Ukraine-Krieg: Putin falsch informiert?
- Ukraine-Krieg: Putin falsch informiert?
- "Es kann Putin nichts enttäuschen"
- Auf einer Seite lesen
Westliche Geheimdienste und Politiker gehen davon aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin nicht richtig über die Lage informiert wird. Was ist dran an diesen Vermutungen?
Zuletzt hat die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock dem Kremlchef vorgeworfen, mit Lügen und Falschinformationen Krieg gegen die Ukraine zu führen. Putin glaube dem "falschen Narrativ", das er der Welt erzähle, offenbar selbst, sagte die Grünen-Politikerin am Freitag letzter Woche gegenüber dem US-Sender CNN, ohne das Narrativ selbst näher zu beschreiben.
Die wenigen Menschen mit direktem Zugang zu Putin würden es nicht wagen, so Baerbock weiter, ihm die Wahrheit über die Lage in der Ukraine zu sagen. Das gelte insbesondere für den mangelnden Erfolg der russischen Truppen. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hält den Kremlchef für "nicht ordentlich" informiert. "Die eigenen Dienste enthalten ihm viele Nachrichten vor", sagte der SPD-Politiker ebenfalls am Freitag letzter Woche.
Mit ähnlichen Äußerungen war die us-amerikanische Regierung vorgeprescht, und sie berief sich dabei unter anderem auf Informationen von Geheimdiensten. Diese hatten erklärt, dass man bei Putin an Informationslücken glaube, auch was die "Lähmung" der russischen Wirtschaft durch die Sanktionen angehe.
"Ein diversifiziertes System, aus dem Putin Informationen beschafft"
Dann kamen die tragischen Ereignisse in der Kiewer Vorstadt Butscha ans Licht. Die Regierung in Moskau tat sie sehr schnell als Inszenierung ab und dementierte die Vorwürfe, obwohl vor allem zahlreiche Augenzeugenberichte die unbequeme Wahrheit zu bestätigen scheinen. Sollte Putin auch in diesem Fall die Wahrheit nicht kennen?
Das ist unwahrscheinlich. Denn ähnliche blutige Säuberungsaktionen durch die russischen Militärs gab es schon im September 1999, im Zweiten Tschetschenienkrieg. Gegen 87 mutmaßliche Kriegsverbrecher wurde damals den Meldungen zufolge ermittelt, die Presse berichtete über wenigstens zwei Urteile durch russische Gerichte.
Nun wird dagegen sehr schnell und generell abgestritten, obwohl zum Teil ähnliche Truppen vor Ort waren. Laut Augenzeugen gingen jetzt in Butscha ebenfalls Anhänger des tschetschenischen Machthabers Kadyrow, die eigene Einheiten bilden, durch die Straßen und töteten Menschen. Dass gegen sie später noch ermittelt wird, ist jedoch äußerst unwahrscheinlich.
Die oppositionelle Zeitung "Nowaja Gazeta" bezeichnete die damaligen Ereignisse in Tschetschenien als einen Krieg, der "Putin und Kadyrow an die Macht brachte und die Demokratie zerstörte". In den letzten Jahren habe Putins Toleranz gegenüber Kadyrow zugenommen, der jetzt eine gewaltsame Eroberung von Kiew fordert und Verhandlungen mit den Ukrainern generell ablehnt. Kadyrow wurde in der russischen Armee in einen hohen militärischen Rang im Generalstab befördert. Doch liegt das an fehlenden Informationen im Kreml?
Der russische Politologe Jewgenij Mintschenko, Direktor des Thinktanks "Minchenko Consulting", erklärte gegenüber Telepolis, er glaube nicht, dass Putin aktuell deshalb eher den "Falken" in seinem Umfeld zugeneigt ist, weil er nicht genügend Informationen bekommt.
Er hat ein diversifiziertes System, aus dem er Informationen beschafft: das Außenministerium, das Verteidigungsministerium, die Geheimdienste FSB, GRU, SWR, die Präsidialverwaltung, staatsnahe analytische Strukturen und Geschäftsleute, mit denen er gut interagiert.
Jewgenij Minschenko
Dass einige Berichte, die auf seinem Tisch landen, frisiert oder ausgeschmückt werden, könne man zwar vermuten, aber nicht mit Sicherheit bestätigen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.