheinen die Konfliktparteien und damit Europa nach dem zweitägigen Treffen auf dem Bürgenstock einer Lösung ferner denn je. Die entscheidende Frage nach der Abreise der Delegationen ist nun, wie groß die Aussichten auf ein Ende der Kämpfe sind – und ob sie sich infolge der Konferenz in irgendeiner Weise geändert haben.

Ein tatsächlicher Ausweg aus dem Krieg kann und wird nur ein wie auch immer gearteter Kompromiss sein. Ob es zu einem solchen kommt, hängt von der Bereitschaft der Kriegsparteien ab, eigene Maximalpositionen zu verlassen und in den direkten Dialog zu treten.

Solange die Diplomatie sich nur damit beschäftigt, die Gegenseite im Krieg in eine taktisch schlechtere Position zu manövrieren, wird die tatsächliche Entscheidung weiter auf dem Schlachtfeld gesucht. So lange gehen das Töten und die Zerstörung in der Ukraine unvermindert weiter.

Konferenz war Teil des diplomatischen Kampfes

Tatsächlich vermittelte die Konferenz in der Schweiz den Eindruck, als ob es dort vor allem darum ging, ein Abschlusskommuniqué mit möglichst vielen ukrainischen Forderungen von möglichst vielen Staaten unterzeichnen zu lassen.

Sie war Teil des diplomatischen Kampfes um den Globalen Süden, den der Westen in Bezug auf den Krieg in die von ihm selbst dominierte, "Wertegemeinschaft" integrieren will. Der Erfolg wird am Grad dieser Integration gemessen, nicht an Fortschritten in Richtung Frieden.

Russland und der Globale Süden

Russland wiederum stellt sich als selbst ernannter Anführer des Globalen Südens gegen die bröckelnde Dominanz des Westens dar. Beide Ziele sind weit von einer Realisierung entfernt, da der Globale Süden schon genug aufgrund massiver eigener Probleme gezwungen ist, sich auf die eigenen Interessen zu konzentrieren.

So sind die meisten Staaten außerhalb des Umfeldes der Kriegsgegner darauf aus, sich von keiner der beiden Seiten massiv vor den Karren spannen zu lassen.

Tatsächlich erweckte die Konferenz in Russland selbst bei kompromisswilligen Akteuren nicht den Eindruck, ein Schritt in Richtung des als Ziel ausgegebenen Friedens darzustellen. "Die Friedenskonferenz zur Ukraine stellte die Weichen für die Fortsetzung des Konflikts" titelte die angesehene und nach wie vor im Rahmen der russischen Zensur sachliche Zeitung Kommersant. Der Gipfel sei kein Ereignis gewesen, das die Frage beantworte, wie der "großangelegte Konflikt zwischen Russland und der Ukraine beendet werden kann".

Putins "Friedensvorschlag" war nicht auf Annehmbarkeit ausgerichtet

Auch Putins kurz vor der Konferenz eingebrachter "Friedensvorschlag" trägt nicht zu einer Deeskalation in dieser weltpolitisch gefährlichen Situation bei. Er beinhaltete, dass sich die Ukraine aus eigenen Stücken aus den von Russland eigenmächtig annektierten Regionen des eigenen Staatsgebiets zurückziehen muss, bevor es zum Frieden kommt.

Die damit zu räumenden Gebiete wären beträchtlich und manch einer glaubt, diese Forderung resultiere aus dem aktuellen taktischen Vorteil, den die russische Armee durch ihre Offensiven aktuell an der Front genießt.

Krieg müsste noch 14 Jahre dauern

Jedoch sind die Gebiete, die die Ukraine einseitig aufgeben müsste so groß, dass die russische Armee beim aktuellen Tempo ihrer Offensive 2024 noch 14 Jahre brauchen würde, um sie militärisch zu erobern, berechnet die exilrussische Onlinezeitung Meduza.

Es ist offensichtlich, dass Putins Vorschlag nicht darauf abzielt, tatsächlich einen annehmbaren Friedensvorschlag zu machen oder die Grundlage für baldige Verhandlungen zu schaffen. Vielmehr ist das Ziel der Aktion, die Einigkeit, die der Westen mit der Konferenz um die Ukraine schaffen will, zu stören. Beide Seiten sind trotz gegenteiliger Absichtserklärungen im reinen Kampfmodus.

Moskau: Nicht-Hardliner in der Defensive, aber vorhanden

Dabei muss man von dem Bild Abstand nehmen, in Moskau seien rund um den Kreml im Politestablishment lediglich Hardliner konzentriert, die in einem militärischen Sieg im Ukraine-Krieg den einzig erstrebenswerten Ausgang des Konflikts sehen.

Tatsächlich nutzen westliche Akteure Zitate nur von Ultrapatrioten, um das Bild eines finsteren und einigen russischen Kriegsgegners zu erzeugen, den es nur militärisch zu bekämpfen gilt.

Doch es gibt in Moskau andere Stimmen, auch wenn die offenen Kriegsgegner über Repressionen mundtot gemacht, wenn nicht sogar inhaftiert oder ins Ausland vertrieben wurden.

So widersprachen mehrere russische Außenpolitik-Experten sofort öffentlich von den Hardlinern vorgebrachten Atomwaffen-Drohungen, da ihnen das Eskalationspotential dieser Rhetorik bewusst war. Einer von ihnen war Iwan Timofejew, Generaldirektor des russischen Rates für Auswärtige Beziehungen, des wichtigsten politischen Thinktanks des russischen Außenministeriums.

In einer aktuellen Analyse stellt er recht deutlich die Gefahr dar, die in einer Eskalation des Ukraine-Kriegs zu einem offenen Krieg zwischen der Nato und Russland steckt.

Gerade im Fall größerer militärischer Erfolge Russlands an der Front warnt er vor einer dann wahrscheinlicheren direkten Intervention der Nato, die es schwierig machen würde, eine weitere Eskalation zu stoppen. "Die Tendenz zu einem großen Krieg zwischen Russland und der NATO sollte ernst genommen werden" ist das Fazit seiner Analyse, deren Zielpublikum vor allem in den Schaltzentralen der russischen Politik sitzt.

Moskau will annektierte Gebiete in jedem Fall erobern

Doch auch Timofejew glaubt nicht wirklich daran, dass es aus Moskau Friedensvorschläge geben wird, die über das von Putin gemachte Angebot (oder "Ultimatum", wie es von seinen Gegnern genannt wird) hinausgeht.

Gegenüber Kommersant glaubt er in Bezug auf die von Russland annektierten Gebiete fest, dass Russland zu einem Friedensschluss bereit sei, dass die Kontrolle über diese Regionen nicht beinhalte, inklusive dem von der ukrainischen Armee gehaltenen Teil. Die russische Fähigkeit, den Krieg fortzusetzen bestimme daneben die kühle Haltung Moskaus gegenüber allen Vorschlägen, die von seiner Vision abweiche.

Kommersant zitiert daneben sogar den US-Osteuropafachmann Samuel Charap, der Putins Vorschlag als eine absichtliche Einengung des russischen Handlungsspielraums sieht:

Wie kann man nach dieser Äußerung sagen, dass Russland die Feindseligkeiten einstellen wird, während sein verfassungsmäßiges Territorium aus russischer Sicht besetzt ist? Davor gab es Handlungsspielraum, jetzt ist er weg.

In Moskau mag es noch mäßigende Stimmen geben, die die Gefahr eines immer weiter andauernden Krieges sehen. Einen wirklichen Einfluss auf das Staatsoberhaupt haben sie in zentralen Fragen nicht.

Ein ernsthafter Vorschlag zu einem Waffenstillstand müsste ja beinhalten, dass die Kämpfe an der Frontlinie ohne Vorbedingungen eingestellt werden, die aktuell besteht. Keine der beiden Krieg führenden Seiten ist dazu wirklich bereit.

Egal ob militärisch oder diplomatisch sind die Anstrengungen des Westens wie im Kreml darauf konzentriert, den Gegner zu schwächen. So wird der Krieg blutig und zerstörerisch wohl noch weitergehen, bis einer der beiden Seiten militärisch die Luft ausgeht.